Der blaurote Methusalem. Karl May
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Читать онлайн книгу Der blaurote Methusalem - Karl May страница 8
»Ein Glück für uns!« antwortete Degenfeld. »Wir hätten es wohl nicht fertig gebracht, dabei ernst zu bleiben, und dann wäre es um unsern Kredit bei ihm geschehen gewesen.«
»Was er nur mit seinen Endungen wollte!«
»Es dämmert eine leise Ahnung in mir auf; aber die Sache ist so ungeheuerlich, daß ich sie gar nicht für möglich halten kann. Er wird doch nicht etwa ein mit seinen berühmten Endungen versehenes Deutsch sprechen wollen! Das wäre allerdings im höchsten Grade drollig. Und dennoch ist's ihm zuzutrauen. Ich sehe lustige Scenen kommen. Gottfried – – ho su!«
Diese beiden chinesischen Worte bedeuten »gib Feuer!« Seit sich die drei unterwegs befanden, hatte der Student die beiden anderen in die Lehre genommen. Besonders der Wichsier erhielt seine Befehle und Anweisungen alle in chinesischer Sprache, was manches spaßhafte Mißverständnis hervorgerufen hatte.
»Ki eulh – ich höre!« antwortete er sehr ernsthaft, indem er einen Fidibus aus der Tasche zog, ihn in Brand steckte und sodann seinem Herrn half, die ausgegangene Pfeife wieder anzuzünden. Dann setzte er sich wieder hinter demselben nieder.
Nach kurzer Zeit kehrte der Pilot mit dem Kapitän aus der Kajüte zurück. Er übernahm das Kommando des Schiffes, und Turnerstick hatte also Zeit, sich mit seinen Passagieren zu beschäftigen.
Die Segel, welche rings zu sehen waren, wurden zahlreicher. Weißblaue Rauchstreifen zeigten Dampfer an, welche nach Kanton wollten oder von dort kamen. Die See belebte sich mehr und mehr mit Fahrzeugen, und dann tauchten die Felsenmassen Hongkongs und der anderen vor dem Perlenflusse liegenden Inseln langsam auf.
»Höchst ärgerlich, daß der Lotse kein Chinese ist,« meinte der Kapitän. »Aber wir haben nur noch kurze Zeit zu warten, dann werden wir von Booten förmlich umringt sein und ich kann Ihnen zeigen, wie ich die Sprache der Himmelssöhne beherrsche. Es wird übrigens Zeit, daß Sie Ihre Koffer öffnen.«
»Warum?« fragte Degenfeld.
»Um Ihre chinesischen Anzüge hervorzuholen.«
»Wir haben keine.«
»Was? Sie wollen an das Land gehen und sich mitten in das Treiben der Chinesenstadt begeben, ohne sich nach der Sitte dieses Landes zu kleiden? Sie wollen gerade so gehen, wie Sie hier sitzen, mit der bunten Studentenkappe auf dem Kopfe?«
»Warum nicht?«
»Weil dies grundfalsch ist. Man wird Sie anstaunen und auslachen. Man wird Sie belästigen und einen fremden Barbaren schimpfen. Sie werden allerhand Aergerlichkeiten erleben und vielleicht sogar in wirkliche Gefahr geraten.«
»Pah! Wer will es mir verbieten, mich so zu kleiden, wie es mir beliebt?«
»Der gesunde Menschenverstand. Wenn Sie China und die Chinesen richtig kennen lernen wollen, so dürfen Sie möglichst wenig verraten, daß Sie kein Chinese sind. Sie kennen dieses Volk noch nicht. Man hat sie gezwungen, uns ihre Häfen zu öffnen, aber sie hassen uns als Fremdlinge, welche mit Gewalt bei ihnen eingedrungen sind. Sie werden als Ausländer nicht einmal im Bereiche der Konsulargewalt vollständig sicher sein. Begeben Sie sich aber gar darüber hinaus, wie es doch Ihre Absicht ist, so werden Sie nur auf Feinde stoßen.«
»Wollen sehen. Ich habe wenig Lust, aus reiner Angst meine deutsche Abstammung zu verleugnen.«
»Das ist sehr ehrenwert und sehr national gedacht, aber – – hm, streng genommen haben Sie freilich nicht unrecht. Denn selbst wenn Sie sich genau wie ein echter Chinese kleiden, wird man an Ihrer Unkenntnis der Sprache sofort den Ausländer erkennen, während ich für einen Eingeborenen gelten werde. Aber es ist trotzdem besser, wenn Sie sich den hiesigen Gebräuchen fügen.«
