Dr. Karl Semper und seine Studien auf den Palau-Inseln im Sillen Ozean. Jürgen Ruszkowski

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Dr. Karl Semper und seine Studien auf den Palau-Inseln im Sillen Ozean - Jürgen Ruszkowski

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in den Rassen annehmen zu können glaubte; denn Pruner-Bei war der erste, der wenigs­tens genauer als bisher den Querschnitt der Haare in ethno­graphischer Beziehung untersuchte. Abgesehen nun davon, dass der Einfluss der Vermischung verschiedener Völker auf die Form des Haars (dessen Querschnitt) bisher nicht unter­sucht worden ist, abgesehen ferner von der Tatsache, dass je­der gewissenhaft beobachtende Reisende überall nur ge­mischte Rassen, nirgends reine findet – sodass die Frage, welchem der Urstämme diese oder jene Form des Haars zu­komme, gar nicht mehr zu entscheiden ist –; und abgesehen endlich davon, dass die Abhängigkeit des Haars in seinem Wachstum von den äußeren Lebensbedingungen absolut un­bekannt ist, also auch darin liegende Fehlerquellen bei der ganz hypothetischen Aufstellung jenes Dogmas vom Gegen­satz des krausen und glatten Haars gar nicht vermieden wer­den konnten: abgesehen von alledem stehen weder die Beob­achtungen Pruner Bei's mit seinen theoretischen Behauptun­gen vor allem das breitknochige fast viereckige Gehauptungen in so vollständigem Einklang, dass sie überhaupt beachtet zu werden verdienten, noch gehen seine Annahmen parallel mit den analogen Hypothesen anderer Ethnologen, welche glau­ben, durch einige Maße die typische Schädelform jedes Stam­mes feststellen, durch die Übereinstimmung in den Maßen auch die Menschenrassen ethnologisch gruppieren zu kön­nen. Hypothetische Voraussetzungen – und weiter nichts, ich wiederhole, ist Häckel’sche Menschenstammbaum – können nur dann einigen Anspruch Beachtung machen, wenn sie sich gegenseitig decken; widerspricht die eine andern, so sind sie gewiss beide verkehrt.) vor allem das breitknochige fast viereckige Gesicht mit den stark hervortretenden Ba­ckenknochen und die äußerst kleinen Augen.

      Am nächsten Morgen wurden wir früh durch vorneh­men Besuch überrascht. Am Abend schon hatte uns Krei seinen Adoptivsohn, den kleinen Cordo, entführt; morgens kehrten sie beide zurück in Begleitung eines breitschulterigen, ausnehmend gutmütig aussehenden Mannes, des vornehmsten Fürsten im Staate Aibukit, Mad. Mit ihm kamen eine Anzahl anderer Fürsten und auch mehrere junge Mädchen, von denen zwei sich im­mer an der Seite Mad's hielten, während die andern in ziemlich freier Weise zwischen den fremden Matrosen mit ihren von der Taille bis zum Knie reichenden und seitlich die Schenkel ganz frei lassenden Blätterkleidern dahin rauschten. Fast alle trugen sie eine duftende Blu­me im Ohr. Die Männer, teilweise ganz nackt oder nur mit einem Lendengürtel bekleidet, den sie oft genug auch in der Hand hielten, blieben mit Ausnahme weniger Vornehmer ganz im Vordergrunde des Schiffs, weit ent­fernt von Krei und Mad, sodass ich durch die Achtung, welche beiden gezollt wurde, schon ihre hohe Würde hätte erraten können, selbst wenn ich nicht durch Woo­din und Johnson längst gehört hätte, dass ich hier die zwei mächtigsten Fürsten des Dorfs und Staats Aibukit vor mir sähe.

      Die sozialen Strukturen der Palau-Insulaner

      Beide Männer wurden immer nur mit dem angegebe­nen Namen angeredet, welche, obgleich beide, Mad wie Krei, Eigennamen, doch auch zugleich echte Titel für ei­nes jeden Stellung im Staate waren. Beide besitzen noch einen andern Namen, den ihrer Jugend, den sie aber beim Amtsantritt mit dem unwandelbaren Titel ihres Amts vertauscht hatten. Das gleiche Vorrecht haben nur noch die eigentlichen Fürsten – die rupacks –, deren Zahl und Namen ich leider nicht völlig genau ermitteln konnte und welche die erste Klasse der Bevölkerung bilden. Mad (d. h. Tod) ist der eigentliche König, dem als solchem neben dem Vorsitz im Fürstenrate die alleinige Entscheidung und Sorge über ihre religiösen Feste und alles, was sich mit ihrem Ahnenkultus verbindet, zusteht. Ihm ist ein wirklicher Almosenier untergeordnet, der Inateklò genannt, ebenfalls Sitz und Stimme im Fürstenrate hat. Zweiter im Staat ist Krei, der Krieger und Feldherr sowie Anordner aller öffentlichen und Gemeindearbeiten, ein echter Majordomus, der auch hier im Stillen Ozean öfter eine ähnliche Rolle gespielt hat, wie der Taikun in Japan oder die Hausmeier der Merovinger im Frankenreiche. Im Fürstenrate sitzt er Mad gegenüber; und jedem schließt sich auf seiner Seite ein Gefolge kleinerer Fürsten an, bei ihren großen Festen sowohl wie bei ihren feierlichen über das Wohl und Wehe des Staats beschließenden Sitzungen. Diese Teilung der Gesamtzahl der Fürsten in solche, welche dem Krei oder dem Mad folgen, ist aber nicht bloß auf das öffentliche Leben beschränkt. Ein jeder der beiden Fürstenhäupter ist zugleich auch Vorsteher seines Gefolges, mit welchem er zusammen ein großes Haus – hier bai genannt – besitzt und worin die Mitglieder dieser Vereinigung des sogenannten Clöbbergöll, die Nächte und einen großen Teil der Tageszeit zubringen.

