Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke. Edgar Allan Poe

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Edgar Allan Poe - Gesammelte Werke - Edgar Allan Poe

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lederner Armstuhl und ein loderndes Feuerboten.

      Es war eine jener grausigen Nächte, wie sie nur ein- oder zweimal im Laufe eines Jahrhunderts vorkommen. Der Schnee wirbelte in dichten Flocken, und das Haus erbebte bis in seine Grundfesten bei den Stößen des Windes, die in alle Risse und Ritzen der Mauerndrangen, heulend den Kaminschlot herabfuhren, die Vorhänge am Bett des Philosophen unheimlich hin- und herwehen ließen und die Ordnung in seinen Pastetengeräten störten. Das große Schild, das draußen im wütenden Sturmwinde hin- und herschwankte, knarrte unheilverkündend, und ein schauriges Ächzen ging von seinen alten Eichenstützen aus.

      Wie ich schon gesagt habe, rückte der Metaphysiker seinen Stuhl nicht gerade in der rosigsten Laune an seinen gewohnten Platz am Herde. Viele Umstände verwirrender Art hatten sich im Laufe des vergangenen Tages vereinigt, um seine Seelenruhe zu stören. Beim Versuche, Oeufs à la Princesse zuzubereiten, hatte er das Versehen begangen, eine Omelette à la Rheine zu machen; die Entdeckung eines ethischen Prinzips war durch das Überlaufen eines Stews zunichte gemacht worden; und was am schlimmsten war, eines jener bewundernswerten Handelsgeschäfte, deren erfolgreicher Abschluß ihm so sehr am Herzen lag, war ihm durchkreuzt worden. Aber seinerinneren Aufregung diesen seltsamen Wechselfällen gegenüber war bis zu einem gewissen Grade jene nervöse Beklemmung beigemischt, die durch die Wildheit einer stürmischen Nacht so leicht ausgelöst wird. Er pfiff den großen schwarzen Hund zu sich her, damit er ihn in seiner unmittelbaren Nähe habe, warf sich mit dem Gefühl des Unbehagens in seinen Stuhl und konnte sich nicht enthalten, seine Augen vorsichtig und unruhig in jene entfernteren Winkel des Raumes wandern zu lassen, deren schwer durchdringliche Schatten nicht einmal durch das rote Licht des Feuers völlig verdrängt werden konnten. Nachdem er diese Durchforschung des Raumes, deren eigentlicher Zweck ihm selbst vielleicht nicht ganz klar war, beendigt hatte, zog er einen kleinen, mit Büchern und Papieren bedeckten Tisch zu sich heran und war bald in die letzte Durchsicht eines dicken Manuskripts vertieft, das am nächsten Morgen veröffentlicht werden sollte.

      Diese Beschäftigung dauerte kaum einige Minuten, als eine weinerliche Stimme plötzlich durch den Raum flüsterte: »Mir eilt es ganz und gar nicht, Herr Bon-Bon.«

      »Zum Teufel!« stieß unser Held hervor, indem er aufsprang, den Tisch an seiner Seite umstieß und erstaunt im Zimmer umherstarrte.

      »Stimmt genau.« antwortete die Stimme in größter Ruhe.

      »Stimmt genau! – was stimmt genau? Wie kamen Sie hier herein?« schrie der Metaphysiker, als sein Blick auf ein gewisses Etwas fiel, das lang ausgestreckt auf dem Bette lag.

      »Ich habe gesagt,« sprach der Eindringling, ohne auf die Fragen zu achten, »ich habe gesagt, daß ich es ganz und gar nicht eilig habe. Das Geschäft, um derentwillenich mir die Freiheit genommen habe, vorzusprechen, ist nicht von so großer Dringlichkeit – kurz, ich kann sehr wohl warten, bis Sie Ihre Darlegungen dort vollendet haben.«

      »Meine Darlegungen! – nun aber! – wieso wissenSiedenn? Wie kamenSiedazu, zu wissen, daß ich Darlegungen schreibe? Gütiger Himmel?«

      »Pst!« antwortete der andere, mit merkwürdig schriller Stimme, sprang vom Bette auf und machte einen einzigen Schritt auf unseren Helden zu. Eine eiserne Lampe, die von oben herabhing, zuckte bei seiner Annäherung zurück.

