Das Wunder Mozart. Harke de Roos

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Das Wunder Mozart - Harke de Roos

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Kronprinz bereits die auf dem Papier zweitmächtigste Person des Reiches, Staatskanzler Fürst Kaunitz-Rietberg, auf den dritten Platz verwiesen. Aber obwohl Franz viel Einfluss hatte, erscheint es doch nicht plausibel, dass er mächtig genug war, dem langjährigen Arzt des durch Gottes Gnaden regierenden Kaisers den Befehl zu erteilen, den eigenen Chef umzubringen. Niemals hätte der junge Mann sich mit einer solchen Initiative hervorwagen können, dafür war seine Position einerseits zu erhaben, andererseits zu abhängig von der älteren Generation.

      Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass der Kronprinz von den Absichten des Arztes gar nichts gewusst hat. Der tatsächliche Anstifter des Kaisermordes muss zumindest gewusst haben, dass der Thronfolger nach dem gelungenen Attentat nichts unternehmen würde, die Drahtzieher gerichtlich zu verfolgen und für die Tat zu bestrafen. Auch muss er gewusst haben, dass der neue Kaiser nicht die Politik seines Vaters fortsetzen würde, sonst hätte das Attentat keinen Sinn gehabt.

      Es ist auffällig, dass unmittelbar nach der Tat der Krieg mit dem revolutionären Frankreich, dem Leopold sich mit Zähigkeit widersetzt hatte, mit voller Wucht ausbrach. Zufall? Wie auch immer, für den Augenblick wollen wir lediglich festhalten, dass Franz nicht der Urheber eines Mordbefehls gegen den eigenen Vater gewesen sein kann. Im Gegenteil: wenn es, wie wir glauben, tatsächlich ein Attentat auf den Kaiser gegeben hat, werden unsere mutmaßlichen Mörder alles versucht haben, den Kronprinzen zwar für ihre Ziele zu gewinnen, ihn jedoch zugleich von aller direkten Verantwortung freizuhalten. Auf keinen Fall durfte das Gewissen des neuen Kaisers durch ein Verbrechen belastet werden. Für die Planung und Durchführung schmutziger Geschäfte standen andere Leute bereit. Der Thronfolger sollte lediglich im kritischen Augenblick wegschauen, mehr konnte man von ihm nicht verlangen.

      Aber bevor die Suche nach eben diesen Tätern losgeht, sollten wir zuerst das Opfer besser kennen lernen. Wer war Leopold und warum musste er sterben?

      Kapitel 4 • Pietro Leopoldo

      Als Leopold am 5. Mai 1747 geboren wurde, war die alteuropäische Feudalgesellschaft noch völlig intakt. Wie überall in Europa lagen auch in Österreich politische Macht und nahezu aller Besitz in Händen der erblichen Aristokratie, an derer Spitze seine Eltern, die habsburgische Monarchin Maria Theresia und ihr Mann, Franz Stephan, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, standen. Die Vormachtstellung des Adels war ungebrochen und keine Gewalt war in Sicht, die den Feudalherren auch nur eines ihrer zahlreichen Privilegien streitig machen wollte. Die damaligen Kriege, wie der gerade laufende Schlesische mit Preußen, waren ja im Grunde nichts anderes als Familienfehden innerhalb des europäischen Hochadels.

      Es gab jedoch eine unsichtbare Macht, die für die herrschende Klasse zu einer ebenso konkreten Gefahr zu werden drohte wie die greifbare Waffengewalt. Zu Zeiten der Geburt Leopolds begann die Aufklärung zu wirken, die in den nächsten Jahrzehnten zu einer bedeutenden Geistesströmung anwuchs. Der Philosoph Immanuel Kant nannte dieses unsichtbare Phänomen in einem im Dezember 1783 erschienenen Aufsatz den Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, aber mit dieser Umschreibung wird nur ein Teil der Strömung definiert. Die Aufklärung war weit mehr als eine Emanzipation der Vernunftbegabten; sie führte zu Veränderungen von Gefühlen, Stimmungen und Mentalitäten, die bis heute Spuren hinterlassen haben. Eine ständige Begleiterscheinung der Aufklärung war der idealistische Geist der Epoche, der vom beispiellosen Höhenflug der abendländischen Kultur profitierte und in den Jahrtausendmaximen der nordamerikanischen Verfassung und der Französischen Revolution ihre politischen Höhepunkte erreichen sollte. Aber auch der unglaubliche musikalische Reichtum wäre ohne diese Idealität niemals zustande gekommen. Im Grunde sind die großen Werke der Wiener Klassik nichts anderes als der Entwurf einer besseren Welt außerhalb und innerhalb der sichtbaren Welt und somit das Konzept eines Ideals. Diese musikalische Idealwelt war im Gegensatz zu dem, was sie heute geworden ist, keineswegs unpolitisch. Die gesellschaftliche Wirkung der Musik auf die damaligen Geister kann kaum überschätzt werden, zumal ihre Funken mühelos alle zwischenmenschlichen Barrieren übersprangen. Harte Feudalherren konnten ebenso in den Bann der Musik geraten wie ihre geringsten Untertanen. Der um sich greifende Enthusiasmus für die Musik entwickelte sich im Goldenen Jahrzehnt der Wiener Klassik zu einem ernstzunehmenden politischen Faktor.

