Plötzlich ist alles anders. Heidi Oehlmann
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Ich ging zurück an meinen Schreibtisch und arbeitete. Ich bemerkte nicht, wie schnell die Zeit verging. Max stand plötzlich hinter mir. Ich erschrak, als ich ihn sah. Von seiner Ankunft hatte ich nichts mitbekommen. Normalerweise hörte ich ihn, wenn er in unsere Einfahrt bog.
»Hallo Schatz! Wie war dein Tag?«, fragte ich.
»Etwas stressig, aber ganz okay. Und wie war es bei dir?«, antwortete er, nachdem wir uns küssten.
Ich überlegte einen kurzen Augenblick, ob ich ihm von dem Erlebnis beim Einkaufen erzählen sollte, und tat es dann in jeder Einzelheit.
Nachdem ich mit meinen Ausführungen fertig war, fühlte ich mich zwar besser. Aber Max sah mich total erschrocken und gleichzeitig besorgt an. Im ersten Moment war Max nicht in der Lage etwas zu sagen. In seinem Gesicht konnte ich sehen, wie er nachdachte. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, ihm von meinem Tag erzählt zu haben.
Als Max sich wieder gefangen hatte, meinte er: »Du musst dringend zu einem Arzt. Du könntest natürlich auch zu einem Heilpraktiker gehen. Ich habe gerade beruflich eine ganz nette Heilpraktikerin kennengelernt.«
»Meinst du, ein Heilpraktiker kann mir helfen?«, fragte ich erstaunt.
Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass Max mir so einen Vorschlag unterbreiten könnte. Gerade er. Wir sprachen bisher noch nie über alternative Heilmethoden. Aber bei Max war ich mir fast sicher, er sei kein Fan davon.
»Wenn du nicht willst, musst du eben zu einem Arzt gehen! Das ist deine Entscheidung!«
Ich war ein wenig skeptisch, weil ich keine Ahnung hatte, was bei einem Heilpraktiker auf mich zu käme. Bisher war ich nie in einer Naturheilpraxis. Andererseits konnte es nicht schaden, etwas Neues auszuprobieren. Zu einem Arzt könnte ich immer noch gehen, falls mir die Behandlung keinen Erfolg brächte.
»Na ja, ich war noch nie bei einem Heilpraktiker, aber ich würde es ausprobieren. Kannst du mir einen Termin bei der Heilpraktikerin machen?«
»Klar, ich rufe gleich morgen früh bei ihr an.«
»Okay. Danke! Ich hoffe, es dauert nicht so lange, bis ich hingehen kann.«
»Nein, das wird schnell gehen.«
3. Kapitel
Nach einer Woche Warten war es endlich so weit. In einer Stunde hatte ich den Termin bei der Heilpraktikerin. In den letzten Tagen ging es mir unverändert. Es war zwar nicht so schlimm, wie die beiden Erlebnisse im Café und in dem Laden. Dennoch war ich besorgt über die anhaltenden Beschwerden.
Ich war fürchterlich aufgeregt, weil ich weder wusste, was in der Praxis mit mir passierte, noch ob die Heilpraktikerin überhaupt irgendetwas finden würde. Es fiel mir schwer, daran zu glauben, sie könnte mir helfen. Vielleicht, weil ich meine Zweifel an alternativen Heilmethoden hatte. Zumindest bei ernsthaften Krankheiten. Den Einsatz von Kräutern bei kleineren Wehwehchen hielt ich schon für sinnvoll. Dennoch schöpfte ich einen Funken Hoffnung, endlich zu erfahren, was mit mir los war.
Max begleitete mich. Er bestand darauf, mich hinzufahren. Er wusste schließlich, wo die Praxis lag und kannte die Heilpraktikerin bereits. Wahrscheinlich hätte ich mich nicht getraut, selbst Auto zu fahren. Wenn diese Schwärze beim Autofahren wieder aufgetreten wäre, hätte so viel passieren können. Das Risiko wollte ich keinesfalls eingehen.
Wir mussten ein ganzes Stück zu Fuß vom Parkplatz bis zur Heilpraktikerin gehen. Die Praxis lag in einer Kleinstadt, zwanzig Kilometer von unserem Wohnort entfernt, in der Fußgängerzone, in einem älteren Gebäude, im zweiten Stock. Das Haus machte einen gepflegten Eindruck.
