Götzen-Dämmerung. Friedrich Wilhelm Nietzsche

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Götzen-Dämmerung - Friedrich Wilhelm Nietzsche

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      15

      Posthume Menschen – ich zum Beispiel – werden schlechter verstanden als zeitgemäße, aber besser gehört. Strenger: wir werden nie verstanden – und daher unsre Autorität...

      16

      Unter Frauen. – »Die Wahrheit? O Sie kennen die Wahrheit nicht! Ist sie nicht ein Attentat auf alle unsre pudeurs?« –

      17

      Das ist ein Künstler, wie ich Künstlerliebe, bescheiden in seinen Bedürfnissen: er will eigentlich nur zweierlei, sein Brot und seine Kunst – panem et Circen...

      18

      Wer seinen Willen nicht in die Dinge zu legen weiß, der legt wenigstens einen Sinn noch hinein: das heißt, er glaubt, daß ein Wille bereits darin sei (Prinzip des »Glaubens«).

      19

      Wie? ihr wähltet die Tugend und den gehobenen Busen und seht zugleich scheel nach den Vorteilen der Unbedenklichen? – Aber mit der Tugend verzichtet man auf »Vorteile«... (einem Antisemiten an die Haustür).

      20

      Das vollkommene Weib begeht Literatur, wie es eine kleine Sünde begeht: zum Versuch, im Vorübergehn, sich umblickend, ob es jemand bemerkt und daß es jemand bemerkt...

      21

      Sich in lauter Lagen begeben, wo man keine Scheintugenden haben darf, wo man vielmehr, wie der Seiltänzer auf seinem Seile, entweder stürzt oder steht – oder davon kommt...

      22

      »Böse Menschen haben keine Lieder.« – Wie kommt es, daß die Russen Lieder haben?

      23

      »Deutscher Geist«: seit achtzehn Jahren eine contradictio in adjecto.

      24

      Damit, daß man nach den Anfängen sucht, wird man Krebs. Der Historiker sieht rückwärts; endlich glaubt er auch rückwärts.

      25

      Zufriedenheit schützt selbst vor Erkältung. Hat je sich ein Weib, das sich gut bekleidet wußte, erkältet? – Ich setze den Fall, daß es kaum bekleidet war.

      26

      Ich mißtraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit.

      27

      Man hält das Weib für tief – warum? weil man nie bei ihm auf den Grund kommt. Das Weib ist noch nicht einmal flach.

      28

      Wenn das Weib männliche Tugenden hat, so ist es zum Davonlaufen; und wenn es keine männlichen Tugenden hat, so läuft es selbst davon.

      29

      »Wie viel hatte ehemals das Gewissen zu beißen! welche guten Zähne hatte es! – Und heute? woran fehlt es?« – Frage eines Zahnarztes.

      30

      Man begeht selten eine Übereilung allein. In der ersten Übereilung tut man immer zu viel. Eben darum begeht man gewöhnlich noch eine zweite – und nunmehr tut man zu wenig...

      31

      Der getretene Wurm krümmt sich. So ist es klug. Er verringert damit die Wahrscheinlichkeit, von neuem getreten zu werden. In der Sprache der Moral: Demut.

      32

      Es gibt einen Haß auf Lüge und Verstellung aus einem reizbaren Ehrbegriff; es gibt einen ebensolchen Haß aus Feigheit, insofern die Lüge, durch ein göttliches Gebot, verboten ist. Zu feige, um zu lügen...

      33

      Wie wenig gehört zum Glücke! Der Ton eines Dudelsacks. – Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. Der Deutsche denkt sich selbst Gott liedersingend.

      34

      On ne peut penser et écrire qu'assis (G. Flaubert). – Damit habe ich dich, Nihilist! Das Sitzfleisch ist gerade die Sünde wider den heiligen Geist. Nur die ergangenen Gedanken haben Wert.

      35

      Es gibt Fälle, wo wir wie Pferde sind, wir Psychologen, und in Unruhe geraten: wir sehen unsern eignen Schatten vor uns auf- und niederschwanken. Der Psychologe muß von sich absehn, um überhaupt zu sehn.

      36

      Ob wir Immoralisten der Tugend Schaden tun? – Ebensowenig, als die Anarchisten den Fürsten. Erst seitdem diese angeschossen werden, sitzen sie wieder fest auf ihrem Throne.

      Moral: man muß die Moral anschießen.

      37

      Du läufst voran? – Tust du das als Hirt? oder als Ausnahme? Ein dritter Fall wäre der Entlaufene...

      Erste Gewissensfrage.

      38

      Bist du echt? oder nur ein Schauspieler? Ein Vertreter? oder das Vertretene selbst? – Zuletzt bist du gar bloß ein nachgemachter Schauspieler... Zweite Gewissensfrage.

      39

      Der Enttäuschte spricht. – Ich suchte nach großen Menschen, ich fand immer nur die Affen ihres Ideals.

      40

      Bist du einer, der zusieht? oder der Hand anlegt? – oder der wegsieht, beiseite geht... Dritte Gewissensfrage.

      41

      Willst du mitgehn? oder vorangehn? oder für dich gehn?.. Man muß wissen, was man will und daß man will. – Vierte Gewissensfrage.

      42

      Das waren Stufen für mich, ich bin über sie hinaufgestiegen – dazu mußte ich über sie hinweg. Aber sie meinten, ich wollte mich auf ihnen zur Ruhe setzen...

      43

      Was liegt daran, daß ich recht behalte! Ich habe zu viel recht. – Und wer heute am besten lacht, lacht auch zuletzt.

      44

      Formel meines Glücks: ein Ja, ein Nein, eine gerade Linie, ein Ziel...

      Das Problem des Sokrates

       1

      Über das Leben haben zu allen Zeiten die Weisesten gleich geurteilt: es taugt nichts... Immer und überall hat man aus

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