Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson

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Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson

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als mich mucksmäuschenstill zu verhalten und den König, Seine Liebden, den Herzog von Argyle, und die Krähen sich nach Herzenslust um die Knochen ihres Verwandten raufen lassen. Zudem konnte ich nicht vergessen, daß James, obwohl wir doch alle miteinander in der gleichen Klemme steckten, keine übertriebene Besorgnis um Alan und mich gezeigt hatte.

      Dann kam mir der Gedanke, daß es um der Gerechtigkeit willen geschehe; das Wort gefiel mir ungemein, und ich setzte mir selbst des langen und breiten auseinander, daß uns vor allem daran gelegen sein müsse (da wir alle nun mal in die Politik verwickelt wären, einer dem anderen zum Schaden), der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen, und daß der Tod eines Unschuldigen dem ganzen Gemeinwesen eine Wunde schlüge. Dann wieder gab der Versucher mir eine Probe seiner Überredungskunst zu kosten; er flüsterte mir zu, ich solle mich schämen, daß ich mich in diese hohe Angelegenheit mische, ich sei ja nur ein eitles, prahlerisches Kind, das sich vor Rankeillor und Stuart gebrüstet hätte und sich nun durch seine Eitelkeit gebunden hielte, für seine großen Worte einzustehen. Ja, und er ließ mich auch das andere Ende des Knüppels spüren: er klagte mich der feigen Berechnung an, und daß ich auf Kosten eines kleinen Risikos mir größere Sicherheit erkaufen wolle. Sicher war, ich konnte jeden Tag Mungo Campbell oder den Beamten des Sheriffs von neuem über den Weg laufen, und dann würde man mich erkennen und mich Hals über Kopf in die Appin-Mordaffäre hineinziehen, wenn ich mich nicht zuvor gestellt und vom Verdacht gereinigt hätte. Und zweifellos würde ich, falls es mir gelang, meine Sache gut zu führen, von da an bis an mein Lebensende freier atmen. Doch wenn ich diesen Gründen voll ins Gesicht schaute, vermochte ich an ihnen nichts Unehrenhaftes zu entdecken. Und was das übrige betraf, so überlegte ich mir: hier steh ich am Kreuzweg; beide Wege führen zum gleichen Ziel. Es ist ungerecht, daß James gehenkt wird, wenn ich ihn retten kann; und ich würde mich lächerlich machen, wenn ich nach all meinem Gerede nicht auch handelte. James von der Schlucht kann von Glück sagen, daß ich mich von Anfang an so gebrüstet habe; und für mich selbst ist es auch kein Unglück, denn nun bin ich gebunden, das Rechte zu tun. Ich habe jetzt den Namen und die Mittel eines Gentleman; es wäre recht erbärmlich, entdecken zu müssen, daß mir das Wesentlichste dazu fehlt. Und dann fiel mir wieder ein, das sei ja eine unchristliche Gesinnung, und ich sprach rasch für mich ein Gebet, in dem ich um den Mut flehte, an dem es mir vielleicht gebrach, und bat, daß ich schnurstracks auf meine Pflicht losmarschieren möchte, wie ein Soldat in die Schlacht, um womöglich auch unbeschadet an Leib und Leben davonzukommen wie so viele andere.

      Diese Gedankengänge festigten meinen Entschluß, trotzdem sie meine Augen durchaus nicht gegen die mich umdrohenden Gefahren und gegen die Tatsache verschlossen, daß ich auf meinem Wege (wenn ich ihn wirklich fortsetzte) wahrscheinlich über die Leiter zum Galgen stolpern würde. Es war ein klarer, schöner Morgen, obwohl der Wind von Osten blies. Seine kühle Frische sang sich mir ins Blut und gab mir ein Gefühl wie von Herbst und welken Blättern und von Toten, die in ihren Gräbern ruhen. Wahrhaftig, der Teufel mußte schon seine Hand im Spiele haben, wenn ich tatsächlich in der Hochflut meines Glücks um anderer Leute willen sterben sollte. Auf dem Gipfel von Calton Hill liefen einige Kinder lärmend hin und her und ließen ihre Drachen steigen, obwohl es für dieses Vergnügen noch nicht die richtige Jahreszeit war. Die papierenen Vögel zeichneten sich klar gegen den Himmel ab; ich sah, wie ein besonders schwerer vom Wind in große Höhen getrieben wurde und dann zwischen den Ginsterbüschen schwerfällig zur Erde fiel; und bei diesem Anblick dachte ich zu mir selbst: »Das war Davie.«