      Die Überraschung des Philosophen hinderte ihn nicht, Erscheinung und Kleidung des Fremden genau zu mustern. Die Umrisse der äußerst dürren, aber übermenschlich hohen Gestalt wurden deutlich hervorgehoben durch einen schäbigen Anzug aus schwarzem Tuch, der, abgesehen davon, daß er dem Körper ganz eng anlag, ziemlich nach der Mode des verflossenen Jahrhunderts geschnitten war. Diese Kleidung war offenbar für eine viel kleinere Gestalt als die des nunmehrigen Besitzers bestimmt gewesen. Seine Fuß-und Handknöchel ragten ein paar Zoll weit aus der Bekleidung hervor. Die glänzenden Schnallen seiner Schuhe straften jedoch den Eindruck Lügen, der durch die Armseligkeit seines übrigen Äußeren hervorgerufen wurde. Sein Kopf war unbedeckt und vollständig kahl, mit Ausnahme des hinteren Teiles, von dem ein Zopf in respektabler Länge herabhing. Eine grüne Brille mit Seitengläsern schützte seine Augen vor der Einwirkung des Lichtes und hinderte zugleich Bon-Bon daran, die Farbe oder die Form derselben festzustellen. An der Persönlichkeit war nichts die Spur von einem Hemd zu erblicken, hingegen schlang sich um seinem Hals eine mitaußerordentlicher Genauigkeit gewundene Krawatte, deren beide Enden feierlich dicht nebeneinander herabhingen und so (meiner Überzeugung nach allerdings unabsichtlich) den Eindruck erweckten, man habe einen Geistlichen vor sich. Sowohl in seinem Benehmen als auch in seiner Erscheinung zeigte sich außerdem noch manches, was diesen Eindruck bestätigen konnte. Hinter seinem linken Ohre steckte nach Art und Gewohnheit moderner Schreiber ein Ding, das dem Stylus der Alten ähnlich war. Aus einer Brusttasche seines Rockes lugte deutlich ein kleiner, schwarzer, mit stählernen Klammern zusammengehaltener Band hervor. Ob aus Absicht oder nicht, jedenfalls war dieses Buch auf eine Weise in die Tasche gesteckt, daß die in weißen Buchstaben auf den Rücken aufgedruckten Worte »Rituel Catholique« sichtbar wurden. Sein Gesicht flößte durch einen seltsam finsteren Ausdruck und eine leichenhafte Blässe Interesse ein. Die hohe Stirn war von tiefen Falten gefurcht, die auf andauerndes Nachdenken schließen ließen. Die Mundwinkel waren herabgezogen, so daß der Mund einen Ausdruck unterwürfigster Demut zur Schau trug. Als er nun mit gefalteten Händen, tiefem Seufzern und Blicken innigster Frömmigkeit auf unseren Helden zuschritt, machte er einen unzweifelhaft fesselnden Eindruck. Auch der letzte Schatten von Ärger verschwand vom Antlitz unseres Metaphysikers, als er nach einer offenbar zufriedenstellenden Inspektion seinem Besucher die Hand schüttelte und ihm einen Sitz anbot. Es würde jedoch ein schwerer Irrtum sein, wollte man den plötzlichen Wechsel der Gefühle bei unserem Philosophen einem der Gründe zuschreiben, die man logischerweise als ausschlaggebend annehmen könnte. Aus allem, was uns über die Veranlagung Pierre Bon-Bons bekanntist, geht klar hervor, daß gerade er unter allen Menschen am wenigsten dazu neigte, sich durch äußeren Schein imponieren zu lassen. Ein so scharfer Beobachter der Menschen und der Dinge mußte natürlich sofort das wahre Wesen desjenigen erkennen, der sich auf solche Weise das Gastrecht bei ihm angemaßt hatte. Noch mehr: die Fußbildung des Besuchers war auffallend genug; auf seinem Kopfe saß ein ungewöhnlich hoher Hut; an der Hinterseite seiner Kniehosen war eine bewegliche Beule bemerkbar, und die Schwingung seiner Rockschöße war eine handgreifliche Tatsache. Man beurteile also, mit welcher Befriedigung unser Held sich plötzlich in die Gesellschaft einer Persönlichkeit verseht sah, vor der er schon immer die höchste Achtung empfunden hatte. Er war jedoch zu sehr Diplomat, um sich eine Andeutung darüber entwischen zu lassen, daß er den wahren Stand der Dinge ahne. Es paßte nicht in seinen Plan, zu zeigen, daß er die hohe Ehre, deren er so unverhofft teilhaftig geworden war, empfinde; sondern er hielt es für vorteilhafter, seinen Gast in ein Gespräch zu verwickeln, um den einen oder andern Gedanken über Ethik aus ihm zu ziehen und diesen Gedanken in seiner beabsichtigten Veröffentlichung zu verwerten zur Aufklärung der Menschheit und zu Nutz und Frommen seiner eignen Unsterblichkeit. Wir müssen hinzufügen, daß das hohe Alter und die anerkannt hervorragende wissenschaftliche Stellung des Besuchers diesen wohl in den Stand setzten, moralische Gedanken von hohem Werte hervorzubringen.

      Diese glänzenden Zukunftsträume erweckten den Tätigkeitstrieb unseres Helden, er forderte den Ankömmling auf, sich niederziehen, und nahm die Gelegenheit wahr, einige Blöcke Holz auf die Flammen zu werfen, einigeFlaschen Champagner auf den jetzt freigewordenen Tisch zu stellen. Als diese Vorbereitungen flink beendigt waren, rückte er seinen Stuhl dem seines Gefährten gegenüber und wartete, bis jener die Unterhaltung beginne. Aber Pläne schlagen häufig fehl, wenn sie auch noch so reiflich überlegt sind, oft sogar beim ersten Versuch, sie zur Ausführung zu bringen, und der Wirt befand sich bereits bei den ersten Worten seines Gastes in der Klemme. »Ich sehe, du kennst mich, Bon-Bon,« sagte er, »ha! ha! ha! – he! he! he! – hi! hi! hi! – ho! ho! ho! – hu! hu! hu!« – und der Teufel ließ auf einmal die Heiligkeitsmaske fallen, riß seinen Mund von Ohr zu Ohr auf, so weit ihm dies irgend möglich war, zeigte ein zackiges Gebiß mit großen, hauerartigen Zähnen, warf den Kopf zurück und lachte ein böses, lautes, wieherndes

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