Julia. Gunter Preuß
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Julia saß wie benommen. Eine Fünf hatte sie nicht erwartet. So hatte ihr gemeinsames Üben also überhaupt nichts geholfen. Im Gegenteil: Pits Leistung hatte sich noch verschlechtert.
Der Lehrer und Pit standen sich gegenüber. Beide hielten eine Hand an der Mathearbeit.
Herr Rohnke suchte Pits Augen. Er wollte etwas sagen. Etwas wie: Na, Kopf hoch. Wird schon werden. Aber er bekam es nicht über die Lippen.
Pit sah an Rohnke vorbei aus dem Fenster. Er fühlte Julias enttäuschte Blicke, vermutete Gleichgültigkeit in der Klasse.
Der Lehrer empfand sekundenlang Hilflosigkeit Pit gegenüber. Mit diesem Jungen kam er nicht zurecht. Der konnte oder wollte nicht. Es waren also nicht alle Schüler zu guten Leistungen zu führen. Dieser hier nicht. Rohnke war Sportler. Ein Kämpfer. Überall im Leben. Er fühlte sich von Pits Abwehrhaltung, von seiner Verschlossenheit und Sturheit besiegt.
Herrn Rohnkes Haltung straffte sich. Er zog Pits Arbeit zurück. Sagte: »Hör mal, Pit. Du könntest wieder jeden Freitag zu mir kommen. Wir sind wohl in letzter Zeit beide etwas außer Tritt gekommen.« Er hielt Pits Arbeit hoch. »Junge, das ist doch Spielerei hier. Menschenskind, das wäre doch gelacht, wenn wir es nicht schaffen würden!«
Für einen Moment sah Pit Herrn Rohnke an. Julia glaubte so etwas wie Dankbarkeit und Hoffnung in Pits Blick gesehen zu haben, als er sich kurz nach ihr umschaute.
»Übrigens«, sagte Herr Rohnke, jetzt zur Klasse gewandt, »ich habe eine Exkursion geplant. In zirka drei Wochen. In der Köhraer Genossenschaft.«
Die Klasse trommelte Beifall auf die Tische.
Nach der Schule zog Ellen Julia mit zu dem Sportgeschäft, wo sie den knallroten Bikini entdeckt hatte. Julia ließ es willig geschehen, obwohl sie sich vorgenommen hatte, zu Hause aufzuräumen. Aber sie war in guter Stimmung. Sie hätte heute jeden Blödsinn mitgemacht.
Immer wieder fragte sie Ellen: »Ist Herr Rohnke nicht großartig? Also ich finde ihn einfach phantastisch! Es ist überhaupt nicht daran zu zweifeln, dass er aus Pit noch einen Rechenkünstler macht!«
»Das stimmt, Juli.« Ellen war ganz aufgeregt. Ihr Gesicht glühte. Am liebsten wäre sie zum Sportgeschäft gerannt. »Genauso ist Werner. Mit ihm könnte ich - könnte ich die Sterne vom Himmel holen.«
»Liebscher.« Julia winkte ab. »Der ist doch gegen Herrn Rohnke nur ein kleiner Fisch.«
Ellen wollte etwas entgegnen. Aber sie stand sprachlos vor dem Schaufenster des Sportgeschäfts.
»Hier hat er gelegen«, sagte sie verzweifelt. »Siehst du, genau hier.«
»Der hier ist blau«, sagte Julia gelangweilt. Sie hatte einen Bikini. Ihr war es gleichgültig, ob der blau, rot oder grün war. Sie forderte: »Na beeile dich doch, Ellen. In einem blauen Bikini schwimmt es sich auch nicht schlechter.«
Ellen schluckte. Sie sagte leise: »Es geht doch nicht ums Schwimmen. Weißt du ja genau, dass ich nicht schwimmen kann. Aber Werner mag rot. Es ist seine Lieblingsfarbe.«
»Und was ist deine Lieblingsfarbe?«, wollte Julia wissen.
»Grün - nein, warte - blau. Blau ist meine Lieblingsfarbe.«
»Komm!« Julia schob Ellen in den Laden. Es roch nach Leder und Parfüm.
