Die Hohlgesinnten. Thomas Häring
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Thomas Häring
Die Hohlgesinnten
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Inhaltsverzeichnis
Der Beginn einer wunderbaren Feindschaft
Vorwarnung
Wenn ich Ihnen an dieser Stelle den Hinweis gebe, daß alles, was auf den nächsten was weiß ich wie vielen Seiten folgt, Ihr Denken ein für allemal einschneidend verändern wird, dann sollten Sie sich vielleicht jetzt noch einmal ganz genau überlegen, ob Sie das auch wirklich wollen. Es handelt sich wahrlich um keine leichte Kost, die ich Ihnen anzubieten habe, aber es geht darum, die Wahrheit aufzuschreiben für diejenigen, die sich wirklich dafür interessieren und keine Lust darauf haben, sich ihr ganzes Leben lang belügen zu lassen. Man hat uns sehr Vieles vorgeworfen in den letzten Jahrzehnten, es hieß, wir hätten Millionen von Menschenleben auf dem Gewissen, doch niemand hat nachgefragt, wie es eigentlich dazu gekommen war und was die, welche man gemeinhin zu Tätern abgestempelt hat, eigentlich im Sinn hatten. Wir waren keine bösen Menschen, wir haben nur unsere Pflicht erfüllt und wenn es dann heutzutage heißt, wir hätten die Arbeitslosen systematisch, nämlich erst psychisch und später physisch, vernichtet, dann handelt es sich dabei um billige Propaganda, die verkennt, daß sich hinter der ganzen Sache eine unvorstellbare Komplexität befindet. Wir haben auch Fehler gemacht, das steht außer Frage, doch wenn man uns in diesen Tagen zu Monstern hochstilisiert, die kalt, gnadenlos und brutal vorgegangen sind, dann kann ich darüber nur den Kopf schütteln und frage mich einmal mehr, woher sich die, die damals überhaupt nicht dabei waren, das Recht nehmen, darüber zu urteilen, was seinerzeit geschehen ist. Damit Ihr Euch selbst ein Bild machen könnt, werde ich Euch nun über die Zeit berichten, in der alles anfing und dabei natürlich meine ganz persönliche, höchst subjektive Sichtweise und Wahrnehmung einbringen. Darum, Ihr Menschenschwestern, laßt Euch erzählen, was damals passierte, in einer Zeit, als Arbeit noch das absolute Nonplusultra darstellte. Der Mensch als solcher wurde ausgebeutet und hatte damit nicht wirklich ein Problem, da er es nicht anders gewohnt war. Allerdings sorgten der technische Fortschritt und die hohen Personalkosten dafür, daß immer mehr Leute entlassen wurden und die schlugen sich dann halt als Leistungsempfänger durch. Das sah im Endeffekt so aus, daß die, die arbeiteten, das Leben derer finanzierten, die nicht arbeiteten und das war schon von Anfang an eine ziemlich unglückliche Konstellation. Natürlich bekamen die Arbeitslosen nicht viel Geld, aber es reichte, um über die Runden zu kommen und so war es auch gedacht. Doch mit der Zeit kamen immer mehr, welche die Hand aufhielten und irgendwann hatte man das komische Gefühl, unter jenen gäbe es Etliche, die überhaupt kein Interesse daran hatten, jemals wieder zu arbeiten und so spitzte sich die ganze Situation immer mehr zu. Dazu kam, daß viele Schmarotzer vom Staat Kohle kassierten, obwohl sie selbst noch Geld hatten oder daß sie schwarzarbeiteten, um sich nebenher was dazuzuverdienen und lauter solche Sachen. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wuchs, denn man hatte das Gefühl, daß die Leistungsempfänger alles bezahlt bekamen und diejenigen, welche 40 Stunden in der Woche für einen Hungerlohn arbeiteten, wie zum Beispiel die Friseusen, die Angearschten waren. Und so wurde es immer ungemütlicher im Land, denn viele Arbeitslose ruhten sich in der sozialen Hängematte aus, während die Anderen schwer schufteten, um jenen das süße, faule Leben zu ermöglichen. Außerdem gab es da ja dann auch noch solche Leute, welche sich zum Beispiel als „zwangsrekrutierte Bedarfsgemeinschaft“ bezeichneten und die ganze Zeit in die Hand bissen, welche sie fütterte. Diese Leute taten so, als hätten sie ein Recht darauf, auf Staatskosten zu leben und als müßte Vater Staat ihnen ihre Selbständigkeit rundumfinanzieren. Doch woher kam jenes Anspruchsdenken und wer hatte in Wirklichkeit ein Interesse daran, daß die, welche nichts für die Gemeinschaft leisteten, ebenfalls durchgefüttert wurden? War das Christentum an allem schuld?
