Servus in Bhutan. Roland Reitmair

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Servus in Bhutan - Roland Reitmair

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      Erste Eindrücke

      Wie gerädert wachte ich am nächsten Tag auf. Zuerst suchte ich mir das Badezimmer und schlüpfte unter die Dusche.

      Sonam hatte meine Tasche noch zur Tür herein geschoben, bevor ich ihn freundlich, aber vehement hinauskomplimentierte. Dort stand sie noch immer.

      Ich sah mir das Guesthouse genauer an. Momentan war ich der einzige Projektmitarbeiter in der Hauptstadt und somit im Haus allein.

      In der Küche fand ich Tee und gesalzene Kekse. Nach Dusche und Frühstück fühlte ich mich schon viel besser.

      Dann machte ich mich auf den Weg diese Stadt, dieses Land und die Leute zu erkunden…

      Thimphu ist die Hauptstadt des Königreiches, mit rund vierzigtausend Einwohnern nach unseren Maßstäben aber höchstens eine Kleinstadt.

      In Bhutan wird sich aufgrund der geographischen Gegebenheiten kaum eine viel größere Stadt entwickeln können. Ich bin kein Experte, aber mehr als zwei- oder dreimal so viele Menschen werden hier einfach nirgends Platz finden.

      Die Stadt erstreckt sich (wie auch anders) in einer ziemlichen Hanglage, die Häuser im höchstgelegenen Bezirk Motithang liegen sicher gute zweihundert Höhenmeter oberhalb vom Markt, dem tiefsten Punkt drunten am Fluss. Verkehrsadern dazwischen verlaufen entlang der Höhenlinien, Verbindungen hinauf und hinunter gibt es eindeutig zu wenige, abgesehen von Wegen für Fußgänger.

      Die Stadt ist also am besten per pedes zu durchqueren, auch wenn einen stinkend qualmende Lastwagen den Atem rauben.

      Manchmal fühlte ich mich an eine schmutzige, spanische Hafenstadt erinnert, vom Bewuchs der umliegenden Hügel und Berge her wiederum an Südtirol (auch wenn es andere Pflanzen waren), oder (wegen dem herb-würzigen Geruch) an Korsika. Dann wieder sah ich mich am Fuße der karnischen Alpen, nur eben auf 2.300 m.

      Die Bergrücken rund um Thimphu erreichen eine Höhe von ungefähr viertausend Meter und sind bis oben hin mit Nadelhölzern und riesigem „Almrausch“ (verschiedenen Rhododendron-Arten) bewachsen.

      Das Guesthouse thronte wie eine toskanische Villa am Ende einer Sackgasse inmitten der Stadthanglage. Nur die bunt verzierten, handgeschnitzten Balken wirkten fremd.

      Kaum ein Gebäude hatte mehr als vier Stöcke, und der Baustil war vorwiegend traditionell und einheitlich, so wie das Guesthouse.

      Allerdings fielen mir zwischen den wunderschönen alten und genau so schönen neuen Häusern auch einige betonierte Klötze auf – Bausünden, wie sie überall in der ganzen Welt zu finden sind.

      Neben den schmalen Verbindungswegen wucherte büschelweise eine Pflanze, wie bei uns an manchen Stellen die Brennnesseln: Marihuana.

      Am Hauptplatz steht (unweit von Gunthers Geschäft) der swiss clocktower, ein von Schweizern gestifteter Uhrturm. Trotz der vielen Spelunken, die sich Geschäfte schimpfen, aber doch schon den ganzen Plunder von Pepsi bis Walt Disney verkaufen, ist nur mehr der Markt so „richtig idyllisch“. Da gibt’s neben frischem Gemüse auch noch jene Sachen, die einem Europäer den Magen umdrehen: getrocknetes Fleisch, das erst unter Trauben von Fliegen zum Vorschein kommt, extrem fette Würste und Schwarten.

      Nach meiner kurzen Erkundung besuchte ich Gunther in seinem „Druk opticle shop“ und wollte auf sein Angebot, mir alles Nötige zu sagen und zeigen, zurückkommen.

