geSUCHT und NICHT GEFUNDEN. Anton Weiß

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geSUCHT und NICHT GEFUNDEN - Anton Weiß

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der Spielleidenschaft erliegen. Das Spiel sozusagen als Übungsterrain des Lebens, ein Ort, wo eingeübt werden kann, Niederlagen zu bewältigen, den Ärger, die Wut zu zügeln und mit seinen Emotionen umzugehen. Wo man erleben kann, dass es nicht immer nach seinem eigenen Willen geht und dass Erfolg nicht immer Ergebnis und zwangsläufige Folge eigener Leistung ist.

      Ziele werden hinausgeschoben

      Wenn ich Schülern dieses Streben nach sportlichem Erfolg aufgezeigt und gefragt habe, was darin der Sinn ist, kam meistens die Antwort: um viel Geld zu verdienen und gut zu leben. Das glaube ich nicht. Natürlich geht es um Geld, denn man muss ja seinen Lebensunterhalt verdienen, was bei Profisportlern durch ihren Sport erfolgt. Aber das macht nicht den ungeheueren Einsatz, den unbedingten Willen verständlich, der bei vielen dahinter steht. Der Siegeswille geht ja so weit, dass viele zu unlauteren Mitteln greifen, wie Doping oder Bestechung von Schiedsrichtern. Ich kann nicht glauben, dass der wahre und einzige Grund dieses unbedingten Verlangens und Strebens nach dem Sieg dieser Sieg als solcher oder das Geld ist. Weil in vielen Sportarten heute so viel Geld zu verdienen ist, glauben viele Menschen, dass dies der Anreiz für die Sportler ist. Aber es gibt viele andere Sportarten, wo die Sportler zum Teil sogar selbst finanzielle Beiträge leisten müssen, sei es für die Ausrüstung oder Unterkunft und Verpflegung an den jeweiligen Wettkampfstätten, zu denen sie fahren. Und dennoch liegt ihnen genau so viel daran, Erster, Sieger zu werden wie in allen anderen Sportarten. Ich möchte nur Bergsteigen als Beispiel anführen. Gerade in dieser Sportart wird deutlich, dass es um mehr gehen muss als nur ums Geld, denn der Bergsteiger riskiert wie kein anderer Sportler sein Leben. Was ist es, was ihm diesen hohen Einsatz wert macht, wofür nimmt er die ungeheuere und gefahrvolle Anstrengung auf sich? Gut, man kann dann sagen, es geht darum, berühmt zu werden, als erster Mensch alle 14 Achttaussender bestiegen zu haben. Aber auch das scheint mir nicht den tiefsten Grund zu treffen. Es muss etwas im Menschen sein, was ihn vorantreibt, was ihn ein Ziel anstreben lässt, von dessen Erreichen für ihn alles abhängt, wo er überzeugt ist, dass, wenn er das erreicht hat, sein Glück vollkommen sein wird. Und das ist das Ziel jedes Menschen, und jeder sieht einen anderen Weg zu diesem Ziel. Aber darüber, worin dieses vollkommene Glück besteht, glaube ich, dass sich die wenigsten Gedanken machen bzw. dass die meisten glauben, dass sich mit Erreichen des gesteckten Zieles dieses vollkommene Glück einstellt. Und genau hier müsste man ansetzen. Jeder erlebt zwar Glück, wenn er ein gestecktes Ziel erreicht hat, aber es ist nicht dieses vollkommene Glück. Es ist nur ein Abglanz davon und verblasst nach einiger Zeit. Der Elan, mit dem das Ziel angestrebt wird, zielt auf das absolute Glück, was aber erreicht wird, ist nur ein relatives Glück. Das absolute Glück stellt sich nicht ein.

      Deshalb werden die Ziele ständig hinausgeschoben: Zu Beginn einer Bergsteigerkarriere ist es das höchste Ziel, den ersten Achttausender zu bezwingen. Hat er das nach vielen Mühen erreicht, ist der Mensch glücklich. Aber schon greift er nach dem nächsten Ziel, den nächsten Achttausender zu besteigen. Ist das nicht ein deutlicher Hinweis darauf, dass er das vollkommene Glück nicht erreicht hat? Und was kommt, wenn er alle 14 Achttaussender bestiegen hat? Kommt dann die große Leere? Bei vielen Menschen kommt es tatsächlich zu dieser großen Leere, wenn alles, was ein durchschnittlicher Mensch so erstrebt wie Beruf, Familie, Auto, Haus erreicht ist. Da das so um die 40 herum der Fall ist, stellt sich bei vielen die große Krise in der Lebensmitte ein, die Midlife-Crisis. Zeigt das nicht, dass die Menschen sich viel zu wenig Gedanken darüber machen, was der eigentliche Grund ihres Strebens ist?

      Um beim Bergsteigen zu bleiben: Es gibt so viele Berge, dass es immer wieder neue Ziele gibt. Gerade das Stecken von immer neuen Zielen zeigt aber, dass die vollkommene Erfüllung ausgeblieben ist.

