Hörig. Alina Schumann

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Hörig - Alina Schumann

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      Über die Autorin

      Die Journalistin und Autorin Alina Schumann zeigt in diesem Buch anhand zahlreicher Fallbeispiele und erschütternder Berichte von Betroffenen, wie eng Faszination und Selbstzerstörung beieinander liegen. Schumann hat über ein halbes Jahr in ganz Deutschland recherchiert. Für ‚Hörig’ hat sie ebenfalls mit Psychologen und Ärzten über die Probleme dieser Sucht gesprochen.

      Alina Schumann lebt in München.

      Imprint

      Hörig. Die Lust an der Unterwerfung . Geständnisse einer Sucht

      Alina Schumann

      Published by: epubli GmbH Berlin, www.epubli.de

      Copyright: © Alina Schumann

      Cover Design: Dominic Vierneisel

      ISBN: 978-3-8442-1443-7

      Prolog

      Er suchte ein neues Abenteuer. Sie wollte die große Liebe.

      Für ihn gab es nur zwei Arten von Frauen: Göttinnen und Fußabstreifer. Die schöne Fotografin Dora Maar glaubte sich in der Rolle der Göttin. Doch Pablo Picasso trieb mit ihr das grausame Spiel

      Von Herr und Hund, von Katz und Maus. Aus einer ehemals selbstbewussten Frau machte er eine winselnde Kreatur.

      Am Ende dieser Affäre landete Dora Maar in der Psychiatrie : verzweifelt , gedemütigt, zerstört. An Picassos Seite was längst eine andere.

      ‚Tomorrow I’m lost’ schrieb Edward V. am Tag vor seinem Thronverzicht an Wallis Simpson, seine Geliebte. Für die zweimal geschiedene Amerikanerin, die in Hongkong in einem Bordell gearbeitet haben soll, gab der junge König alles auf: sein Vaterland, seine Freunde und schließlich auch noch seinen Stolz.

      Wie ein dressierter Pudel lief er hinter ihr her. Statt sein Land zu regieren, stand er einem Hundezüchter Verband vor. Fürwahr das Abbild eines lächerlichen Mannes.

      ‚I belong forever – you’, kritzelte der Herzog auf einen Zettel, den er Wallis zusteckte. Ich gehöre Dir für immer, ich unterwerfe mich dir , bin dir leibeigen – nichts anderes bedeutet dieser Satz, den der Duke of Windsor so entlarvend formulierte.

      Es war auch keine Liebe, die die 20jährige Anna Snitkina dem 45jährigen Fjodor Dostojewski schwören ließ, dass ‚ich ein Leben lang vor dir knien werde’.

      Die Leidenschaft der jungen Sekretärin für den alternden Schriftsteller war so grenzenlos, ihre Sehnsucht sich ihm zu unterwerfen, so stark, dass sie selbst seine Gewalttätigkeiten, seine obszönen Briefe, seine Perversionen ertrug.

      Was machte aus dem ehemaligen König einen Popanz? Aus der stolzen Intellektuellen einen Fall für die Zwangsjacke? Aus dem fröhlichen Mädchen eine traurige Scheuerfrau?

      Was lässt ganz normale Männer ihre Familien und ihre Freunde, ihr Vermögen und ihre Vernunft aufs Spiel setzen? Weshalb ruinieren sie sich – wie Professor Unrat aus Heinrich Manns gleichnamigem Roman – für eine Tingeltangel-Schlampe?

      Warum wehren sich Frauen nicht

      wenn einer kommt und ihren Stolz und ihre Selbstachtung bricht? Weshalb verschleudern sie ihr Leben, ihre Sexualität und ihr Herz? An Männer, die oft nicht mehr geben als ein vages Versprechen? Ist es Hörigkeit? Diese Abart der Liebe, diese Mischung aus Unterwerfung und Leidenschaft? Diese dunkle Sucht, von der der Münchner Psychoanalytiker Dr. Wilhelm Schmid-Bode sagt:

      „Einseitige Hörigkeit hat Eigenschaften eines süchtigen Verhaltens. Befriedigung ist letztendlich nicht erreichbar. Im Gegenteil, der Wunsch den Partner ganz zu gewinnen, bleibt immer unerfüllt . Er führt lediglich zur Wiederholung und zu Dosissteigerung.“

      Wo ist die Grenze zwischen einer leidenschaftlichen Hingabe und einem krankhaften Abhängigkeitsverhältnis? Steckt diese Bereitschaft zur Unterwerfung und zur Selbstaufgabe in jedem von uns? Ist sie etwa vererbbar wie depressive Anlagen?

