Herbstfeuer. Robert Ullmann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Herbstfeuer - Robert Ullmann страница 9
Von dem Geld im Beutel waren ihm gerademal 40 Thamen übriggeblieben. Er musste sparsam sein, bei den Preisen, die ihn in der Gastronomie des Reichenviertels erwarteten.
Timmrin war zufrieden mit seinem Äußeren. Es verlieh ihm ein geradezu beflügelndes Gefühl. Sein Gang und seine Haltung hatten sich geändert. Der Schnitt seiner neuen Kleidung, die leicht gepolsterten Schultern des Gehrocks, all dies begünstigte ein verändertes Erscheinungsbild.
Gut, dass Timmrin so gut wie keinen Bartwuchs hatte. Der Barbier hätte ihm die letzten Thamen aus der Tasche gezogen.
Als er die Brücke erreichte, blickte er in die scharf spähenden Augen des vordersten Wachpostens, der links am Weg stand und jeden begutachtete, der über die Brücke ging. Die anderen beiden Wächter standen mit geschulterten Gewehren am Tor.
Timmrin blieb neben dem Vorderen stehen und deutete kurz auf seinen Orden, den er sich unterhalb der rechten Schulter angesteckt hatte. Der Soldat nickte leicht. Timmrin ging weiter. Er musterte im Vorbeigehen einen der beiden anderen Wächter, der ihn mit großen Augen anstarrte.
Timmrin trat auf den mächtigen Rundbogenbau. Auf der Mitte der Brücke, dem höchsten Punkt angekommen, blieb er stehen und blickte nach Süden. In einiger Entfernung konnte er die Dukorbrücke sehen, die beide Ufer der Stadt mit der Kasernenanlage verband. Wieder regte sich die Erinnerung, die er erneut verdrängt hatte. Panischer innerer Schmerz überkam ihn. Er begann schneller und hastig zu atmen.
Sofort suchte Timmrin diese Gedanken zu vertreiben. Er konzentrierte sich darauf, langsam und gleichmäßig Luft zu holen, dachte wieder an seine Aufgabe.
Er musste herausfinden, wo Argahl lebte, oder vielmehr, wo er nächtigte.
Warum war der Alte nicht selber nach drüben gegangen, um sich umzuhören? Dafür musste es Gründe geben. Sicher wurde er wegen irgendetwas gesucht. Kein Wunder, falls sich Ereignisse, wie jenes in der Taverne „Aller Herren“, schon öfter in Zusammenhang mit seiner Person zugetragen hatten.
Warum konnte er überhaupt derartig kämpfen und das in diesem Alter? Sicher war er ein Veteran. Wo sonst sollte dieses Schwert herkommen, wenn Skhat nicht jemanden dafür…Timmrin blockierte den Gedanken.
Auf was hatte er sich da eingelassen?
Nun, was immer Timm tat, es konnte kaum wagemutiger sein, als mit einer Horde Alter und Krüppel, mit Stöcken und Fackeln bewaffnet, zu versuchen, die Dukorkaserne niederzubrennen.
Timmrins Gedanken führten ihn abermals zurück in die Nacht des Überfalls.
Um die eigentlichen Mauern der Kaserne zog sich ein weiterer Wehrring, der von beiden Seiten des Flusses über die zwei Brückenteile frei betretbar war. Eine kleine Mauer umsäumte die Ränder der riesigen künstlichen Plattform, die von unzähligen Pfählen in einer Untiefe im Fluss getragen wurde. In ihrer Mitte war die Kaserne gebaut.
Das eigentliche Gebäude hatte innerhalb seiner Mauern einen großen Innenhof, der zu Ausbildungszwecken genutzt wurde. An jeder Ecke des Gebäudes befand sich ein kleiner Rundturm mit Aussichtsplattform, darüber Spitzdächer, an deren Enden die Fahnen Thamhalls im Herbstwind flatterten.
Timmrin konnte erkennen, dass auf jedem dieser Türme ein Wachposten stand. Menschen gingen von beiden Seiten her auf die Plattform, an den Mauern der Kaserne vorbei, hinüber auf den andere Teil der Brücke und aufs andere Ufer des Ghor, sofern die Wachen dies zuließen.
Zu beiden Ufern schienen auch dort mindestens drei Soldaten den Durchgang zu überwachen.