      Leopold, siebentes Kind und dritter Sohn Maria Theresias, gehörte allerdings nicht zu denjenigen, die der Musik restlos verfallen waren. Obwohl er gründlich im Cembalospiel und in der Harmonielehre unterrichtet wurde, gibt es in seiner Biographie nirgendwo Anzeichen von auffallender musikalischer Begabung. Das soll nicht heißen, dass er der Musik ablehnend gegenüber stand oder seinem Schicksalsgenossen Mozart feindlich gesonnen war. Anlässlich der letzten großen Zeremonie seines Lebens, seiner Krönung zum böhmischen König im September 1791, war Mozarts Musik Hauptbestandteil der Festivitäten, sowohl in der Kirche als auch auf der Theaterbühne.

      Trotz dieser unleugbaren Wertschätzung für die Person Mozarts war es gewiss nicht nur die Musik, die Leopold mit seinem großen Zeitgenossen verband. Was Kaiser und Komponist vor allem mit einander teilten, war ihre Fähigkeit, Ideale in die Praxis umzusetzen. Denn auch Leopold war ein Idealist. Unermüdlich und mit größter Effektivität arbeitete er an der Verwirklichung gesellschaftlicher Ideale, die eine Ergänzung der Klangideale des Salzburger Meisters bildeten. Wären die beiden Männer nur zwei Jahre später gestorben, unsere Welt wäre bei weitem nicht so, wie sie heute ist.

      Leopolds Idealismus ist von der Nachwelt kaum gewürdigt worden. Das liegt nicht daran, dass er nicht erkannt worden wäre. Leopolds Lebenswerk, vor allem sein Wirkungskreis in der Toskana, ist den Historikern hinreichend bekannt. Bis zum Erscheinen von Wandruskas Leopoldbiographie 1963-65 hielt die Geschichtsschreibung sich bezüglich dieses Themas jedoch auffallend zurück. Fast könnte man denken, Idealismus sei in ihren Augen entweder etwas verächtliches oder die normalste Sache der Welt, insbesondere an den Fürstenhöfen des achtzehnten Jahrhunderts. Ein Blick in die Geschichte lehrt uns aber das Gegenteil. Über die Monarchen der Vergangenheit lässt sich vieles behaupten, nur nicht dass sie von übermäßigem Eifer für Ideale befallen gewesen wären.

      Auch Maria Theresia und ihr Mann Franz Stephan waren Pragmatiker und keine Idealisten. Die permanent schwangere Kaiserin war mit den Regierungsgeschäften, insbesondere mit der Kriegführung gegen Preußen, vollauf beschäftigt. Franz Stephan war ein Finanzgenie ersten Ranges und kannte in dieser Hinsicht keine Skrupel. So war er zwar Regent der Toskana, hat jedoch sein Herrschaftsgebiet nie besucht. Für ihn war die einstmals blühende Provinz lediglich ein Gebiet, aus dem man Geld pressen konnte. Umso erstaunlicher ist es, dass nicht weniger als drei der Söhne dieses unidealistischen Paares vom Geist der Aufklärung infiziert wurden. Für die Sprösslinge der Adelsfamilien war eine gründliche intellektuelle Schulung alles andere als selbstverständlich. Oft genug wurden Prinzen und Prinzessinnen als Analphabeten erzogen, wie zum Beispiel am bourbonischen Hof in Madrid. Maria Theresia und Franz Stephan legten jedoch großen Wert auf eine gediegene Ausbildung ihrer Kinder und holten sich ausgezeichnete Erzieher und Lehrer ins Haus. Vor allem für die drei ältesten Söhne, Joseph, Karl und Leopold, wurde ein hartes und vielseitiges Lehrprogramm entworfen, denn diese galten als zukünftige Herrscher. Joseph sollte über die Donaumonarchie, Karl über die Toskana und Leopold über die Lombardei herrschen.

      Nicht die Eltern selbst waren die Initiatoren dieses Lehrprogramms, sondern ihre Ratgeber und engsten Mitarbeiter. An deren Spitze stand Maria Theresias Lieblingsberater Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg. Dieser junge und hoch gebildete Graf hatte während seiner Studienreisen in den Niederlanden den Vorteil geistiger Aufgeschlossenheit und gesellschaftlicher Progressivität kennen gelernt. In der Universitätsstadt Leiden hatte er Freundschaft mit dem Medizinstudenten Gerhard van Swieten geschlossen, einem Schüler des großen Gelehrten Hermann Boerhaave. Kaunitz konnte diesen katholischen Baron, der sich im protestantischen Umfeld nicht wohl fühlte, für den Hofdienst in Wien gewinnen. Van Swieten wurde zum Leibarzt Maria Theresias berufen. Bis zu seinem Tod 1772 diente er der Kaiserin und war mit ihr und ihrer Familie freundschaftlich verbunden.

      Weil Kaunitz und

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