Mensch und Mathematik. Edwin Gräupl
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Edwin Gräupl
Mensch und Mathematik
Wittgenstein gegen Plato
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Inhaltsverzeichnis
1.1 Information und Sprachspiel
1.2 Die physische Welt und ihr Informationsgehalt
1.7 „Unendlich" und der mathematische Gegenstand
1.8 Die Entstehung der Theorien
1.10 Die Axiomatisierung einer Theorie
1.11 Anmerkungen zum Wesen der Mathematik
2.2 Wahrheit in der Mathematik
2.4 Anwendbarkeit der Mathematik
2.6 Der gute Engel Wittgensteins
2.7 Anmerkungen zur Wahrheit in der Mathematik
3. Anhang: Bemerkungen zum „Tertium non datur“
4. Erfolgreicher Mathematikunterricht
1. Das Wesen der Mathematik
Denn die Mathematik ist doch ein anthropologisches Phänomen.
L. Wittgenstein (BGM V 26)
Tatsächlich beruht, ob man das nun wahrhaben will oder nicht, alle mathematische Pädagogik .. . auf einer Philosophie der Mathematik .
(Rene Thom, zitiert nach: Mathematiker über die Mathematik, Springer 1974, pag 5).
In der dominierenden Sichtweise der westlichen Kultur schreibt man den Gegenständen der Mathematik seit Plato ein selbständiges Dasein in einer übergeordneten Welt (wie man sie auch immer nennen mag) zu. Das führt dazu, dass für viele Menschen die Mathematik eine rigide Kälte ausstrahlt, die den Zugang zu ihren Methoden und Erkenntnissen erschwert und oft verhindert. Spätestens seit Ludwig Wittgenstein kann man dagegen argumentieren und die mathematische Wissenschaft als etwas zutiefst Menschliches erkennen.
Auf den folgenden Seiten entwickle ich diese Position und schließe mit einer „Checkliste“ für einen menschlichen Mathematikunterricht.
1.1 Information und Sprachspiel
Unter Information will ich hier Aussagen über Sachverhalte, oder allgemeiner, Züge in einem Sprachspiel verstehen. Verständlich heißt die Information dann, wenn ich in der Lage bin, jene Aussagen auch gebrauchen oder auf diesen Zug entsprechend antworten zu können. Jemand empfängt nun einen Zeichenkomplex. Da dies nicht isoliert geschieht, sondern in einem größeren Zusammenhang, kann er diesen Komplex auch dann für eine Information halten, wenn er nicht weiß, wie diese Zeichen zu gebrauchen sind. Er wird dann von einer unverständlichen Information sprechen.
Erfahrungsgemäß reizt diese Situation die Neugierde, es entsteht das Bedürfnis diese Zeichen auch gebrauchen zu können. Der triviale Fall einer unverständlichen Information liegt vor, wenn die sie konstituierenden Aussagen in einer dem Empfänger unbekannten Sprache gemacht werden. Für unsere Betrachtungen ist aber der Fall wichtig, dass der Empfänger trotz seiner Sprachkenntnis die Information nicht gebrauchen kann. Das kann eintreten, wenn sehr viele Zeichen in rascher Folge übermittelt werden, so dass der Empfänger sie nicht mehr verarbeiten kann. Wichtiger ist für uns der andere Fall, dass diese Informationen etwa schriftlich vorliegen, also das Verarbeitungstempo im Belieben des Empfängers liegt, aber so umständlich formuliert sind, dass sie der Empfänger trotzdem nicht gebrauchen kann. Dazu ein Beispiel. Höre oder lese ich „Gib mir Geld!", so kann ich diese Information gebrauchen. Sie weist mir eine bestimmte Rolle zu, von der ich weiß, wie sie zu spielen ist. Diese Aufforderung gibt mir also das Startzeichen zu einem mir wohlbekannten Spiel. Höre ich aber „Gib mir nie kein Geld nicht!", so kann ich mit dieser Information, so wie sie hier vorliegt, noch nichts anfangen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Hier setzt die Notwendigkeit ein, für einen derartigen Fall neue Verhaltensformen zu überlegen.
Ich kann den Kontakt zum Informanten (manchmal) abbrechen, dieses Spiel nicht spielen („Lass mich in Ruhe!"). Diese Haltung wird im Extremfall zum Selbstmord führen müssen. Für den, der weiterleben will, bleibt die Notwendigkeit, mehr oder weniger „mitzuspielen".