Wir statt Gier. Gordon Müller-Eschenbach

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Wir statt Gier - Gordon Müller-Eschenbach

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ein Manager für die Ergebnisse seiner Einheit verantwortlich zeichnet und dafür zu sorgen hat, dass sie ihren Job erledigt. Natürlich soll er Einsatz zeigen und sich um seine Projekte kümmern, als hinge seine Karriere daran. Tut sie ja auch.

      Was allerdings bei der „Erziehung“ nachwachsender Managergenerationen seit Jahrzehnten aus der Tugend Verantwortung gemacht worden ist, hat gerade nichts mit Führung zu tun: die Weitergabe patriarchalischer Führungsmethoden. Manager, denen beigebracht wurde, alles und jeden kontrollieren zu müssen – und eine Generation später wieder ihre Management-Sprösslinge aufs selbe falsche Gleis zu setzen.

      Es gibt verschiedene Formen der Verantwortung. Die lösungsorientierte, die werteorientierte, die teamorientierte – sie alle gehören zur Managementkultur. Allerdings kann man als Manager keinen größeren Fehler machen, als neben der operativen Verantwortung für das Geschäft auch noch die persönliche Verantwortung für die Unwägbarkeiten der Weltwirtschaft, die charakterliche Prägung seiner Angestellten und den Jahresbonus seines Chefs zu übernehmen. Das hält auch niemand lange durch, der nicht über eine eiserne Frusttoleranz verfügt. Und, mit Verlaub: Die haben die wenigsten.

      Ein Manager ist kein Priester. Ein Manager ist kein Kindergartenpädagoge. Ein Manager ist vor allem nicht der Vater seiner Mitarbeiter, und darf deshalb kein Patriarch sein. Ein Manager ist ein Manager. Und ein Manager ist nicht unfehlbar. Sein Ziel kann und darf nicht sein, „Untergebene“ nach seinem Vorbild zu erziehen. Wer fürs Ego ein Alter Ego braucht, ist als Manager ungeeignet.

      Für die Mehrzahl der heute aktiven jüngeren Führungskräfte, die trotz einer völlig veränderten Lebens- und Wirtschaftswelt von patriarchalischen Vorgesetzten unternehmenssozialisiert werden, bedeutet das zwei mögliche Krisenszenarien: Entweder, sie machen den Job eine Weile, haben früher oder später die Schnauze voll und schmeißen auf die eine oder Art hin – oder sie brennen innerlich aus. Oberflächlich leichter scheint vielen leider, es ihren „Vorbildern“ in der Chefetage gleich zu tun und aus dem Verantwortungsdogma einen Egotrip zu machen. Wer auf diesem Holzweg einmal angekommen ist, droht jederzeit einzubrechen. Immer wieder begegne ich bei Beratungsgesprächen oder Coachingsitzungen Führungskräften, deren Schultern unter der Last der Verantwortung krumm geworden sind – und die genau deshalb glauben, ihren Job besonders gut zu machen.

      Verantwortung für alles und jeden aber ist kein Wert der Unternehmensführung – denn genau wie Sie als Manager sollte auch jeder einzelne Ihrer Mitarbeiter die Verantwortung für seine Aufgaben übernehmen. Ihre Verantwortung im Management liegt, neben den operativen Aufgaben, vielmehr darin, für die Werte Ihres Unternehmens einzustehen und deren tägliche Umsetzung sicherzustellen.

      Welche Werte das sind? Eben. Genau da liegt in den meisten Unternehmen alter Schule der Hund begraben – es mangelt an operationalisierbaren Unternehmenswerten. Weshalb Ihr Chef es sich am leichtesten macht, indem er Ihnen den Alibi-Wert der Verantwortung auftischt und Sie nach seinem Vorbild erzieht: als Führungskraft, die nicht nur ihren operativen Verantwortungsbereich führt, sondern gottgleich meint, auch in die Verantwortungsbereiche seiner Angestellten und am besten auch noch in deren Privatleben eingreifen zu müssen – weil ein „verantwortungsvoller“ Chef sich nun mal um seine Schäfchen kümmert. Vor allem aber kann er, physisch erschöpft und seelisch ausgebrannt, ganz einfach zur „Verantwortung“ gezogen werden, wenn es in seinem Bereich hakt. Was sich blendend argumentieren lässt mit – Sie wissen schon, den Benchmarks.

       Die großen Blockaden: Egothemen und Charakterfehler

      Dass viele Chefs der alten Schule statt Unternehmenswerten das Verantwortungsdogma vorleben, ist oft der Tatsache geschuldet, dass sie ihrerseits es von ihren Mentoren so vorgelebt bekommen haben. Oft spielen bei dieser Führungssozialisierung allerdings auch individuelle seelische und biografische Themen eine maßgebliche Rolle.

