Herbstfeuer. Robert Ullmann

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Herbstfeuer - Robert Ullmann

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Augenwinkel sah er Skhat geschickt mit Messer und Gabel Teile vom Pökelfleisch abtrennen und auf seinen Teller manövrieren. Der alte Meister aß wie ein Mann von Stand, doch er kämpfte wie ein Schlechter. Wieder einmal sann Timmrin insgeheim über die Vergangenheit des Alten nach.

      Was ihn allerdings noch mehr beschäftigte, war die Tatsache, dass sie hier saßen und aßen. Jeden Augenblick konnte die Garde das Haus durchsuchen. Jeder Augenblick, den sie verstreichen ließen, bedeutete ein hohes Risiko. Timmrin entschied sich, nicht nachzufragen, zu groß war der Hunger. Außerdem riet ihm seine innere Stimme, dass es das Beste wäre, auf Skhat und die anderen zu vertrauen.

      „Mein Bruder Skholopan riskiert sehr viel!“, ergriff Skhat das Wort. „Wenn sie ihn erwischen, oder ihm nachweisen können, dass er uns Unterschlupft gewährt hat, verliert er an deiner Stelle seinen Kopf!“, Skhat sah scharf zu Timm hinüber.

      Als Timmrin etwas sagen wollte, antwortet Skholopan an seiner statt: „Hör nicht auf meinen starrköpfigen großen Bruder! Er hat zu lange gekämpft für Könige, die ihr Volk zur Schlachtbank führen. Mich wird man nicht an einer solchen finden, denn ich habe immer meinen Weg gefunden – und überlebt.“

      Timmrin war verwirrt. Weniger von dem Sinngehalt der Worte Skholopans, als viel mehr von den Altersangaben. Er hatte Skhat auf etwa fünfzig geschätzt, Skholopan auf Mitte sechzig.

      „Ihr seid jünger als Skhat“, fragte Timmrin gerade heraus.

      Skhat lachte leise, während sein jüngerer Bruder beherzt schmunzelte.

      „Ja, das ist schwer zu glauben. Ich bin 55. Skhat aber wird bald 58 Jahre alt.“

      Timmrin blickte ungläubig in die Runde. Drahsek kaute langsam, bedächtig und ungestört auf einem Stück Schinken.

      „Verzeiht, Herr, ich wollte Euch nicht beleidigen mit meiner Frage“, entschuldigte sich Timmrin.

      Skohlopan erwiderte: „Wer könnte dir das verdenken? Iss, Bursche! Und mach dir nicht so viele Gedanken. Morgen wirst du weg sein von hier. Und ich wünsche dir von Herzen, dass dich ein besseres Leben erwartet.“

      Skholopans Stimme klang beruhigend. Er wirkte ausgeglichener als Skhat, obgleich auch er um sein Leben zu fürchten hatte. Skholopan schien voller Güte, die Timmrin in diesem Moment beinahe wie väterliche Zuwendung empfand.

      Wenn er väterliche Strenge brauchte, so hatte er sie von Skhat zu erwarten und seid dieser ihn vor dem sicheren Tod gerettet hatte, versuchte er sie als solche anzunehmen.

      Der alte Meister war widerspenstig und hart, er war erbarmungslos, aber machte ihn das zu einem bösen Menschen?

      Timmrin aß langsam, weil er sich solche Fragen während der Mahlzeit immer wieder stellte.

      Skhat schien selbst sein Alter bekämpft zu haben. Wieso konnte sich ein Mann in seinen Jahren derart schnell bewegen, mit einer solchen Kraft kämpfen. Etwas trieb ihn an, verlieh ihm Stärke. Doch was es war, galt es für Timmrin noch herauszufinden.

      Die Stimme des Meisters riss ihn aus seinen Gedanken:

      „Ich danke dir, Bruder. Den restlichen Schinken werden wir mitnehmen. Weißt du, wie du uns hier heraus bringen kannst?“

      „Darüber reden wir nach dem Essen!“, entgegnete Skholopan.