      Wenn eine Frau, die sich jahrelang damit herumgeschlagen hat, abzunehmen, nun tatsächlich es schafft, 40 kg abzunehmen, dann ist sie zwar kurz zufrieden, aber schon meldet sich der Wunsch, noch weiter abzunehmen, es wird ein neues Ziel gesteckt, und anstatt glücklich und zufrieden mit dem Erreichten zu sein, ist man erneut unzufrieden und leidet unter dem Zuviel an Gewicht, das man nun wieder durch die neu hinausgeschobene Grenze hat.

      Oder ein Mensch strebt danach, finanziell abgesichert zu sein, was sich die meisten wohl wünschen und was ja durchaus vernünftig ist. Wie viel Geld einer glaubt, dazu zu brauchen, ist aber sehr verschieden. Für alle aber gilt, dass diese Grenze immer weiter hinausgeschoben wird. Hat einer das, was er ursprünglich erstrebt hat, erreicht, so steckt er sich weitere Ziele, die Ansprüche werden immer größer. Er ist nie mit dem Erreichten zufrieden. Hat er kein Auto, so sehnt er sich danach, ein kleines Auto zu haben und ist, wenn er es sich leisten kann, glücklich. Aber nach nicht allzu langer Zeit genügt ihm das kleine Auto nicht mehr, er sieht, wie andere Leute viel größere haben und möchte auch ein so großes Auto haben. So geht es mit den meisten Dingen: Hat er ein kleines Zimmer, so strebt er nach einer größeren Wohnung; hat er eine größere Wohnung, meldet sich nach einiger Zeit der Wunsch nach einem kleinen Häuschen. Und immer verspricht er sich davon, nun glücklicher zu sein als vorher.

      Und ganz im hintersten Winkel seiner Seele nistet sich die Erkenntnis ein, dass das so sehr ersehnte Glück immer wieder zurückweicht. Er streckt sich danach aus, und glaubt er es in Händen zu halten, entwischt es ihm wieder. Irgendwo passiert es ganz heimlich und leise, dass man es aufgibt, diese ganz große Erfüllung zu erreichen, es tritt eine stille Verzweiflung ein.

      Und kaum einer hält inne und überprüft sein Verhalten, vergleicht seine ursprüngliche Absicht mit dem neuen Streben, kaum einer fragt sich, worin der Sinn dieses Strebens liegt, sei es im Sport oder im Erwerb von Besitz.

      Die ersehnte Erfüllung bleibt aus

      Mir drängt sich die Erkenntnis auf, dass alles, was Menschen unternehmen, die absolute Erfüllung zu finden, nicht zum Ziel führt.

      Der Mensch scheint ein unstillbares, ein unendliches Verlangen zu haben, was sich bei vielen Gelegenheiten zeigt. An so kleinen Dingen wie dem Auspacken von Geschenken kann man das wunderbar sehen. Kürzlich hatte meine Enkelin ihren vierten Geburtstag, zu dem sie viele Geschenke bekam. Und nun war folgendes zu beobachten: Es lagen viele verpackte Geschenke – große und kleine – auf dem Geburtstagstisch. Sie wählte als erstes das größte Paket. Das zeigt schon die Erwartung, dass das Größte auch die größte Erfüllung bringen wird. Es geht uns allen so, dass wir glauben, dass die Erfüllung umso größer ist, je größer, teurer, kostbarer das Geschenk ist. Deshalb sind Frauen so überwältigt, wenn sie einen Diamantring geschenkt bekommen.

      Als nun dieses große Geschenk ausgepackt war, zeigte sich etwas Erstaunliches: Anstatt große Freude darüber zu zeigen, wurde es rasch beiseite gestellt, um sich dem nächsten Geschenk zuzuwenden. Und der Ablauf war der gleiche wie eben zuvor: Das nächste Geschenk wurde rasch ausgepackt, kurz angeschaut und schnell beiseite gelegt, um sich sofort auf das Öffnen des nächsten Geschenkes zu stürzen, bis alle geöffnet waren.

      Für mich war das eine großartige Bestätigung meiner Sichtweise: Der Mensch erhofft sich die Erfüllung immer vom nächsten. Er verweilt gar nicht bei einer Sache, sondern richtet seinen Blick und seine Erwartung sofort auf das nächste.

      Wenn fünf verpackte Geschenke vor einem liegen, dann packt man nicht das erste aus, freut sich darüber und betrachtet es genau, spielt damit oder wenn es ein Buch ist, liest die ersten Seiten. Nein, es wird kaum beachtet; man macht sich sofort an das Auspacken des nächsten Geschenkes. Auch das wird nur flüchtig gewürdigt und sofort das nächste in Angriff genommen. Was ist der Grund? Ich sehe keinen anderen als in der Erklärung, dass man auf das ganz Große wartet und im nächsten Geschenk zu finden hofft. Das nächste Geschenk ist ja noch verhüllt, enthält also ein Geheimnis, nämlich das Geheimnis der großen Beglückung. Und dann kommt die große, uneingestandene Enttäuschung und man gibt sich mit dem zufrieden, was möglich ist und wendet sich wieder den ersten Geschenken zu. In der Tiefe des Herzens ist man aber verzweifelt. Es

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