des Kindes herein. Grob ausgedrückt, können wir sagen: Das Kind kann noch nicht innerlich richtig atmen, und die Erziehung wird darin bestehen müssen, richtig atmen zu lehren. Aber das Kind kann noch etwas anderes nicht richtig, und dieses andere muss in Angriff genommen werden, damit ein Einklang geschaffen werde zwischen den zwei Wesensgliedern, zwischen dem Körperleib und zwischen der Geistseele. Was das Kind nicht richtig kann im Anfang seines Daseins – es wird Ihnen auffallen, dass gewöhnlich das, was wir geistig betonen müssen, der äußeren Weltenordnung zu widersprechen scheint –, was das Kind nicht richtig kann, das ist, den Wechsel zwischen Schlafen und Wachen in einer dem Menschenwesen entsprechenden Weise zu vollziehen. Man kann freilich sagen, äußerlich betrachtet: Das Kind kann ja ganz gut schlafen; es schläft ja viel mehr als der Mensch im späteren Lebensalter, es schläft sogar in das Leben herein. – Aber das, was innerlich dem Schlafen und Wachen zugrunde liegt, das kann es noch nicht. Das Kind erlebt allerlei auf dem physischen Plan. Es gebraucht seine Glieder, es isst, trinkt und atmet. Aber indem es so allerlei macht auf dem physischen Plan, indem es abwechselt zwischen Schlafen und Wachen, kann es nicht alles dasjenige, was es auf dem physischen Plan erfährt – was es mit den Augen sieht, den Ohren hört, den Händchen vollbringt, wie es mit den Beinchen strampelt –, es kann nicht das, was es auf dem physischen Plan erlebt, hineintragen in die geistige Welt und dort verarbeiten und das Ergebnis der Arbeit wieder zurücktragen auf den physischen Plan. Sein Schlaf ist gerade dadurch charakterisiert, dass er ein anderer Schlaf ist als der Schlaf der Erwachsenen. Im Schlafe des Erwachsenen wird vorzugsweise das verarbeitet, was der Mensch erfährt zwischen dem Aufwachen und dem Einschlafen. Das Kind kann das noch nicht in den Schlaf hineintragen, was es erfährt zwischen Aufwachen und Einschlafen, und es lebt sich daher noch so in die allgemeine Weltenordnung mit dem Schlafen hinein, dass es nicht mitbringt in diese Weltenordnung während des Schlafes dasjenige, was es äußerlich in der physischen Welt erfahren hat. Dahin muss es gebracht werden durch die richtiggehende Erziehung, dass das, was der Mensch auf dem physischen Plan erfährt, hineingetragen wird in dasjenige, was der Seelengeist oder die Geistseele tut vom Einschlafen bis zum Aufwachen. Wir können als Unterrichter und Erzieher dem Kinde gar nichts von der höheren Welt beibringen. Denn dasjenige, was in den Menschen von der höheren Welt hineinkommt, das kommt hinein in der Zeit vom Einschlafen bis zum Aufwachen. Wir können nur die Zeit, die der Mensch auf dem physischen Plan verbringt, so ausnützen, dass er gerade das, was wir mit ihm tun, allmählich hineintragen kann in die geistige Welt und dass durch dieses Hineintragen wiederum in die physische Welt zurückfließen kann die Kraft, die er mitnehmen kann aus der geistigen Welt, um dann im physischen Dasein ein rechter Mensch zu sein. So wird zunächst alle Unterrichts- und Erziehungstätigkeit gelenkt auf ein recht hohes Gebiet, auf das Lehren des richtigen Atmens und auf das Lehren des richtigen Rhythmus im Abwechseln zwischen Schlafen und Wachen. Wir werden selbstverständlich solche Verhaltungsmaßregeln beim Erziehen und Unterrichten kennenlernen, die nicht etwa auf eine Dressur des Atmens hinauslaufen oder auf eine Dressur von Schlafen und Wachen. Das wird alles nur im Hintergrund stehen. Das, was wir kennenlernen werden, werden konkrete Maßregeln sein. Aber wir müssen uns bis in die Fundamente hinein bewusst sein dessen, was wir tun. So werden wir uns bewusst werden müssen, wenn wir einem Kinde diesen oder jenen Lehrgegenstand beibringen, dass wir dann in der einen Richtung wirken auf das mehr in den physischen Leib Hineinbringen der Geistseele und in der anderen Richtung mehr auf das Hereinbringen der Körperleiblichkeit in die Geistseele. Unterschätzen wir nicht, dass das wichtig ist, was jetzt gesagt ist, denn Sie werden nicht gute Erzieher und Unterrichter werden, wenn Sie bloß auf dasjenige sehen werden, was Sie tun, wenn Sie nicht auf dasjenige sehen werden, was Sie sind. Wir haben ja die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft eigentlich aus dem Grunde, um die Bedeutsamkeit dieser Tatsache einzusehen, dass der Mensch in der Welt wirkt nicht nur durch dasjenige, was er tut, sondern vor allem durch dasjenige, was er ist. Es ist einmal ein großer Unterschied, meine lieben Freunde, ob der eine Lehrer in die Schule durch die Klassentür zu einer kleineren oder größeren Anzahl von Schülern hineingeht oder der andere Lehrer. Es ist ein großer Unterschied, und der liegt nicht bloß darin, dass der eine Lehrer