      Mein Weg führte mich über Mouters Hill und zwischen Wiesen und an Hügeln vorbei durch den Zipfel eines Dorfes. Hier tönte das Gerassel von Webstühlen von Haus zu Haus; Bienen summten in den Gärten; die Nachbarn, die ich vor der Türe miteinander schwatzen sah, redeten eine fremde Sprache, und später hörte ich, daß es das Dorf Picardy gewesen sei, eine Niederlassung französischer Weber, die für die Linen Company arbeiteten. Bei ihnen erkundigte ich mich von neuem nach meinem Ziel, Pilrig und stieß nach einer Weile neben der Landstraße auf einen Galgen, an dem an Ketten zwei Männer hingen. Die Leichen waren, der Sitte gemäß, in Teer getaucht; der Wind wirbelte sie im Kreise herum, die Ketten klirrten, und die Vögel klammerten sich schreiend an die unheimlichen Hampelmänner. Das Schauspiel traf mich urplötzlich gleich einer Versinnbildlichung aller meiner Befürchtungen, und ich wurde nicht müde, es näher zu betrachten und mit allen Poren das Trostlose des Anblicks einzusaugen. Und was führt mir da der Zufall in den Weg, während ich immer wieder den Galgen umkreise? Ein gespenstiges altes Weiblein, das hinter dem einen Pfosten hockte und kopfschüttelnd und mit vielen Verbeugungen und Handbewegungen laut mit sich selbst redete. »Wer sind diese beiden da, Mutter?« fragte ich, auf die zwei Leichname deutend. »Gottes Segen über dein herziges Gesicht«, rief sie. »Zwei alte Schätze von mir; nur zwei meiner alten Schätze, mein Junge.« »Und weswegen hängen sie da?« erkundigte ich mich weiter. »Oh, nur wegen der guten Sache«, erwiderte sie. »Oft hab ich's ihnen vorausgesagt, wie's enden würde. Zwei Shilling schottisch, nicht einen Penny mehr; und zwei hübsche Jungen müssen dafür hängen: sie nahmen's einem Balg aus Brouchton ab.« »So, so«, sagte ich zu mir selbst und nicht zu der tollen alten Vettel, »und wegen einer so erbärmlichen Sache haben sie's so weit gebracht. Das heiß ich wahrhaftig von Gott verlassen sein.«

      »Laß mich deine Hand sehen, Herzensjunge,« fuhr sie fort, »ich will deine Zukunft voraussagen.«

      »Nein, Mutter«, entgegnete ich, »ich sehe schon so klar genug, wohin der Weg mich führt. Es tut nicht gut, zuviel vorauszuwissen.«

      »Ich lese auf deiner Stirne«, antwortete sie. »Da ist ein hübsches Mädel mit hellen Augen und ein kleiner Mann in einem schönen, gestickten Rock und ein großer Mann in einer gepuderten Perücke, und da ist noch der Schatten der Rabenwippe, hier quer über deinem Weg. Zeig deine Hand her, Herzensjunge, und laß dir von der alten Merren eine feine, gute Zukunft voraussagen.«

      Die beiden Zufallstreffer, die auf Alan und die Tochter James Mores abzuzielen schienen, berührten mich tief, und ich floh vor dem grausigen Geschöpf, ihr einen Batzen hinwerfend, mit dem sie unter den tanzenden Schatten der Gehenkten weiter spielte.

      Mein Weg auf der Leither Landstraße wäre ohne diese Begegnung um vieles angenehmer gewesen. Der alte Fahrdamm führte zwischen Feldern hindurch, derengleichen ich, was Geschicklichkeit in der Bebauung anbelangt, nie gesehen hatte; allein die Galgenketten rasselten weiter in meinem Kopf, und das Krächzen und Unken der alten Hexe sowie der Gedanke an die beiden Toten verfolgten mich wie ein Gespenst. Am Galgen zu endigen schien mir ein hartes Los, und ob nun ein Bursche wegen zwei Shilling schottisch oder (wie Mr. Stuart es prophezeite) wegen seines Pflichtgefühls dort baumelte, machte, sobald er erst mal geteert und gefesselt und aufgehängt war, im Grunde genommen wenig aus. Dort würde David Balfour vielleicht auch einmal hängen, und die anderen Burschen würden vorbeigehen und Schlechtes von ihm denken und sich von verrückten alten Weibern, die am Fußende kauerten, die Zukunft voraussagen lassen; und saubere, schlanke Mädchen würden vorübergehen und sich dabei die Nase zuhalten. Ich sah sie deutlich vor mir, und alle hatten sie graue Augen, und die Bänder, die sie im Haare trugen, leuchteten in den Drummond-Farben. Ich war daher in gedrücktester Stimmung, wenn auch immer noch ziemlich fest entschlossen, als ich Pilrig vor mir auftauchen sah: ein hübsches Haus mit vielen Giebeln, das neben der Landstraße zwischen einigen prächtigen jungen Bäumen lag. Des Gutsherrn Pferd stand gesattelt vor der Türe, als ich mich dem Hause näherte, aber er selbst befand sich in seinem Studierzimmer, wo er mich, umgeben von gelehrten Büchern und Musikinstrumenten, empfing, denn er war nicht nur ein großer Philosoph, sondern auch ein eifriger Musiker. Anfänglich begrüßte er mich ziemlich freundlich und stellte sich mir dann, nachdem er Rankeillors Brief gelesen hatte, mit großer Zuvorkommenheit ganz zur Verfügung. »Worum handelt es sich, Vetter David?« fragte er – »denn wir sind ja, wie es scheint, Vettern – was kann ich für Euch tun? Ein Wort an Prestongrange? Das ist zweifellos leicht geschrieben. Aber wie soll dieses Wort lauten?« »Mr. Balfour,« entgegnete ich, »wollte ich Euch meine Geschichte erzählen, ich glaube tatsächlich, Ihr wäret wenig davon entzückt. Das ist meine Ansicht, und Mr. Rankeillors ebenfalls.«

      »Es tut mir leid, derartiges von Euch zu hören, Vetter,« antwortete

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