»Nun, was das betrifft, so ist es gar nicht ausgeschlossen, daß wir drei uns auch nach Landessitte kleiden. Zunächst jedoch mag es so bleiben, wie es ist. Wie lange werden Sie von Ihren Pflichten in Hongkong zurückgehalten?«
»Gar nicht. Ich werde dem Steuermann Vollmacht geben. Nur einige kleine Formalitäten sind zu erfüllen, die mich aber kaum eine Stunde lang beschäftigen werden. Den amerikanischen Konsul, welchen ich aufsuchen muß, treffe ich in Kanton.«
»Das ist mir lieb, weil wir uns sonach nicht erst zu trennen brauchen. Ich werde mich nämlich gar nicht in Hongkong verweilen, welches mir gar nichts bietet. Es ist eine auf chinesischen Boden gesetzte europäische Stadt, an welche ich keine Stunde meiner Zeit verschwenden möchte.«
»Mir auch ganz recht. Wir können uns eines Dampfers der China Navigation Compagnie bedienen, aber auch, um uns sofort ins hiesige Leben zu stürzen, auf einer chinesischen Dschunke nach Kanton fahren.«
»Ich ziehe das erstere vor, da ich möglichst schnell dort ankommen möchte. Dann ist es ja noch vollauf Zeit, mit dem chinesischen Drachen anzubinden. Unsre Koffer lassen wir an Bord zurück, da wir uns nicht allzulange in Kanton aufhalten werden.«
Inzwischen hatte sich der Klipper schnell der Mündung des Tschu-kiang (Perlenfluß) genähert. Alle Mannen standen an ihren Plätzen, um die Befehle des Lotsen augenblicklich auszuführen. Das Schiff lenkte in die westliche Lamma-Straße ein, bog um die grüne Insel und steuerte dann dem Hongkong-Kai zu, in das dichte Gewühl der Dampfer, Segelschiffe, Ruderboote und Dschunken hinein. Dort ließ es die Segel fallen, und der Anker ging auf Grund.
»Tsching tsching!« rief Turnerstick, indem er begeistert die Arme ausbreitete, als ob er ganz Hongkong umarmen wolle. »Jetzt sind wir da und werden zeigen, was für Kerls wir sind.«
Der Hafen bot trotz des europäischen Charakters der Stadt immerhin ein genügendes Bild ostasiatischen Verkehrslebens. Von dem wohl 1200 Fuß hohen Viktoriaberge blickte das neben der Flaggenstange stehende Wachthäuschen herab. An seinem Abhange zog sich die Promenade der Kennedyroad hin. Darunter die belebte Stadt mit der von Schiffen bedeckten Bai. Jenseits das chinesische Bergland, ziemlich gut angebaut, und links davon die vielen, sich bis nach Macao hinziehenden, leider kahlen Felseninseln.
Am Landeplatze wimmelte es von Europäern aller Nationen, von Chinesen, Japanesen, Malayen, Hindus, Parsen, Singhalesen, portugiesischen Mestizen und tiefdunkel gefärbten Afrikanern.
Und in der Nähe des Schiffes schossen eine ganze Menge von Kähnen, und Flößen durcheinander, beladen mit frischen Erzeugnissen des Landes und allerhand chinesischen Krimskrams. Jeder der Bootsführer wollte der erste sein, der den Neuangekommenen seine Ware anbot, um den mit den hiesigen Preisen noch Unbekannten die gewöhnliche mehrfache Bezahlung abzunehmen.
Das war ein Schreien, Rufen, Brüllen, Zanken, Fluchen, Loben und Anpreisen, daß einem die Ohren gellten.
»Nur nichts kaufen!« warnte der Kapitän. »Hier wird man riesig übers Ohr gehauen. Am besten ist's, man läßt die Kerls gar nicht heran, sonst wimmeln sie förmlich an Bord, und man ist sein eigener Herr nicht mehr. Ich verstehe, mit diesem Volke zu sprechen. Das sollen Sie gleich sehen.«
Er ließ schnell einige Wassereimer füllen und hart an die Schanzkleidung stellen. Dann bog er sich über die letztere hinaus und brüllte mit laut schallender Stimme in das Bootsgewühl hinein: »Zurück hier! Wir werdeng nichts kaufang! Fort mit euch, Ihr Hallunking! Augangblickling fort mit euch, forteng, forting, fortung! Travaillez, travaillong, travaillang!«
Nicht diese Worte waren es, welche wirkten, sondern seine gewaltige Stimme und seine wilden,