Dr. Karl Semper und seine Studien auf den Palau-Inseln im Sillen Ozean. Jürgen Ruszkowski
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Schon früher hatte ich den Äußerungen des Kapitäns und Johnson's entnommen, dass seit einigen Jahren die nationalen Kriege in frischer Kraft entbrannt waren infolge der Ankunft Woodin's und des oben schon genannten Cheyne. Beide hatten sich 1860 zuerst im Hafen von Coröre zusammen aufgehalten, eine Zeit lang auch gemeinschaftlich Geschäfte gemacht, die sie teils dort im Hafen selbst, teils durch kleine nach Nord und Süd ausgedehnte Bootexkursionen führten. Der alte Woodin, ehrlich und gutmütig aber nicht „klug wie die Schlangen“ hatte Cheyne ein zu großes Vertrauen geschenkt, welches dieser schmählich missbrauchte. Im März oder April 1860 waren beide, nachdem sie sich dort zufällig im Hafen von Coröre – Malakka – getroffen hatten, mündlich übereingekommen, gemeinschaftliche Geschäfte mit gleichem Risiko zu machen, in der Weise, dass Cheyne für seine Tauschwaren nur Trepang, Woodin dagegen ausschließlich Öl und Schildpatt einhandeln sollte. In dieser Zeit hatte Woodin schon 70 Pikul Trepang an Bord, die er Cheyne übergab, wie er denn von jenem Tage an auch alle Eingeborenen, die Trepang verkaufen wollten, zurückwies und ihm, dem Kapitän des Dreimasters „BLACK RIVER PACKET“ zuschickte. Am 31. Mai schrieb dieser an Woodin, dass er infolge des schlechten Zustandes seines Schiffs sich genötigt sehen würde, spätestens bis zum 15. August die Inseln zu verlassen, dass er aber so lange, bis Woodin von der beabsichtigten Reise nach Manila zurückgekehrt sei, auf eigene Kosten und Risiko Handel treiben, dann aber nach Shanghai abreisen und dort die gewonnene Ladung und das Schiff verkaufen wolle, um ihm Woodin das Feld – dort auf den Palaus – freizulassen. Aber schon am 7. Juni schrieb er meinem Freunde, der gerade im Begriff stand, nach Manila abzusegeln, abermals, indem er einen Kontrakt vorlegte, der, wenn er angenommen worden wäre, diesem den empfindlichsten Schaden hätte zufügen müssen. Es hätte sich dann Woodin verpflichtet gesehen, 1. allen von Kapitän Cheyne bis dahin gesammelten Trepang frei von Fracht nach Manila zu bringen und dort Cheyne's Agenten zu übergeben; 2. die erheblich höheren Unterhaltungskosten der „BLACK RIVER PACKET“ zur Hälfte vom Tage seiner Abreise an gerechnet, zu tragen, während Cheyne die Hälfte der Unterhaltungskosten der „LADY LEIGH“, die beträchtlich geringer waren, erst von jenem Tage an zu übernehmen hätte, an welchem Woodin wieder den Handel beginnen würde; 3. die Palau-Inseln ganz zu verlassen, da sich Cheyne das Recht des Handels dort reservierte. Abgesehen von den Nachteilen, welchen sich Woodin schon durch die ersten beiden Punkte ausgesetzt gesehen hätte, so wäre die letzte Bestimmung für ihn geradezu verderblich geworden. Cheyne wäre dann im ausschließlichen Besitz der auf den Carolinen für den Trepanghandel am günstigsten gelegenen Palau-Inselgruppe geblieben, während Woodin die sowohl für diesen Handel weniger produktiven als nautisch unbekannteren übrigen Inseln der Carolinen und einen Verkehr mit den viel kühneren und roheren Bewohnern derselben zu suchen gehabt hätte. Im Fall eines Unglücks hätte dann Cheyne die Palau-Inseln für sich allein ausbeuten können, denn er wusste sehr wohl, dass Woodin's letzter und dazu noch ganz verschuldeter Besitz jener kleine Schoner war, dass sein Rivale sich also ganz außer Stande sehen würde, ein neues Schiff zu kaufen und seine Handelsreisen wieder aufzunehmen. Dies war denn auch in der Tat das Ende von Woodin's Laufbahn. Aber selbst im allergünstigsten Falle lag für Woodin eine direkte Benachteiligung in diesem Vorschlage, welchen er denn auch ohne weiteres abzulehnen beschloss. Aus Gefälligkeit nahm er noch eine kleine Quantität Trepang mit nach Manila, von wo er Mitte September desselben Jahres nach den Inseln zurückkehrte. Zwar lief er abermals im Hafen von Coröre ein, aber nur, um bald nach dem weiter nördlich gelegenen Ort Aibukit abzusegeln, dessen Bewohner schon früher mit ihm gehandelt hatten und die er nun, frei von den Schikanen Cheyne's und der Fürsten von Coröre, in ihrem eigenen Lande zu besuchen beschloss.
