Hotel Savoy. Йозеф Рот

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Hotel Savoy - Йозеф Рот

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Tür des Fahrstuhls war offen, Stasia saß da. Ich verbarg meine Freude nicht, wir wünschten einander guten Abend wie alte Bekannte. Ich empfand den unvermeidlichen Liftboy bitter, er tat, als wüßte er nicht, daß ich im sechsten Stock aussteigen mußte, fuhr uns beide in den siebenten; hier stieg Stasia aus, verschwand in ihrem Zimmer, während der Liftmann noch wartete, als müßte er hier Passagiere mitnehmen: Wozu wartet er mit gelben Hohnaugen?

      Ich gehe also langsam die Treppe hinab, lausche, ob der Fahrstuhl sich in Bewegung setzt; endlich, ich bin in der Mitte, höre ich des Fahrstuhls glucksendes Geräusch und kehre um. Auf der obersten Stiege schickt sich der Liftmensch gerade an hinunterzusteigen. Er hat den Fahrstuhl leer laufen lassen und geht mit langsamer Bosheit zu Fuß.

      Stasia hat wahrscheinlich mein Klopfen erwartet.

      Ich will mich entschuldigen.

      »Nein, nein«, sagt Stasia. »Ich hätte Sie schon früher eingeladen, aber ich hatte Angst vor Ignatz. Er ist der Gefährlichste im Hotel Savoy. Ich weiß auch, wie Sie heißen, Gabriel Dan, und kommen aus der Gefangenschaft – ich hielt Sie gestern für einen – Kollegen – Artisten –« sie zögert – vielleicht fürchtet sie, mich zu beleidigen? Ich war nicht beleidigt. »Nein«, sagte ich, »ich weiß nicht, was ich bin. Früher wollte ich Schriftsteller werden, aber ich ging in den Krieg, und ich glaube, daß es keinen Zweck hat zu schreiben. – Ich bin ein einsamer Mensch, und ich kann nicht für alle schreiben.«

      »Sie wohnen gerade über meinem Zimmer«, sagte ich, weil ich doch nichts Schöneres sagen kann.

      »Weshalb wandern Sie die ganze Nacht herum?«

      »Ich lerne Französisch, ich möchte nach Paris gehn, etwas tun, nicht tanzen. Ein Dummkopf hat mich nach Paris mitnehmen wollen – seither denke ich daran hinzufahren.«

      »Alexander Böhlaug?«

      »Sie kennen ihn? Seit gestern sind Sie hier?«

      »Sie kennen ja auch mich.«

      »Haben Sie auch schon mit Ignatz gesprochen?«

      »Nein, aber Böhlaug ist mein Vetter.«

      »Oh! Entschuldigen Sie!«

      »Nein, bitte, bitte, er ist ein Dummkopf!«

      Stasia hat ein paar Schokoladerippen, und einen Spirituskocher holt sie aus dem Grunde einer Hutschachtel.

      »Das darf niemand wissen. Selbst Ignatz weiß es nicht. Den Spirituskocher verstecke ich jeden Tag woanders. In der Hutschachtel heute, gestern lag er in meinem Muff, einmal zwischen Schrank und Wand. Die Polizei verbietet Spirituskocher im Hotel. Man kann aber doch nur – ich meine unsereins – im Hotel wohnen, und das Hotel Savoy ist das beste, das ich kenne. Sie wollen lange hierbleiben?«

      »Nein, ein paar Tage.«

      »Oh, dann werden Sie Hotel Savoy nicht kennenlernen, hier nebenan wohnt Santschin mit Familie. Santschin ist unser Clown – wollen Sie ihn kennenlernen?«

      Ich will nicht gerne. Aber Stasia braucht Tee.

      Die Santschins wohnen gar nicht »nebenan«, sondern am andern Ende des Korridors, in der Nähe der Waschküche. Hier ist der Plafond abschüssig und hängt so tief, daß man fürchtet, gegen ihn zu stoßen. In Wirklichkeit aber erreicht man ihn noch lange nicht – er scheint nur so bedrohlich. Überhaupt verringern sich in dieser Ecke alle Dimensionen, das kommt von dem grauen Dunst der Waschküche, der die Augen betäubt, Distanzen verkleinert, die Mauer anschwellen läßt. Es ist schwer, sich an diese Luft zu gewöhnen, die in ständiger Wallung bleibt, Konturen verwischt, feucht und warm riecht, die Menschen in unwirkliche Knäuel verwandelt.