geschickter ist, die äußerlichen pädagogischen Handgriffe so oder so zu machen, als der andere; sondern der hauptsächlichste Unterschied, der wirksam ist beim Unterricht, rührt her von dem, was der Lehrer in der ganzen Zeit seines Daseins an Gedankenrichtung hat, die er durch die Klassentür hereinträgt. Ein Lehrer, der sich beschäftigt mit Gedanken vom werdenden Menschen, wirkt ganz anders auf die Schüler als ein Lehrer, der von alledem nichts weiß, der niemals seine Gedanken dahin lenkt. Denn was geschieht in dem Augenblick, wo Sie über solche Gedanken nachdenken, das heißt, wo Sie anfangen zu wissen, welche kosmische Bedeutung der Atmungsprozess und seine Umwandlung in der Erziehung hat, welche kosmische Bedeutung der Rhythmusprozess zwischen Schlafen und Wachen hat? In dem Augenblick, wo Sie solche Gedanken haben, bekämpft etwas in Ihnen alles das, was bloßer Persönlichkeitsgeist ist. In diesem Augenblick werden abgedämpft alle Instanzen, welche dem Persönlichkeitsgeist zugrunde liegen; es wird etwas von dem ausgelöscht, was gerade am meisten vorhanden ist im Menschen dadurch, dass er ein physischer Mensch ist. Und indem Sie in diesem Ausgelöschtsein leben und hineingehen in das Klassenzimmer, kommt es durch innere Kräfte, dass sich ein Verhältnis herstellt zwischen den Schülern und Ihnen. Da kann es sein, dass die äußeren Tatsachen dem anfangs widersprechen. Sie gehen in die Schule hinein, und vielleicht haben Sie Rangen und Ranginnen vor sich, die Sie auslachen. Sie müssen so gestärkt sein durch solche Gedanken, wie wir sie hier pflegen wollen, dass Sie gar nicht achten dieses Auslachens, dass Sie es hinnehmen wie eine äußere Tatsache, ich will sagen wie die Tatsache, dass es, während Sie ohne Regenschirm ausgegangen sind, plötzlich beginnt zu regnen. Gewiss, das ist eine unangenehme Überraschung. Aber gewöhnlich macht der Mensch selbst einen Unterschied zwischen dem Ausgelachtwerden und dem Überraschtwerden durch den Regen, wenn man keinen Schirm hat. Es darf kein Unterschied gemacht werden. Wir müssen so starke Gedanken entwickeln, dass dieser Unterschied nicht gemacht wird, dass wir dieses Ausgelachtwerden wie einen Regenguss hinnehmen. Wenn wir durchdrungen sind von diesen Gedanken, und namentlich den rechten Glauben an sie haben, dann wird das über uns kommen, was vielleicht erst nach acht Tagen, vielleicht erst nach vierzehn Tagen, vielleicht nach noch längerer Zeit eintritt – wenn wir noch so sehr ausgelacht werden von den Kindern: dass wir ein Verhältnis zu den Kindern herstellen, das wir für das Wünschenswerte halten. Wir müssen dieses Verhältnis auch gegen Widerstand herstellen durch das, was wir aus uns selbst machen. Und wir müssen uns vor allen Dingen der ersten pädagogischen Aufgabe bewusst werden, dass wir erst selbst aus uns etwas machen müssen, dass eine gedankliche, dass eine innere spirituelle Beziehung herrscht zwischen dem Lehrer und den Kindern, und dass wir in das Klassenzimmer eintreten in dem Bewusstsein: Diese spirituelle Beziehung ist da, nicht bloß die Worte, die Ermahnungen, die ich die Kinder erfahren lasse, die Geschicklichkeit im Unterrichten wird da sein. Das alles sind Äußerlichkeiten, die wir gewiss pflegen müssen; aber wir werden sie nicht richtig pflegen, wenn wir nicht als Grundtatsache herstellen das ganze Verhältnis zwischen den Gedanken, die uns selbst erfüllen, und den Tatsachen, die während des Unterrichts an Leib und Seele der Kinder vor sich gehen sollen. Unsere ganze Haltung im Unterrichten würde nicht vollständig sein, wenn wir nicht das Bewusstsein in uns tragen würden: der Mensch wurde geboren; dadurch wurde ihm die Möglichkeit gegeben, dasjenige zu tun, was er nicht konnte in der geistigen Welt. Wir müssen erziehen und unterrichten, der Atmung erst die richtige Harmonie geben zur geistigen Welt. Der Mensch konnte nicht in derselben Weise den rhythmischen Wechsel vollziehen zwischen Wachen und Schlafen in der geistigen Welt wie in der physischen Welt. Wir müssen diesen Rhythmus so regeln durch Erziehung und Unterricht, dass in der rechten Weise im Menschen eingegliedert werde Körperleib oder Leibeskörper in Seelengeist oder Geistseele. Das ist etwas, was wir selbstverständlich nicht so wie eine Abstraktion vor uns haben und als solche unmittelbar im Unterricht verwenden sollen, aber als Gedanke von der menschlichen Wesenheit muss es uns beherrschen. Das wollte ich Ihnen in dieser Einleitung sagen, und wir wollen morgen mit der eigentlichen Pädagogik beginnen.
Zweiter Vortrag
22. AUGUST 1919, STUTTGART
Jeder Unterricht in der Zukunft wird gebaut werden müssen auf eine wirkliche Psychologie, welche herausgeholt ist aus anthroposophischer Welterkenntnis. Dass der Unterricht und das Erziehungswesen