Die Dukorbrücke war die einzige, die nachts passierbar war. Tore, die abends geschlossen wurden, so, wie an den anderen Brücken, gab es an der Dukorbrücke keine. Nur die Kaserne hatte zwei Tore, die jedoch nur bei Bedarf geöffnet wurden.
Warum waren keine Wachen da gewesen in jener Nacht? Das hätte ihn und die anderen misstrauisch machen müssen.
Timmrin rief sich das Gefecht, oder vielmehr die Hinrichtung, wieder genau ins Gedächtnis, versuchte aber seine Gefühle dabei zu unterdrücken.
Die unterste Fensterreihe der Kaserne war niedrig genug, aber verglast und vergittert. Sie hätten die Fenster zunächst einschlagen müssen, danach die Fackeln hindurchschieben.
Hineinschleudern hätte man sie nicht können, wegen der Gatter.
Vermutlich wären die Fackeln auf dem Boden gelandet, die Soldaten hätten bestenfalls einen Schreck bekommen, wären aus ihren Betten aufgesprungen und hätten sie dann ausgetreten…
Aber wie es auch ausgegangen wäre, unmöglich hätten die Mannschaften schnell genug reagieren können, um einen Gegenschlag zu organisieren. Wie Gespenster wären Timmrin und seine Freunde gekommen und wieder verschwunden.
Doch nun waren sie alle tot. Und das konnte nur das Werk des Verrates sein.
Timmrin wandte sich wieder dem Ufer zu und ging durch das zweite Tor hinein in den Bezirk.
Auch dieses wurde von drei Soldaten bewacht, die allerdings weitaus nachlässiger wirkten.
Als Timmrin das Viertel betrat, viel ihm zuerst eine außergewöhnliche Sauberkeit auf, wie er sie nicht gewohnt war.
Auf den Straßen herrschte reges Treiben. Die Leute waren in elegante Kleider gehüllt. Beinahe jeder hier trug einen Hut, oft einen Zylinder, hier und da tauchte ein Zweispitz auf.
Was Timmrin aber an den Leuten auf seinem Weg durch die Hauptstraße am meisten verwunderte, war, in welcher Geschwindigkeit sie alles taten.
Sie gingen langsamer, hielten langen, ausgiebigen Plausch inmitten der Straße. Timmrin kannte so etwas nicht.
Schließlich blieb er stehen, atmete tief durch. Wieder sah er an sich herunter. Er versuchte sich vorzustellen, einer von ihnen zu sein, ein Adliger, Ein Fabrikant, ein Erfinder, eben ein edler Herr. Was musste das für ein Leben sein, ohne all die Arbeit. Wie musste es sich anfühlen, jederzeit stehen bleiben zu können, jeder Zeit nachdenken zu können.
Freilich, es war Sonntag – auch die Arbeiter hatten heute frei. Aber sie mussten die Zeit meist damit zubringen, ihre Kleider zu waschen oder sich auszuruhen für eine neue, harte Arbeitswoche. Sie hatten ihre Unterkünfte zu säubern, nach Möglichkeit ein Bad zu nehmen und wenn etwas Zeit übriglieb, wurde sie meist in einer der Trinkhallen zugebracht.
Es war alles so…ungleich! Eines Tages würden die Zeiten sich ändern, sie mussten sich ändern!
Timmrins Gedanken wurden gebremst durch die visuellen Eindrücke, die sich ihm aufdrängten: Die Häuser waren viel höher hier, nicht so eng aneinander gebaut. Es gab zahlreiche Fachwerkhäuser, aber auch andersartige, weitaus größere Gebäude, wie man sie auf der anderen Seite nur sehr selten sah. Es waren hohe Häuser mit stumpfwinkligen Dächern und zahllosen Fenstern in Rundbogenform, von kunstvollen Rähmen umspielt. Überhaupt wurde Glas hier sehr viel weniger sparsam eingesetzt. Auch farbiges sah man hier und dort.
Je tiefer er in den Bezirk kam, desto höher schienen die Gebäude in den Himmel zu wachsen, die oft von kleinen Türmen und gewaltigen Balkonen erweitert wurden.
Anders als in den Arbeitervierteln gab es hier zahlreiche kunstvoll gearbeitete Straßenlaternen.
Die Straßen waren breit. Eine edel anmutende blaue Kutsche kreuzte Timmrins Weg, die von zwei Grauschimmeln gezogen wurde.
Timmrins