Dies war den Bewohnern von Coröre sowohl wie seinem Rivalen ein unangenehmer Entschluss. Jene fürchteten, dass sie, gering an Zahl, nur im Besitz einer kleinen Insel, die hauptsächlich seit Wilson's Zeiten und teilweise durch dessen tätige Hilfe gewonnene Übermacht über die übrigen Staaten der Inselgruppe einbüßen würden, wenn nun durch Woodin ein direkter Handel mit den nördlichen Staaten eröffnet würde, die bisher von ihnen durch größeren Reichtum und durch die bedeutendere Zahl von Feuerwaffen in einer gewissen Botmäßigkeit erhalten worden waren. Cheyne aber besorgte seinen Lieblingsplan, dessen Verwirklichung er in der Tat später nahe genug kam, scheitern zu sehen, wenn es Woodin wirklich gelänge, festen Fuß im Norden zu fassen. Die spätere Entwickelung der Vorgänge zeigte nämlich deutlich, dass er zunächst den Handel dort in übermütigster Weise zu monopolisieren, dann aber auch sich den Dank seines Vaterlandes dadurch zu erwerben gedachte, dass er ein im Laufe der Jahre dort gewonnenes Anrecht auf eine Insel oder die ganze Inselgruppe der englischen Nation zu vermachen beschloss. Bei den Eingeborenen von Coröre war jedenfalls die Eifersucht gegen Aibukit so groß – ich will den Einfluss, welchen nach Woodin's und Barber's Behauptungen Cheyne auch hierbei gehabt haben musste, nicht weiter untersuchen –, dass jene einen Feldzug gegen die Leute des Nordens und die „LADY LEIGH“ zu unternehmen beschlossen. Sie waren bei der Inszenierung ihres Planes, den alten Woodin von Aibukit zu verscheuchen, nur ihrem schon früher einmal gegen ein spanisches Fahrzeug geübten Verfahren treu geblieben, das sie ruhig zum Trepangfang nach der nördlich gelegenen Insel Jap absegeln, dort aber von den durch eine große Summe Geldes bestochenen Bewohnern wirklich „abschneiden“ (Abschneiden (cut off) ist der seemännische Kunstausdruck für die Beraubung und Zerstörung eines Schiffs durch Wilde) ließen. Wenigstens geht aus einem von Cheyne am 15. September an den schon nach dem Norden abgesegelten Woodin gerichteten Briefe hervor, dass nach Aussage der Fürsten von Coröre die Leute von Aibukit den Plan gefasst haben sollten, die „LADY LEIGH“ am Tage der Ankunft zu nehmen. Diese Mitteilung Cheyne's hatte offenbar den Zweck, den alten Woodin einzuschüchtern und zum Umkehren zu veranlassen. Als aber dieser trotz der Warnung doch im Hafen von Aibukit ankerte und hier statt feindlichen Empfangs das freundlichste Entgegenkommen von feiten der Eingeborenen fand, schrieb ihm Cheyne am 26. September abermals einen Brief, worin er andeutete, dass die Bewohner von Coröre dies Gerücht ausgesprengt oder auch wirklich den Leuten von Aibukit Geld bezahlt hätten, um ihn – Woodin – abzuschneiden; dass er aber seinerseits überzeugt sei, er werde in Aibukit gute Geschäfte machen, da er dort keine Gefahr zu besorgen habe. Diesen Brief übergab er Woodin's Steuermann Barber, welcher in Geschäften nach Coröre in einem Boote gekommen war, mit dem gleichzeitig gemachten Bemerken, er – Barber – solle lieber gleich bei ihm bleiben; er wolle ihn in Dienst nehmen, und es sei für ihn dies das Beste, da er wahrscheinlich, wie wenigstens gerüchtweise verlautete die „LADY LEIGH“ nicht mehr vorfinden werde. Barber eilte nun wirklich etwas in Angst versetzt, da er die Tücke der Bewohner von Coröre kannte, so rasch als möglich dem Norden zu und kam hier gerade noch zur rechten Zeit, um Woodin von dem Herannahen einer offenbar mit feindlichen Absichten aus dem Süden kommenden Flotille in Kenntnis zu setzen. Wenige Stunden nach ihm kamen wirklich die Kriegscanoes von Coröre, Armlimui und einigen andern Staaten des Südens an, fanden aber Woodin bereit, sie scharf zu empfangen. Nun änderten sie ihren Plan. Der vornehmste König unter ihnen, Ebadul von Coröre ging zu Woodin an Bord und setzte ihm im freundschaftlichsten Tone auseinander, dass sie gekommen seien, die Bewohner von Aibukit zu züchtigen dafür, dass sie sich Rechte anmaßten, welche ihnen nicht gebührten; er tue besser, statt dort oben zu bleiben, wieder mit ihnen nach Coröre umzukehren, um das alte freundschaftliche Verhältnis wieder anzuknüpfen, er solle von den Leuten des Südens so viel Trepang erhalten, als sein Schiff nur fassen könne.
Woodin blieb natürlich taub gegen die Versicherung der Freundschaft wie gegen das Versprechen, das ihm Ebadul machte. Unterdessen waren auch die Kriegscanoes