Erziehungskunst I. Rudolf Steiner
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LUNATA
Erziehungskunst I
Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik
© 1919 by Rudolf Steiner
© Lunata Berlin 2020
Inhalt
Ansprache am Vorabend des Kurses
14 Vorträge und eine einführende Ansprache
20. August – 5. September 1919 in Stuttgart
Schulungskurs für die Lehrer der ersten Waldorfschule
Ansprache am Vorabend des Kurses
STUTTGART, 20. AUGUST 1919
Heute Abend soll nur etwas Präliminarisches gesagt werden. Die Waldorfschule muss eine wirkliche Kulturtat sein, um eine Erneuerung unseres Geisteslebens der Gegenwart zu erreichen. Wir müssen mit Umwandlung in allen Dingen rechnen; die ganze soziale Bewegung geht ja zuletzt auf Geistiges zurück (die soziale Bewegung ist zuletzt aufs Geistige zurückgeworfen), und die Schulfrage ist ein Unterglied der großen geistigen brennenden Fragen der Gegenwart. Die Möglichkeit der Waldorfschule muss dabei ausgenützt werden, um reformierend, revolutionierend im Schulwesen zu wirken. Das Gelingen dieser Kulturtat ist in Ihre Hand gegeben. Viel ist damit in Ihre Hand gegeben, um, ein Muster aufstellend, mitzuwirken. Viel hängt davon ab, dass diese Tat gelingt. Die Waldorfschule wird ein praktischer Beweis sein für die Durchschlagskraft der anthroposophischen Weltorientierung. Sie wird eine Einheitsschule sein in dem Sinne, dass sie lediglich darauf Rücksicht nimmt, so zu erziehen und zu unterrichten, wie es der Mensch, wie es die menschliche Gesamtwesenheit erfordert. Alles müssen wir in den Dienst dieses Zieles stellen. Aber wir haben es nötig, Kompromisse zu schließen. Kompromisse sind notwendig, denn wir sind noch nicht so weit, um eine wirklich freie Tat zu vollbringen. Schlechte Lehrziele, schlechte Abschlussziele werden uns vom Staat vorgeschrieben. Diese Ziele sind die denkbar schlechtesten, und man wird sich das denkbar Höchste auf sie einbilden. Die Politik, die politische Tätigkeit von jetzt wird sich dadurch äußern, dass sie den Menschen schablonenhaft behandeln wird, dass sie viel weitergehend als jemals versuchen wird, den Menschen in Schablonen einzuspannen. Man wird den Menschen behandeln wie einen Gegenstand, der an Drähten gezogen werden muss und wird sich einbilden, dass das einen denkbar größten Fortschritt bedeutet. Man wird unsachgemäß und möglichst hochmütig solche Dinge einrichten, wie es Erziehungsanstalten sind. Ein Beispiel und Vorgeschmack davon ist die Konstruktion der russischen bolschewistischen Schulen, die eine wahre Begräbnisstätte sind für alles wirkliche Unterrichtswesen. Wir werden einem harten Kampf entgegengehen, und müssen doch diese Kulturtat tun. zwei widersprechende Kräfte sind dabei in Einklang zu bringen. Auf der einen Seite müssen wir wissen, was unsere Ideale sind, und müssen doch noch die Schmiegsamkeit haben, uns anzupassen an das, was weit abstehen wird von unseren Idealen. Wie diese zwei Kräfte in Einklang zu bringen sind, das wird schwierig sein für jeden einzelnen von Ihnen. Das wird nur zu erreichen sein, wenn jeder seine volle Persönlichkeit einsetzt. Jeder muss seine volle Persönlichkeit einsetzen von Anfang an. Deshalb werden wir die Schule nicht regierungsgemäß, sondern verwaltungsgemäß einrichten und sie republikanisch verwalten. In einer wirklichen Lehrer-Republik werden wir nicht hinter uns haben Ruhekissen, Verordnungen, die vom Rektorat kommen, sondern wir müssen hineintragen (in uns tragen) dasjenige, was uns die Möglichkeit gibt, was jedem von uns die volle Verantwortung gibt für das, was wir zu tun haben. Jeder muss selbst voll verantwortlich sein. Ersatz für eine Rektoratsleitung wird geschaffen werden können dadurch, dass wir diesen Vorbereitungskurs einrichten und hier dasjenige arbeitend aufnehmen, was die Schule zu einer Einheit macht. Wir werden uns das Einheitliche erarbeiten durch den Kurs, wenn wir recht ernstlich arbeiten. Für den Kurs ist anzukündigen, dass er enthalten wird: erstens eine fortlaufende Auseinandersetzung über allgemeinpädagogische Fragen; zweitens eine Auseinandersetzung über speziellmethodische Fragen der wichtigsten Unterrichtsgegenstände; drittens eine Art seminaristisches Arbeiten innerhalb dessen, was unsere Lehraufgaben sein werden. Solche Lehraufgaben werden wir ausarbeiten und in Disputationsübungen zur Geltung bringen. An jedem Tag werden wir vormittags das mehr Theoretische haben und nachmittags dann das Seminaristische. Wir werden also morgen um 9 Uhr beginnen mit der allgemeinen Pädagogik, haben dann um 1/2 11 die speziell-methodische Unterweisung und am Nachmittag von 3 bis 6 Uhr die seminaristischen Übungen. Wir müssen uns voll bewusst sein, dass eine große Kulturtat nach jeder Richtung hin getan werden soll. Wir wollen hier in der Waldorfschule keine Weltanschauungsschule einrichten. Die Waldorfschule soll keine Weltanschauungsschule sein, in der wir die Kinder möglichst mit anthroposophischen Dogmen vollstopfen. Wir wollen keine anthroposophische Dogmatik lehren, Anthroposophie ist kein Lehrinhalt, aber wir streben hin auf praktische Handhabung der Anthroposophie. Wir wollen umsetzen dasjenige, was auf anthroposophischem Gebiet gewonnen werden kann, in wirkliche Unterrichtspraxis. Auf den Lehrinhalt der Anthroposophie wird es viel weniger ankommen als auf die praktische Handhabung dessen, was in pädagogischer Richtung im allgemeinen und im speziellMethodischen im besonderen aus Anthroposophie werden kann, wie Anthroposophie in Handhabung des Unterrichts übergehen kann. Die religiöse Unterweisung wird in den Religionsgemeinschaften erteilt werden. Die Anthroposophie werden wir nur betätigen in der Methodik des Unterrichts. Wir werden also die Kinder an die Religionslehrer nach den Konfessionen verteilen. Das ist der andere Teil des Kompromisses. Durch berechtigte Kompromisse beschleunigen wir unsere Kulturtat. Wir müssen uns bewusst sein der großen Aufgaben. Wir dürfen