      Ggraphics17 emeindehaus auf Palau

      So bildet also in Aibukit – und ähnlich wie hier ist es in allen übrigen Staaten des Landes – die erste Klasse der eigentlichen Fürsten zwei sogenannte Clöbbergölls.

      In der zweiten Klasse der Bevölkerung, der sogenann­ten kleinen Fürsten (kikeri rupack) oder derjenigen der Freien sowohl wie in der dritten der Hörigen – des ar­meau – finden sich ähnliche, aber viel zahlreichere Clöb­bergölls, die sich am besten wohl noch mit unsern Regi­mentern vergleichen lassen. Denn in der Tat herrscht hier eine allgemeine Wehrpflicht, wie sie weitgehender und in alle sozialen Verhältnisse tiefer eingreifend wohl kaum gedacht werden kann. Vom fünften oder sechsten Jahre an sind alle Knaben gezwungen, in einen solchen Clöbbergöll einzutreten, sich an den Kriegen und an den von der Regierung angeordneten öffentlichen Arbeiten zu beteiligen. Aber in ihnen sind die Freien und die Höri­gen nicht streng voneinander geschieden, wenngleich jene immer den Vorrang haben, einmal als Freie, dann aber auch, weil aus ihrer Zahl die eigentlichen Fürsten teils nach Erbfolgegesetzen, teils durch Wahl genommen werden. Während also von diesen viele nur bis zu einem gewissen Lebensalter einem der zahlreichen niederen Clöbbergölls angehören, dann aber als Rupacks in den Fürstenkongress eintreten, bleiben jene, die Männer des Armeau, bis an ihr Lebensende in den Regimentern zweiter Ordnung. Eine Trennung findet hier nur insofern statt, als in jedem einzelnen Clöbbergöll, welcher im Durchschnitt etwa 35 bis 40 Mann zählen mag, immer nur gleichaltrige Knaben oder Männer zugelassen werden, sodass ein jeder von ihnen während seines Lebens normaler Dauer wenigstens drei oder vier verschiedenen Clöbbergölls angehört hat.

      Im Grunde genommen bildet nun eigentlich ein jedes Dorf einen in der angegebenen Weise gegliederten Staat für sich. Jeder derselben hat also auch seine besonde­ren Titel für die entsprechenden Ämter, die niemals die gleichen sind. So heißen die beiden Coröre regierenden Fürsten Ebadul (Abba Thule bei Wilson) und Arra Koo­ker; aber es sind auch hier nicht, wie Wilson meint, ihre Eigennamen, sondern nur ihre durch alle Generationen hindurch gleichbleibenden Titel. Ihr Sinn blieb mir leider unbekannt. Bald bestehen nun diese einzelnen Dörfer als Staaten für sich und nebeneinander, wie in Peleliu und auf Kreiangel, oder es ordnen sich mehrere einem mächtigeren unter und treten zu ihm in ein gewisses Va­sallenverhältnis. Ich hatte weiter oben schon angege­ben, wie sich infolge der Anwesenheit Cheyne's und Woodin's auf Babelthaub die Staaten in zwei Gruppen teilten, deren Führerschaft Coröre und Aibukit ausübten; mit jenem Staate waren außer den verschiedenen klei­neren Reichen Pelelius noch Armlimui und Eimelig an der Südwestküste und Aracalong an der Nordspitze von Babelthaub verbündet, während Athernal und Eirei die Verbündeten von Aibukit waren. Die im Norden der Gruppe, von ihr durch einen breiten Tiefwasserkanal getrennt liegende Insel Kreiangel – ein echter Atoll – verhielt sich neutral. Doch aber war die Absorptionskraft dieser beiden augenblicklich mächtigsten Staaten schon so groß geworden, dass eine Anzahl anderer Dörfer, welche früher teilweise eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hatten, in ein direktes Abhängigkeitsverhältnis zu ihnen getreten waren, sodass die dem Mad oder Krei in Aibukit entsprechenden Fürsten z. B. von Rallap, Kaslau, Roll, Aulima und mehreren andern Dörfern, wohl in ihrer Heimat noch dieselbe Stellung einnahmen, aber im Fürstenrate von Aibukit selbst nur den Rang eines gewöhnlichen rupack beanspruchen konnten. Natürlich wurden dadurch in jenen Vasallenstaaten auch die andern Vornehmen um eine Stufe tiefer gestellt, sodass sie in Aibukit selbst genau dieselbe Stellung besaßen wie die zur Nachfolge bestimmten Vornehmen der zweiten Klasse. An den allgemeinen Beratungen des in Aibukit tagenden Fürstenrats konnten also auch nur die beiden ersten Rupacks der untergebenen Dörfer teilnehmen; und durch diese Verschmelzung kam es denn auch, dass mitunter ein solcher neben seinem

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