Erfolgreich scheitern. Alexander Florin
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Erfolgreich scheitern - Alexander Florin страница 4
Lassen Sie sich auch durch anderslautende Meinungen und Prognosen von Ihrer Einschätzung der Lage nicht abbringen. Was können Meinungen und Prognosen schon bedeuten, wenn Sie die Wahrheit in sich spüren? Sie sind der einzige Maßstab, nach dem Ihr Scheitern zu beurteilen ist. Ein Scheitern, das nicht vorgesehen ist, ist nur eine Niederlage – und die einzugestehen, ist so viel schwerer als mit der Gewissheit zu leben, zu planen, zu arbeiten, dass das Scheitern unausweichlich ist und mit unabwendbarer Sicherheit das Ende Ihres Vorhabens bedeuten wird. Deshalb ist das Scheitern von Beginn an fester Bestandteil Ihres Projektes, ja, Ihr Projekt wäre ohne das von Ihnen fest eingeplante Scheitern gar nicht mehr Ihr Projekt, sondern nur ein langweiliges unter vielen erfolgreichen.
Wie Sie merken, stellt die eigene Einstellung teilweise das größte Problem dar. Dies ist der Bereich, in dem Ihnen niemand helfen kann. Nur Sie selbst sind in der Lage, Ihres Scheiterns sicher zu sein. Wenn andere davon ebenfalls überzeugt sind, hat das geringen Wert, denn diese anderen wollen Sie sowieso nur scheitern sehen. Aber Sie selbst müssen davon überzeugt sein, dass ein erfolgreiches Scheitern genau das ist, was Sie erreichen werden.
Anna plagten von Anfang an Zweifel daran, ob sie ihrem Ziel gewachsen war. Sie war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich zur Romanautorin taugte, ob sie das nötige Durchhaltevermögen hatte, ob ihre Fähigkeiten ausreichten, Charaktere über mehrere Hundert Seiten hinweg mit Leben zu erfüllen. Erst als sie für sich erkannte, dass ihre einzige realistische Option darin bestand, sich mit dem Scheitern zu arrangieren, schwanden die Zweifel und sie unternahm alles, was sie dem Scheitern näherbrächte. So war sie in der Lage, die Niederlage in einen Triumph des erfolgreichen Scheiterns umzuwandeln.
Tom war schon immer eher grüblerisch. Nun hatte er mit seinem Vorhaben, eine Internetplattform zu gründen, noch mehr Aspekte, über die er grübeln konnte. Würden die Nutzer seine Plattform annehmen? Würden Unternehmen dort Werbung schalten? Würden sich die Arbeit und all die Zeit am Ende auszahlen? Die Zweifel wuchsen. Bis er letztlich seine Situation aus einer anderen Perspektive betrachtete: Wenn er das erfolgreiche Scheitern zu seinem Ziel erklärte und seine alten Erfolgsvorstellungen ablegte, würde er gewinnen. In einem Moment der Ruhe (Regel 3) erkannte er, dass er keine andere Möglichkeit, als zu scheitern, hatte. Fortan war er sich des Scheiterns bewusst und ließ den Erfolg nicht einmal mehr als theoretische Chance in sein Denken. All seine Bemühungen richtete er nun darauf, wie er das Scheitern beflügeln und sicherstellen könnte.
7. Zweifeln Sie immer an Ihrem Scheitern
Zu gefestigter Glaube macht blind für Gefahren und Chancen.
Zweifel halten den Geist wach und kreativ.
In unserer erfolgsdominierten Gesellschaft ist es nicht leicht, den Gedanken an das Gelingen eines Vorhabens zu verbannen und an seinem erfolgreichen Scheitern zu zweifeln. Mitunter scheint ein Projekt den Erfolg fast magisch anzuziehen – wie sollen Sie da an Ihrem Scheitern zweifeln? Ganz einfach: Gönnen Sie sich Momente, in denen Sie es sich gestatten, an Ihrem Scheitern zu zweifeln, Momente, in denen Sie sogar einen Erfolg für gar nicht so unmöglich halten, wie er es ist. Diese Momente werden Ihnen Kraft und Energie geben.
Diese Momente sind überlebenswichtig für das Projekt, sonst würden Sie es in der Gewissheit des Scheiterns ja vorzeitig beenden und für gescheitert erklären. Aber für „erfolgreiches Scheitern“ müssen Sie es bis zu Ende bringen, vorzeitige Abbrüche sind nur Niederlagen.
Die zwei gezeigten Zweifelsfelder sind daher essenziell für Ihr Vorhaben, wie Yin und Yang, die positive und die negative Energie, die zwei Gegensätze der chinesischen Philosophie. Die Nicht-Zweifel am Scheitern sind notwendig, um das Richtige zu tun und erfolgreich scheitern zu können. Die Zweifel am Scheitern sind nötig, damit Sie Ihr Projekt weiter betreiben und nach außen verkaufen können.