      Gegen charismatische Führungskräfte ist ganz und gar nichts einzuwenden – im Gegenteil, wir brauchen mehr von diesem Menschen in der Wirtschaft, denn sie sind den charakterlosen Kennzahlenreitern allemal vorzuziehen. Ein charismatisches Auftreten wird allerdings allzu oft mit einem dogmatischen verwechselt. Und wer gelernt hat, dass er ab einer bestimmten Position im Unternehmen schalten und walten darf, wie es ihm beliebt, der verwechselt oft Verhandlungssituationen und interne Konflikte mit seinen persönlichen Egothemen.

      Führungskräfte stehen in der Regel im Schnittpunkt diverser externer Anspruchshaltungen, die sich auf ihre Persönlichkeitsentwicklung auswirken: eigener Ehrgeiz und Karrieredruck, das Verantwortungsdogma vonseiten des Chefs, die Pflichten als Familienernährer und meist auch noch sehr intime Themen, die oft bis in die Kindheit zurückgehen und den Charakter geprägt haben (etwa die Erwartungshaltung eines „erfolgreichen“ Vaters). Sie alle schlagen sich unbewusst auf den persönlichen Führungsstil nieder. Das ist nur allzu menschlich – hilfreich für ein freies, beseeltes Arbeiten oder gar wirtschaftlich im Sinne des Unternehmens ist es ganz und gar nicht.

      Vor kurzem hatte ich einen Coachee – nennen wir ihn Martin – der in genau jene Art von Wertekonflikt verwickelt war und davon auf vielfältige Weise beeinflusst wurde. Die verschiedenen Wertmuster, mit denen er biografisch konfrontiert worden war, hatten sich bei ihm zu einem regelrechten Knoten in der Seele verdichtet, den er selbst nicht mehr zu entwirren in der Lage war.

      Martin war in einem sehr konservativen Elternhaus aufgewachsen und hatte zwar eine sehr behütete Kindheit erlebt, dafür aber auch sehr wenige Freiheiten kennengelernt. Sein Vater hatte ihm früh eingeimpft, dass aus ihm einmal „etwas werden müsse“. Nach einem hervorragenden Studienabschluss hatte er schnell eine Stelle in einem eigentümergeführten mittelständischen Unternehmen gefunden.

      Der Eigentümer des Unternehmens wurde bald zu einem persönlichen Mentor und integrierte ihn regelrecht in seine Familie. Er verstärkte damit allerdings auch genau jene antrainierte Erwartungshaltung, die Martin von seinem Vater mitbekommen hatte und von der er sich nie hatte befreien können. Martins Frau hatte ihn früh zur Vaterschaft gedrängt, obwohl Martin keine innerliche Bereitschaft dazu fühlte – es schien ihm einfach die logische biografische Konsequenz, dem Begehren seiner Frau nachzugeben, nachdem das Gehalt stimmte und der Job sicher schien. Beruflich war er von morgens bis abends damit beschäftigt, für den alternden Unternehmer die Fäden zusammenzuhalten, und versuchte darüber hinaus weitgehend unreflektiert, seinen Mitarbeitern ein Mentor nach dem Vorbild seines Chefs zu sein. So war er schon mit Ende dreißig ein zwar erfolgreicher, aber auch seelisch ausgezehrter Mann. Er hatte – ganz im Sinne des Verantwortungsdogmas – innerlich die Verantwortung dafür übernommen, das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, indem er das Erbe des alten Patriarchen fortführte.

      Als er zu mir kam, sah Martin sich gerade erstmals mit einer Aufgabe konfrontiert, der er sich nicht mehr gewachsen fühlte: Er hatte erkannt, dass das Unternehmen mit der stolzen, traditionsorientierten Art des Wirtschaftens, für die der Eigentümer stand, nicht mehr überlebensfähig war. Der junge Manager sah sich dennoch in der Verantwortung, den Spagat zu leisten. Dabei begann er erstmals zu ahnen, dass die Werte, denen er sein Leben lang gefolgt war, nie seine eigenen gewesen waren, und begann sich äußerst unwohl in seiner Haut zu fühlen. Dass er kurz vor dem Führungskollaps stand, fiel ihm erst auf, als einige seiner besten Mitarbeiter sich frustriert von ihm abwendeten und bald darauf das Unternehmen verließen, weil sie sich Martins Ansprüchen nicht mehr gewachsen sahen. Sie konnten mit seinem zunehmend inkongruenten, die realen Möglichkeiten des Unternehmens überschätzenden Führungsstil nicht mehr umgehen.

      Persönliche Wertekongruenz, diese harte Lektion musste Martin im Coaching lernen, ist nicht erblich, sondern allein durch persönliche Erfahrung, unerschöpfliche Neugier und die Bereitschaft zum Scheitern zu erlangen. Martin hatte die Wertmuster und die Führungsdogmen seines Vaters und seines Mentors übernommen und schlitterte nun in einer Wirtschaftswelt auf die Katastrophe zu, die grundlegend anders war als die, in der sich die beiden alten Herren ihre Sporen

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