»Na, meine Damen, was soll's denn sein?«, fragte die Verkäuferin.
Sie hatte sich gerade mit Parfüm die Schläfen eingerieben. Sie schimpfte: »In diesem Loch hier kann man kaum noch Luft holen. Dann der Gestank von der Brauerei. Man kann nicht einmal die Tür offenstehen lassen!«
»Zeigen Sie uns den blauen Bikini«, sagte Julia. Sie stand an der Tür, sah den Rauch der Brauereischornsteine durch die Straße ziehen. Vater hatte zu Hause erzählt, das würde sich bald ändern, wenn die neue Heizanlage stehen würde. Aber das war vor einem Vierteljahr gewesen.
Julia hielt den Bikini hoch. »Na, gefällt er dir?«, fragte sie ungeduldig.
»Wenn ich ihn kaufe, bin ich völlig blank«, sagte Ellen unsicher.
Julia griff sich an die Stirn. »Das ist zum Verrücktwerden! Mit dem roten Bikini hättest du auch keine Mark gespart!«
»Der rote Bikini ist leider verkauft«, sagte die Verkäuferin.
»Dachten wir uns«, bemerkte Julia. Sie war wütend auf Ellen. Beide gingen schließlich ohne den Bikini aus dem Laden. Die Hitze glühte von den Pflastersteinen die Beine hoch.
»Entschuldige, Julia ... « Ellen drehte verlegen in ihrem funkelnden Haar.
Julia fuhr auf. »Entschuldige, entschuldige! Ich will dir mal was sagen, du Unschuldsengel! Seitdem du in Liebscher verknallt bist, hast du überhaupt keine eigene Meinung mehr!«
Ellen fasste Julias Hände. »Bist du etwa eifersüchtig, Julia?«
Julia riss sich los. Sie schüttelte wütend den Kopf. »Du begreifst einfach überhaupt nichts, Ellen.«
Eine Straßenbahn hielt knirschend. Die Klingel ertönte heftig. Julia hörte ihren Namen. Sie sah hoch, erkannte ihre Mutter. Julia stieß Ellen in die Hüfte. »Komm schon! Fahren wir zum Auensee!«
»Tag, Julia. Tag, Ellen. Schon wieder ins Bad?« Julias Mutter klingelte ab, fuhr an. »Nun bezahlt erst einmal.«
Julias Laune hatte sich durch die Auseinandersetzung mit Ellen verschlechtert. Sie beachtete Ellen nicht, die dauernd auf sie einredete: »Ich will überhaupt nicht an den Auensee. Habe keinen Badeanzug mit, Juli. Nun hör doch mal, Juli ... «
»Schlechte Laune, Julia?«, fragte die Mutter. »Hat es heute nicht die Mathearbeiten zurückgegeben?«
»Hat es«, sagte Ellen. »Julia hat natürlich eine Eins.«
Julia lehnte am Fensterglas. Sie mochte es, wenn sie in den Füßen die Bewegungen der Räder spürte und vor ihren Augen sich die Bilder veränderten: Zwei Männer beluden einen Lastwagen mit leeren Kisten; ein Mädchen rannte einem Ball hinterher; das Sonnenlicht schoss für eine Sekunde wie ein bunter Blitz durch die Blätter eines Baumes; auf einem Dach montierte ein Mann eine Antenne; ein Mann und eine Frau schoben einen Kinderwagen, sie waren stehengeblieben und küssten sich.
»Juli! Deine Mutter fragt dich etwas!«
Ellen wiederholte: »Wie Pit abgeschnitten hat, will sie wissen.«
»Das hättest du doch auch sagen können«, sagte Julia.
»Ich habe in dem Moment wohl nicht aufgepasst«, entschuldigte sich Ellen.
»Ihr müsst aussteigen«, sagte Julias Mutter. »Erfahre ich nun noch Pits Zensur?«
»Fünf«, sagte Julia beim Aussteigen.
Sie lehnte sich noch einmal zur Tür hinein. »Aber das wird sich bald ändern«, versicherte sie. »Herr Rohnke wird jetzt wieder mit ihm üben.«
Julia