Sowohl der Empfang als auch das Wartezimmer waren leer. Ich war mir nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Meine Gedanken kreisten um die Frage, ob die Heilpraktikerin so unseriös war, dass niemand zu ihr kam oder sie sich nur ausgezeichnet organisieren konnte. Vielleicht vergab sie die Termine nicht so straff hintereinander, wie es in anderen Praxen üblich ist.
Wir setzten uns in das leere Wartezimmer und hofften, bald würde jemand den Empfang besetzen. Es dauerte keine fünf Minuten, da kam eine Frau Mitte dreißig auf uns zu. Sie machte einen netten Eindruck und stellte sich als Frau Hof, die Heilpraktikerin, vor. Anschließend führte sie uns in ein Behandlungszimmer und bat uns Platz zu nehmen.
»Wie kann ich Ihnen weiter helfen? Ihr Mann schilderte mir am Telefon, Ihnen wäre mehrfach schwindelig gewesen?«, fragte sie.
Ich erzählte ihr ausführlich, was in den letzten Tagen passiert war, auch von meinem Verdacht mit den Magnesiumtabletten. Diese Möglichkeit hatte ich für mich schon ausgeschlossen. Wenn es am Magnesium gelegen hätte, müsste ich längst eine Verbesserung gespürt haben, nachdem ich die Tabletten absetzte. Aber ich konnte keinerlei Veränderungen feststellen.
Die Heilpraktikerin hörte mir aufmerksam zu und sagte: »Dann werden wir uns das jetzt anschauen. Haben Sie schon mal etwas von der Dunkelfelddiagnostik gehört?«
»Nein, was ist das?«
Natürlich hörte ich den Begriff zum ersten Mal. Ich war zuvor noch nie bei einem Heilpraktiker. Wozu auch? Ich war nie ernsthaft krank gewesen. Hier und da hatte ich eine kleine Erkältung, aber eben nichts, wofür es sich gelohnt hätte, Dauergast beim Arzt zu sein.
»Ich nehme Ihnen einen Tropfen Blut ab. Dazu steche ich in einen Ihrer Finger. Dann schauen wir uns Ihr Blut unter dem Mikroskop an. Vielleicht finden wir dabei schon einen Anhaltspunkt.«
»Okay.«
Das hörte sich nicht so schlimm an. Einen Tropfen Blut aus dem Finger zu entnehmen, war besser, als eine Blutabnahme bei einem Arzt. Es war zwar eine Weile her, als mir das letzte Mal Blut abgenommen wurde, dennoch hatte ich das in keiner guten Erinnerung. Der Einstich war nicht so tragisch. Ich konnte nur schon seit meiner frühesten Kindheit kein Blut sehen. Deshalb musste ich immer wegschauen, wenn mir Blut abgezapft wurde. Sobald ich die rote Flüssigkeit sah, wurde mir sofort schlecht und ich kippte oft aus den Latschen. Besonders furchtbar war es, wenn ich sah, wie das Blut aus mir raus gesaugt wurde und sich das Röhrchen langsam füllte.
Frau Hof stach mir mit einer kleinen Nadel in den Mittelfinger der linken Hand und drückte ihn so lange zusammen, bis ein Tropfen Blut raus kam. Sicherheitshalber schaute ich dabei weg und konnte nur spüren, was sie tat. Auch wenn es nur ein Tröpfchen war, wollte ich jetzt auf keinen Fall umkippen. Anschließend legte sie mir eine Objektträger-Glasplatte auf den Finger, um das Blut darauf zu bekommen. Sie verstaute die blutverschmierte Platte unter dem Mikroskop, das auf ihrem Schreibtisch stand. Das Gerät war an einem Computer angeschlossen, sodass wir auf dem Monitor alles sehen konnten. Frau Hof schaute einige Sekunden auf das Bild und fing dann an, uns zu erklären, was sie sah: »Sehen Sie diese vielen kleinen Kreise, die übereinander liegen? Das nennt sich Geldrollenbildung.«
Ich nickte nur. Von Max kam keine Reaktion. Er schaute gebannt auf den Monitor.
Sie erklärte uns ein paar andere komische Gebilde, die sie sah. Ich sollte noch Parasiten im Blut und zu wenig rote Blutkörperchen haben. Ich war erschüttert darüber, was sie