Anna war sich sicher, dass sie scheitern wird, gab aber nicht auf, denn immer mal wieder, wenn sie das Feuilleton las, wurde ihr bewusst, wie wichtig es war, dass sie ihren Roman schrieb. In solchen Momenten schöpfte sie Kraft, wieder ein Stück weiterzugehen und ihr Vorhaben voranzubringen.
Josef und Mara zweifelten anfangs nie an ihrem Erfolg, doch im Laufe der Arbeit stellten sich Zweifel ein. Konnten sie als Team eine solche Arbeit überhaupt erfolgreich zu Ende führen? Schließlich übernahmen diese Zweifel die Oberhand, und sie waren sicher, dass ein Scheitern unausweichlich ist. Dennoch hielten sie ihre Idee für so gut und erfolgversprechend, dass sie die Arbeit daran nicht aufgaben. Jeder geschulte Beobachter wäre in der Lage gewesen, ihnen in diesem Studium ein bravourös erfolgreiches Scheitern zu prophezeien, hatten sie doch genau die richtige Balance zwischen Erfolgs- und Scheiterzweifeln gefunden und machten außerdem auch alles andere instinktiv richtig, um dem erfolgreichen Scheitern näherzukommen und das Projekt nicht vorzeitig abzubrechen.
Du siehst, lieber Leser, es genügt keine einzelne Einstellung, sondern gerade die Kombination aus verschiedenen Kräften, die in Dir im Widerstreit liegen, weist den richtigen Weg. Verweigerst Du Dich einer dieser Kräfte, wirst du kläglich scheitern. Deine Aufgabe besteht darin, beide Kräfte in Dir zu erkennen, zu nähren und Dich beiden gleichermaßen intensiv hinzugeben.
8. Keine Kompromisse
„Der eine will ein Auto, der andere ein Motorrad. Was wird angeschafft? Ein Mülleimer.
Ein guter Kompromiss ist dann erreicht, wenn alle unzufrieden sind.“
Volker Pispers
Wer nach Harmonie strebt, gar Kompromisse als probates Mittel zur Zielerreichung ansieht, hat schon verloren. Nur strikte Kompromisslosigkeit und Unnachgiebigkeit sind erfolgversprechende Charakterzüge. Es könnte oft so einfach sein: Beide Seiten, die etwas wollen, geben ein Stückweit nach und schon ist etwas geklärt. Warum sollten aber gerade Sie nachgeben? Ihre Vision verträgt keine Kompromisse. Sie wollen Ihr Vorhaben doch nicht durch Kompromisse und Zugeständnisse verwässern.
Ganz egal, ob Ihnen jemand erklärt, dass etwas unmöglich sei, Ihr Motto ist: „The Sky is the Limit.“ Nur eine gesunde und gepflegte Ignoranz gegenüber Einwänden und scheinbaren Notwendigkeiten, die Ihnen Kompromisse abverlangen würden, wird Sie mit Sicherheit zum erfolgreichen Scheitern führen. Selbst wenn Sie das Gefühl haben sollten, dass ein Kompromiss Ihr Vorhaben ja gar nicht relevant verändert – mit einem kleinen Kompromiss fängt Ihr Untergang an, es werden weitere Kompromisse folgen, und irgendwann werden Sie Ihr Projekt nicht mehr wiedererkennen.
Jans Vision enthielt einen genauen Plan, wie sein Geschäft aussehen sollte: drei Räume, jeweils quadratisch, davon der erste mit den Auslagen acht Meter breit, der zweite fünf und der dritte drei Meter breit. Sie sollten hintereinander liegen. Der mittlere müsste eine kirchenartige Akustik haben, um die Platten angemessen anhören zu können, der hintere sollte eine Leseecke für die Bücher bieten. Selbstverständlich wäre alles nach strengen Feng-Shui-Regeln eingerichtet, sonst würde er sich ja lächerlich machen. Es wäre müßig, hier die angebotenen Kompromisse aufzuzählen. Kurzum: Jan ging keinen dieser Kompromisse ein und nutzte die Zeit, bis er ein geeignetes Objekt finden würde, für weitere Vorbereitungen.
Anna hatte noch nie Texte geschrieben, die länger waren als eine Seite. Von einigen Freunden bekam sie den Rat, doch erst einmal eine Kurzgeschichte zu versuchen. Wenn ihr das Schreiben Spaß machte und leicht fiele, könnte sie ja leicht daraus den Roman entwickeln. Selbstverständlich ignorierte Anna solcherlei Ansinnen.
Mara schlug Josef vor, mit der Idee bei einem großen Pharma-Unternehmen oder einer Forschungseinrichtung vorstellig zu werden und dort zu forschen; dieser Versuch hätte aufgrund familiärer Verflechtungen Maras sogar Erfolgsaussichten.