Über Land un See. Wolfgang Bendick
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Über Land un See - Wolfgang Bendick страница 7
Lucie, eine Jugendfreundin, die Künstlerin geworden ist, macht in der Nähe eine Vernissage. „Mozarts Frauen“ ist das Thema. In einem nahen Dorf, im dortigen Kulturzentrum, hat sie ihre Skulpturen aufgestellt, es wartet ein Büffet auf die Besucher, wozu ich noch einen ganzen Käse lege. Und dann kommen die Leute. Der Zustrom nimmt kein Ende. Waren es am Ende 600 Besucher? Darunter erkenne ich viele Jugendfreunde und andere Bekannte, es ist ein großes Hallo, denn viele wussten nicht von meinem Kommen. Die zahlreichen Keramikskulpturen, zum Teil skurril, bunt glasiert nehmen den Vorplatz ein, andere die Halle. Es sind Darstellungen der Frauen, die in Mozarts Werken vorkommen. Ob er wirklich so viele gehabt hat, denen er in seinen Werken ein Denkmal hinterließ? Es folgen ein paar musikalische Interpretationen Mozarts, vorgetragen von bekannten Künstlern. Lucie ist überall, findet sogar etwas Zeit für mich. Es ist ihr großer Tag, ihr größter Erfolg! Woran erkennt man einen überragenden Künstler? An seinem Schaffensdrang? Seinen Inspirationen, seinen Werken? Oder daran, dass er zu Lebzeiten arm bleibt?
CHIEMSEE
CHIEMSEE
Meinen Wal drängte es weiter, diesmal zum Chiemsee, ein 80 Quadratkilometer großer Voralpensee, genannt das ‚Bayerische Meer‘. Wochenendverkehr auf der Autobahn, dazu noch Baustellen! Das krasse Gegenteil zu meiner Einsamkeit auf dem Wasser. Aber alles hat seinen Preis! Ich frage mich zu einem Camping durch, der Seezugang hat. Durch einen winkeligen Weg zwänge ich meinen Segler vor Ort. Da die Saison vorbei ist, ist ein Stellplatz vorhanden. Sogleich kameradschaftlicher Empfang von Seiten der anderen Camper mit Flasche Bier und so. Doch ich vertröste sie auf den Abend, zuerst muss der Blauwal ins Wasser, der hält es im Trockenen nicht lange aus. Wie ich. Der Mast ist so hoch, dass er in den Ästen der Bäume streift und sich das Windfähnchen verbiegt. Aber das brauche ich hier eh nicht, wie die folgenden Tage zeigen werden, da außer am ersten Nachmittag nur Flaute herrscht.
Seeerkundung. Ich habe wirklich den schönsten Ort am See gefunden, da an fast allen anderen Ufern Autos stehen, weil die Straße vielerorts direkt am See verläuft. Der Chiemsee ist ebenfalls ein Gletschersee, sehr flach, vereinzelt mit Findlingen auf dem Grund, die fast die Oberfläche berühren. Ich stehe auf dem Bug, lasse die Ruder-Automatik die Arbeit machen, ein leiser Wind trägt mein Boot. Mein Blick schweift in die Ferne, wo sich die Alpen als dunkelbläuliche Linie vor einem klarblauen Himmel abzeichnen, betüpfelt von wohl 50 Heißluft-Ballons in allen Farben. Ich frage mich, wo die alle so plötzlich hergekommen sind, und wo die hinwollen, bei dem bisschen Wind! Die werden alle in den See fallen, wenn die Gasflaschen leer sind! Der See. Den hatte ich fast vergessen. Zu sehr schien auch ich zu schweben, hier auf dem Vorschiff. Mein Blick fällt nach unten. Da kommen langsam drei riesige Felsblöcke auf mich zu. Ich hechte nach hinten, reiße die Automatik raus und lege das Ruder um. „Bumm bumm macht das Schwert, als es über die Findlinge holpert. Gut, man kann nach dem Himmel navigieren. Aber ein Seemann sollte auch ein Auge für das Wasser haben, worauf er fährt…
Von hier aus besuche ich Schulfreund Franz in Waging und seine Frau Anneliese. Er, Lehrer in Ruhestand, ergötzt sich in seiner freien Zeit mit dem Korrigieren meines Geschriebenen. Mit Freuden verspritzt jetzt sein Computer an seiner Statt die rote Tinte. Ein gutes Abendmahl krönt immer diese fast jährlich gewordenen Besuche. Mit ihnen hatte ich vor einiger Zeit per Dampfer die Fraueninsel besucht und dort in den Gewölben des Klosterrestaurants frugal gespeiset. Auch dieses Mal zieht es mich dahin, aber mehr wegen der Fahrt, nicht wegen des Magenwohls. Doch hat sich was mit Fahrt! Jetzt verstehe ich, warum mal jemand das Motorboot erfunden hatte! Völligste Flaute! Zum Glück hatte ich für diesen Fall meinen Elektromotor dabei und zwei Batterien. Also Motor ins Wasser, die erste Batterie angeklemmt, die automatische Steuerung in Betrieb gesetzt. Nun im Radio etwas klassische Musik gesucht, die Sitzkissen auf das Vordeck gelegt und mich darauf, um mal auszuprobieren wie das auf einer Kreuzfahrt ist!