Eine schwer zu beantwortende Frage, fest stand jedenfalls, daß es so nicht mehr weitergehen konnte, denn der Staat hatte weitaus Besseres und Wichtigeres zu tun, als seine Parasiten zu ernähren und da kamen schließlich wir ins Spiel. Wenn ich über uns schreibe, dann bedeutet das, daß ich mich mit meiner Gruppe identifiziere, auch wenn ich nicht wirklich dazugehörte. Ich war mittendrin und doch nicht dabei, ein Teil des Teams, aber wir alle wußten, daß ich eigentlich nicht dazugehörte. Wie auch immer, meine Karriere begann auf der anderen Seite des Bürotisches, ich hatte mein Studium nach vielen langen Jahren endlich beendet und mich danach erst einmal arbeitslos gemeldet. So erlebte ich, wie es war, als Leistungsempfängerin zu existieren und ich muß gestehen, daß man es dabei nicht immer leicht hatte. Doch bei meiner Arbeitslosigkeit handelte es sich zu meinem großen Glück nur um eine vorübergehende Erscheinung und so dauerte es nicht lange, bis ich in den Staatsdienst berufen wurde, um mich als Integrationsfachkraft um die Leistungsempfänger zu kümmern, welche sich selbständig machen wollten. Ich habe mir im Nachhinein nichts vorzuwerfen, denn ich habe den Arbeitslosen fast alles durchgehen lassen und waren ihre Konzepte und Ideen oft auch noch so hirnrissig. Lieber ließ ich sie sehenden Auges in ihr Verderben rennen, als daß ich sie blockiert oder gebremst hätte. Auch sanktioniert habe ich keinen Einzigen von ihnen und darauf bin ich sogar heute noch unheimlich stolz. Sie waren oft sehr unterhaltsam und irgendwie auch nett, aber man vergaß dabei natürlich nie, daß es sich um Leistungsempfänger handelte, welche das Geld ausgaben, das Andere für sie erwirtschaftet hatten. Und wie sie es manchmal zum Fenster hinauswarfen, diese Verschwender! Teilweise waren sie kaufsüchtig oder konnten aus anderen Gründen nicht mit Geld umgehen, am liebsten wäre es ihnen gewesen, wenn alle Darlehen nicht rückzahlbar gewesen wären und wenn die Finanzspritzen nicht für bestimmte Zwecke gedacht gewesen wären. Aber wir waren schließlich auch nicht vollkommen blöd und hatten aus der Vergangenheit und unseren Fehlern gelernt gehabt. Da gab es einfach viel zu viele Fässer ohne Boden, in die man hineinschütten konnte, was man wollte, es kam einfach nichts dabei heraus. Wißt Ihr, im Grunde konnten alle machen was sie wollten, aber wenn sie sich einbildeten, Geld vom Staat erhalten zu müssen, dann war klar, daß sie dafür auch etwas zu leisten hatten. Viel zu Viele von ihnen waren uns allzu lange auf der Nase herumgetanzt und darauf hatten wir einfach keinen Bock mehr. Ja, so fing das alles damals an, irgendwann verschärften wir die Gangart und sanktionierten immer mehr, denn diese Arbeitslosen glaubten nach wie vor, sie könnten uns irgendwelche Märchen erzählen und so tun, als wären sie auf Arbeitssuche, obwohl sie nicht im Traum daran dachten, jemals einen Job anzunehmen. Zugegeben, auch wir wurden immer verhärteter und hätten diese Taugenichtse am liebsten dazu gezwungen, irgendeinen Job anzunehmen, nur, damit sie überhaupt etwas taten, aber das kam ja auch nur daher, weil Viele von denen quasi jedes Jobangebot ausschlugen und immer irgendeine dumme Ausrede fanden, warum sie jetzt dafür leider auch wieder nicht geeignet wären. Irgendwann platzt selbst dem geduldigsten Staat die Hutschnur und so war es halt auch in unserem Fall. Wir konnten uns das alles nicht länger ansehen, schließlich ging es um Steuergelder, die es zu verteilen galt und es gab genug Stimmen im Land, die so etwas wie eine Arbeitspflicht für Langzeitarbeitslose forderten, weil sie es nicht einsahen, daß die überhaupt nichts zum Bruttosozialprodukt beitrugen, aber trotzdem neben den Politikern am meisten davon profitierten. So ging es einfach nicht mehr weiter und oft wurden sie dann auch noch frech, diese Leistungsempfänger und behaupteten dreist, sie hätten ein Recht darauf, vom Staat finanziell versorgt zu werden. Na ja, das war die Vorgeschichte, damit Ihr versteht, wie es zu