      Auch in Santschins Zimmer ist Dunst, seine Frau schließt eilig die Tür, als wir eintreten, als lauerte draußen ein wildes Tier. Die Santschins, die ein halbes Jahr in diesem Zimmer wohnen, haben schon Übung im raschen Türschließen. – Ihre Lampe brennt mitten in einem grauen Kreis, weckt Erinnerungen an Photographien von Sternbildern, die von Nebeln umgeben sind. Santschin steht auf, schlüpft mit einem Arm in einen dunklen Rock und neigt den Kopf vor, um die Gäste zu erkennen. Sein Kopf scheint aus Wolken herauszuwachsen wie das Haupt einer überirdischen Erscheinung auf frommen Bildern. Er raucht eine lange Pfeife und spricht wenig. Die Pfeife behindert ihn an der Unterhaltung. Sooft er einen halben Satz zusammengebracht hat, muß er innehalten, nach der Stricknadel seiner Frau greifen und im Pfeifenkopf herumstochern. Oder es muß ein neues Streichholz angezündet werden, und es gilt, die Zündholzschachtel zu suchen. Frau Santschin kocht Milch fürs Kind, sie braucht die Streichhölzer ebensohäufig wie ihr Mann. Die Schachtel wandert unaufhörlich von Santschins Seite auf den Waschtisch, wo der Spirituskocher steht, manchmal bleibt sie unterwegs liegen und verschwindet im Nebel spurlos. Santschin bückt sich, wirft einen Sessel um, die Milch kocht, man nimmt sie fort und läßt die Spiritusflamme flackern, bis man etwas anderes zu wärmen »aufgestellt« hat, weil die Gefahr besteht, daß die Streichhölzer überhaupt nicht mehr gefunden werden. Ich empfahl meine eigene Streichholzschachtel abwechselnd dem Herrn und der Frau Santschin – aber niemand wollte sie nehmen, beide suchten eifrig und ließen den Spiritus vergeblich brennen. Endlich erblickte Stasia die Schachtel in einer Falte der Bettdecke.

      Eine Sekunde später sucht Frau Santschin nach den Schlüsseln, um den Tee aus dem Koffer zu holen – aus dem Kasten konnte er »immerhin« gestohlen werden. »Ich höre irgendwo Klirren«, sagt Santschin auf russisch, und wir halten still, um ein Klirren der Schlüssel zu erhaschen. Aber nichts regt sich. »Sie können ja auch nicht von selbst klirren«, schreit Santschin. »Ihr müßt euch alle bewegen, dann melden sie sich schon!« Aber sie meldeten sich erst, als Frau Santschin einen Milchfleck auf ihrer Bluse entdeckte und rasch nach der Schürze griff, um eine Wiederholung zu vermeiden. Es stellt sich heraus, daß die Schlüssel in der Schürzentasche lagen. Und im Koffer ist kein Stäubchen Tee mehr. »Ihr sucht den Tee?«, fragt Santschin plötzlich, »den hab' ich heute früh verbraucht!«

      »Warum sitzt du da wie ein Klotz und sagst kein Wort?«, schreit seine Frau.

      »Erstens habe ich nicht geschwiegen«, sagt Santschin, der ein Logiker ist, »und zweitens fragt mich ja auch niemand. Ich bin nämlich, müssen Sie wissen, Herr Dan, der Letzte hier im Hause.«

      Frau Santschin hatte eine Idee: Man könnte Tee kaufen bei Herrn Fisch, wenn er nicht grade schlief. Daß er etwas Tee herleihen würde, bestand keine Aussicht. »Mit Nutzen« würde er gern verkaufen. »Gehn wir zu Fisch«, sagt Stasia.

      Fisch muß man erst wecken. Er wohnt im letzten Zimmer des Hotels, Nummer 864, umsonst, weil die Kaufleute und Industriellen des Ortes und die vornehmen Parterregäste des Hotels Savoy für ihn zahlen. Es geht die Sage, daß er einmal verheiratet, angesehen, Fabrikant und reich gewesen war. Nun hat er alles unterwegs verloren, aus Nachlässigkeit – wer kann's wissen. Er lebt von geheimer Wohltätigkeit, aber er gibt es nicht zu, sondern nennt sich »Lotterieträumer«. Er besitzt die Fähigkeit, Lotterienummern zu träumen, die unbedingt eintreffen müssen. Er schläft den ganzen Tag, läßt sich Nummern träumen und setzt. Aber noch ehe sie gezogen sind, hat er wieder geträumt. Er verkauft sein Los, ersteht für den Erlös ein neues, das alte gewann, das neue nicht. Viele Menschen sind durch Fischs Träume reich geworden und wohnen im ersten Stock des Hotel Savoy. Aus Dankbarkeit bezahlen sie für Fisch das Zimmer.

      Fisch – sein Vorname ist Hirsch – lebt in steter Angst, weil er einmal irgendwo gelesen hat, daß die Regierung das Lotteriespiel aufheben und »Klassenlose« einführen will.

      Hirsch Fisch muß »schöne Nummern« geträumt haben, es dauert lange, ehe er aufsteht.

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