      Ich erzählte ihm von meinen ersten Eindrücken und er meinte nur: „Na wenn du das schon alles gesehen hast, sparen wir uns eine Erkundungstour und gehen gleich ins Benez!“.

      In Gunthers Anfangszeiten war das Benez das Lokal für Seinesgleichen, regelmäßig trafen sich „ausländische“ Projektmitarbeiter dort, um den Kontakt aufrechtzuerhalten.

      Bei meinem ersten indischen Bier brachte der Herr Optiker dann ein bisschen:

      Licht ins Dunkel.

      Erst 1616, als Shabdrung Namgey Nawang auf eine politische Einigung drängte und in einigen Kriegen „die südlichen Täler“ befriedete – wie das dann immer so schön heißt, wurde Bhutan geboren.

      Shabdrung festigte seine Herrschaft durch die Errichtung von Klosterburgen, den Dzongs, je eine für jede Provinz.

      Diese Dzongs sind selbst heute noch politische Verwaltungseinheit, als auch Klosterschulen, und vereinen weltliche und geistige Macht.

Bild 36

      Der Name Bhutan kommt vom indischen Wort Bhotanta – „Ende Tibets“ – das heißt „Grenzgebiet zu Tibet“.

      Die Bewohner Bhutans nennen ihr Land Drukyel, das Land des Drachen.

      Die Herrschaft gemäß Shabdrungs System war eine Theokratie.

      Im 19. Jahrhundert konnten sich die Bhutanesen auch erfolgreich gegen die Hegemoniebestrebungen Großbritanniens im Himalaya-Gebiet wehren. Sie behaupteten ihre Stellung, indem sie die politischen Verhältnisse nützten und als Vermittler zwischen Tibet und der englischen Krone auftraten. Bhutan ist somit das letzte und einzige der 7 Himalaya-Königreiche, das der aggressiven Expansionspolitik diverser Nachbarn standhalten konnte, beziehungsweise durch seine Abgeschiedenheit auch gar nicht interessant war.

      Seit 1907 ist Bhutan eine Monarchie. Trotzdem gilt das Shabdrung-System immer noch als Vorbild in Verwaltung und Rechtssprechung.

      Der Großvater des jetzigen Herrschers versuchte zu Beginn der 60er das Land aus dem Mittelalter in die Neuzeit zu führen.

      Er gilt als Gründer des modernen Bhutans.

      Erst 1962 begann Planung und Bau einer Verkehrsverbindung zwischen der Hauptstadt Thimphu und Phuentsholing, einer Grenzstadt zu Indien. Es folgten weitere Straßenbauprojekte, durch die das Land systematisch aufgeschlossen werden sollte.

      Bhutan ist seit 1971 Mitglied der Vereinten Nationen und seit 1973 bei der Gemeinschaft Blockfreier Staaten.

      Mit Indien stellten sich, aufgrund des diplomatischen Geschicks des Königs, auch westliche Industrieländer an, um Entwicklungshilfe zu leisten.

      So bauten Dänen die Kanalisation für die Hauptstadt, Japaner installierten ein Telefonnetz, Schweizer beschäftigen sich mit moderner Land- und Forstwirtschaft und vieles mehr.

      Das Land des Drachen machte seither einige radikale Veränderungen durch, und es schien nicht immer klar, ob der ab 1972 regierende König Jigme Singey Wangchuk, Erbmonarch und Vater des momentanen Königs Jigme Khesar Namgyel Wangchuk, die Gratwanderung zwischen Kulturerhaltung und Öffnung zur Moderne schaffen würde.

      Österreich beteiligte sich anfangs mit Kraftwerksprojekten und einem Tourismusprojekt, die Außenhandelsbilanz Bhutans aufzubessern und unterstützte damit die Unabhängigkeit des Landes (von Indien). Angesichts der Holzreserven des Landes (vom König gehütet, wie sein eigener Augapfel) wurde später die Idee zu einem Forstprojekt

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