      „Entscheidend“, so Schmid-Bode, „ist – neben einer ungeklärten vererbten Veranlagung- von welchen Erfahrungen die Entwicklung ab

      der frühesten Kindheit bestimmt wird. Die ersten Beziehungen im Leben schaffen die Grundlagen für die spätere Charakterstruktur die diese Menschen für eine spätere Abhängigkeit anfällig macht .“

      So können zum Beispiel frühe Ängste, Gefühle der Vereinsamung oder des Versagens den Duke of Windsor an Wallis Simpson gebunden haben. Und Dora Maars Wunsch nach einem starken Vater mag ein Grund für ihr abhängiges Verhältnis zu Picasso gewesen sein.

      Wie aber geraten Menschen in den Strudel der Selbstquälerei und der Erniedrigung? Bedarf es vielleicht nur eines ganz bestimmten Gegenpols, um unsere verborgenen Obsessionen wie ein Geschwür aufbrechen zu lassen?

      Rauscherlebnis oder emotionale Sicherheit?

      „Wenn ein ‚passender’ Partner auftaucht, einer der aufgrund seiner eigenen Beziehungs- und Bindungsängste zu einer partnerschaftlichen Liebe nicht fähig ist, kann sich Hörigkeit entwickeln“, so Schmid-Bode.

      Hörigkeit hat viele Spielarten, viele Gesichter. Für den einen ist es ein bestimmtes Rauscherlebnis, das er stetig zu wiederholen, zu steigern versucht. Für den anderen der Wunsch nach emotionaler Sicherheit, die ihn sich erniedrigen lässt. Immer aber treten Ängste auf und das Gefühl entwurzelt zu sein.

      „Ich gebe mich auf, weil ich nicht anders kann. Weil ich nur durch dich existiere. Weil du etwas berührt hast, was besser unberührt geblieben wäre. Weil du mich aus der Bahn gestoßen hast“, schreibt die 51jährige Gisela M. an ihren Geliebten. Sie hat mir, als ich in Tageszeitungen und im Netz nach Gesprächspartnern zu diesem Thema suchte, einfach den letzten nicht ab gesandten Brief an ihren Geliebten zugeschickt.

      Eine Stimme unter dreihundertsechzig anderen. Erstaunlicherweise mehr Männer als Frauen. Männer, die weinend, aber auch zynisch über ihre Sucht und das damit verbundene Doppelleben sprachen. Die sich aus Scham über die eigene Geschichte bisher niemanden zu öffnen gewagt haben. Frauen, längst jenseits aller bürgerlicher Bedenken, die sich auf Perversionen eingelassen hatten, nur um den geliebten Mann nicht zu verlieren. Die erst nach stunden des Gesprächs wagten, mir ihre unerfüllte Sehnsucht nach einem kleinen Glück zu gestehen.

      „Ich habe alles für ihn getan“, schreibt die 39jährige Kosmetikerin Anne S..“ Jede Schweinerei mitgemacht. Mir immer nur gedacht. Er will mich auf die Probe stellen. Er will Beweise, dass ich ihn auch wirklich liebe. Aber dann, als ich sagte: Mein größter Wunsch ist es mit dir alt zu werden – hat er mich verlassen!“

       Aber ist das schon Hörigkeit?

      Die Antworten auf diese Frage sind sehr unterschiedlich. Nicht alle Psychologen oder Sexualwissenschaftler sind mit Dr. Schmid-Bodes Erklärungen einverstanden.

      Die einen verbinden Hörigkeit mit Perversion. Andere machen überhöhtes oder extrem unterentwickeltes Selbstwertgefühl für diese Form der Abhängigkeit verantwortlich. Wieder andere behaupten, Hörigkeit gebe es überhaupt nicht . Aber fast jeder von uns hat in seinem Bekanntenkreis einen Menschen, dessen Beziehung zum Partner er für Hörigkeit hält.

      Eine Hörigkeit, wie die der Christiane R. (26), ein Mädchen aus bürgerlichem Hause, das heute nicht mehr begreifen kann, dass sie sich von einem Mann auf den Strich

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