      „Ich fürchte nicht den Tod“, meinte Skhat zu seinem Bruder, „aber es wäre nicht recht, wenn du meinetwegen---“, er wurde von seinem Bruder unterbrochen: „Ich fürchte den Tod nicht mehr als du, auch wenn du es denkst, auch wenn ich kein Soldat bin. Ich bin, wie du, der Sohn eines Händlers – und kein erfolgloser. Schwinge ich auch nicht das Schwert, so ist die Klinge meiner Möglichkeiten vielleicht genauso scharf wie die deinige. Und glaube mir, ich habe deine Kinder öfter gesehen als du! Ich betrauere den Verlust meiner Neffen nicht weniger. Und ich werde dir helfen, koste es, was es wolle!“

      Skholopan hatte diese Sätze sehr direkt an seinen Bruder gerichtet, der ihm fest in die Augen sah, aber nicht antwortete, nur langsam weiter aß.

      Dann schwiegen sie und verzehrten fast alles, was Skholopan aufgetischt hatte. Schließlich fiel Timmrins Blick auf das außergewöhnliche Gewehr von Drahesk, das er neben sich an seinen Stuhl gelehnt hatte.

      „Was ist das für eine Waffe?“, unterbrach er die gezwungene Stille.“

      Drahesk antwortete ihm, nachdem er hinuntergeschluckt hatte:

      „Es ist ein Repetiergewehr. Es kann mehrere Patronen schnell hintereinander abfeuern.“

      Timm starrte ihm ungläubig in die Augen, richtete seinen Blick dann wieder auf die Waffe.

      „Wie ist das möglich?“

      „Siehst du den Kasten über dem Schloss?“, gab ihm Drahesk zur Gegenfrage.

      „Ja.“

      „Das ist ein Kastenmagazin.“

      „Befinden sich darin Patronen?“

      „So ist es. Immer wenn ich den Repetierbügel nach unten drücke, wird der Verschluss geöffnet. Dann fällt eine Patrone aus dem Magazin ins Schloss. Wenn ich den Hebel nach oben drücke, wird das Schloss wieder verriegelt. Dann spanne ich die Zündnadel mit dem kleinen Hebel an der Seite und die Waffe ist wieder feuerbereit. Sechsmal hintereinander kann ich damit einen Schuss abgeben.“

      Timmrin musterte noch immer die Waffe. Mit dem langen Hebel über dem Abzug statt einem Abzugsbügel wirkte sie wie eine neuartige Form einer Armbrust. Auch war sie kurz gehalten und der Kolben, aus rötlichem Wurzelholz gefertigt, war merkwürdig verkrümmt, sowohl nach unten als auch leicht zur Seite.

      Timmrin kannte sich nicht wirklich aus mit Waffen. Immerhin aber hatte er in einer Munitionsfabrik gearbeitet und die Materie war ihm nicht fremd.

      Der Magazinkasten befand sich dort, wo eigentlich das Kimme oder Visier sitzen musste, was Timmrin unweigerlich zu einer Frage veranlasste: „Wie kann man mit dieser Waffe zielen, mit dem Kasten auf dem Schloss?“

      „Ganz einfach“, antwortete Drahesk. „Siehst du hier: An der Seite des Schlosses sitzt ein aufklappbares Visier. Man muss nur wissen, wo man hin zielen muss, um zu treffen. Der Kolben ist leicht gekrümmt, damit man beim Anlegen besser durch das Visier blicken kann.“

      „Wie kannst du damit treffen? Und wie kommen die Patronen in den Lauf?“, erkundigte sich Timmrin interessiert.

      „Beide Fragen habe ich dir schon beantwortet. Im Magazin sind fünf Papierpatronen, eine Erfindung aus eurem Heimatland. Eine ist im Lauf. Bei jedem Repetieren fällt eine nach unten ins Schloss, das ich dann wieder schließe und die Nadel spanne. Auch dieser Zündnadelmechanismus stammt von euch. Der Erfindergeist meines Volkes hat diese Waffe weiterentwickelt. Hier, nimm es ruhig einmal in die Hand und sehe durch das Visier. Du wirst erkennen, dass es eine ausgezeichnete Waffe ist!“, mit diesen Worten übergab Drahesk langsam und behutsam Timmrin seine wertvolle Büchse, als Skhat dazwischen griff und die Waffe festhielt:

      „Jetzt aber Schluss mit dem Unfug. Für so etwas fehlt uns wahrlich die Zeit! Skhat nahm seine Hand wieder vom Gewehr, das Drahesk zurück zog und wieder an den Stuhl lehnte.

      „Und was dich betrifft, Timm“, fuhr der Meister fort: „Falls du deine Chance darauf nicht verbauen willst, dass ich dich nicht wegschickte, wenn wir hier heraus sind, dann tust du genau das, was ich dir sage: Vor allem aber fasst du keine Feuerwaffen

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