Anhand der Masten erkenne ich im Fernglas die Existenz mehrerer Segelclubs, doch nirgends ein Segel. Aber ich bin inzwischen ans Alleinsein gewohnt. „Wenn du wüsstest, wie das hier im Sommer rund geht!“, hatte man mir gesagt. Nur gut, dass es Herbst ist, überhaupt die beste Jahreszeit zum ‚Boot-Wandern‘, da man nur dann sicher ist, einen Liegeplatz zu bekommen. Es gibt drei Inseln im See. Die ‚Fraueninsel‘, früher ein Kloster, wie der Name schon erraten lässt, nur für Frauen. Heute beherbergen die imposanten, barocken Gebäude außer Gästezimmern und einem guten Restaurant auch noch verschiedene Kirchen und Kapellen, Museen und was noch. Ein Anleger für die Vergnügungsdampfer reicht in das flache Wasser hinaus. Beim Umfahren der Insel entdecke ich dahinter einen kleinen Segelboot-Hafen. In einiger Entfernung davon erhebt sich imposant das Schloss ‚Herrenchiemsee‘, ein Nachbau von Versailles auf einer weiteren Insel, der ‚Herreninsel. Ludwig II von Bayern, ein Bewunderer von Louis XIV, hatte es hier um 1880 errichten lassen. Seine Konstruktion trieb den Freistaat in den Bankrott. Und zwischen diesen zwei Inseln, nicht sehr hoch über dem Wasserspiegel, erhebt sich eine dritte, die ‚Krautinsel‘, reserviert, wie der Name sagt, für den Anbau von Kraut, der sicher vom Volk, dem ‚dritten Stand‘ gemacht wurde.
Mein blauer Wal bewegte sich langsamer vorwärts. War er des Schwimmens müde, hatten wir doch schon gute zwölf Kilometer hinter uns? Nein, es war die Batterie, die nachließ! Für diesen Fall hatte ich zum Glück eine zweite dabei. So kamen wir am Nachmittag wieder gut am Camping an. Als ich abends das Boot aus dem Wasser kurbelte, ging mir jemand zur Hand. Seine Freundin saß am Ufer im Schatten auf einer Bank, mit ihrem Kind und wohl ihrer Mutter. „Franzose?“, fragte sie, weil sie die Nummer meines bis zum blubbernden Auspuff im Wasser stehenden Toyotas sah. „Ja, Ariège!“, gab ich zur Antwort. „Dann kennen sie sicher Pujol!“, rief sie aus. „Das ist ein sehr häufiger Name dort in der Ecke“, gab ich zurück, „natürlich kenne ich welche, die so heißen.“ „Nein, den Ort, da hab ich mal ein paar Jahre gewohnt, damals, in der tollen Zeit!“ „Den kenne ich. Da wo mal ein Schnuff und Lucie gewohnt haben.“ „Ja, die sind aber alle auch schon lange wieder weg. Nur Marion lebt noch da, die müsstest du doch auch kennen“. „Natürlich, aber mehr flüchtig, die ist eher mit meiner Frau befreundet“. „Das ist ja verrückt! Hier ist meine neue Adresse, gib sie ihr.“ Sie schrieb etwas auf einen Zettel. „Sag ihr, ich wohne nicht mehr in München, ich wohne seit kurzem hier am See!“
*
Mein nächstes Ziel war nun Garching bei München. Hier war kein schiffbares Gewässer, sondern hier wohnte Helmut, ein Kollege von der ‚Kariba‘, meinem zweiten Dampfer, im Süd-und Ostafrikadienst. Wir waren damals beide Leichtmatrosen gewesen. Er arbeitete jetzt am Theater, weil dort, als er die christliche Seefahrt an den Nagel gehängt hatte, ein Mann mit Allround-Kenntnissen gesucht worden war. Wir hatten ein Treffen nach Feierabend vereinbart. Feierabend heißt auch Verkehr. Und zudem wohnte er mitten in der Stadt, im Kulturkomplex. Und dorthinein, oder eher mehr an dessen Rand stellte ich mein Gespann, in der Hoffnung, dass kein Fahrzeug an dem etwas in die Straße reichenden Mast hängen bleiben würde.