Marilyn Monroe - 1944-1948. Horst Tran
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´Ja´, sagte ich ihnen, ´zufällig habe ich einen mitgebracht. Er ist in meinem Spind.´ Danach arbeitete ich im Pulli mit den Drohnen. Der Name eines dieser Armeefotografen war David Conover. Er lebt nahe an der Kanadischen Grenze. Er sagte mir immer wieder: ´Du solltest Model werden´, ich dachte aber, er will nur flirten. Ein paar Wochen später brachte er die Farbfotos, die er von mir gemacht hatte, und sagte, dass jemand von der Eastman Kodak Company ihn gefragt hat: ´Wer im Himmels Namen ist dein Model?´"
1960 gibt Marilyn im Interview mit Belmont diese Version:
"Und eines Tages wollte die Luftwaffe in unserer Fabrik Aufnahmen machen. Ich war gerade aus meinem Urlaub zurückgekehrt, als ich ins Büro gerufen wurde. ´Wo bist du gewesen?´ Ich war fassungslos und sagte: ´Ich hatte doch eine Urlaubsgenehmigung!", was auch stimmte. Sie sagten: ´Darum geht es nicht. Willst du für ein paar Aufnahmen Modell stehen?´
Dann kamen die Fotografen und machten Bilder. Sie wollten noch mehr machen, außerhalb der Fabrik, ich wollte aber Ärger vermeiden, weil ich die Arbeit versäumt hätte, also sagte ich: ´Ihr müsst eine Genehmigung besorgen´. Die sie auch bekamen, also stand ich ihnen ein paar Tage lang an verschiedenen Orten Modell, hielt Sachen in der Hand, schob und schleppte Sachen herum..."
Schließlich berichtet Marilyn dem Fotojournalisten George Barris im Jahr 1962:
"Eines Tag kam ein Fotograf vom Army Pictorial Center in Hollywood, um Bilder von Leuten zu machen —er nannte sie Moralverstärker-Typen—, um zu zeigen, dass sie mit ihrer Arbeit in den Rüstungsfabriken ihren Beitrag leisten. Als dieser Fotograf, David Conover, vorbeiging, als ich am Arbeiten war, sagte er: ´Du bist ein echter Moralverstärker. Ich mache Bilder von dir für die Jungs in der Army, um ihre Moral hochzuhalten.´
Zuerst fotografierte er mich in meinem Overall. Als er erfuhr, dass ich einen Pulli in meinem Spind habe, fragte er, ob es mir etwas ausmachen würde, ihn für weitere Fotos zu tragen. ´Ich will den Jungs zeigen, wie du wirklich ausschaust´, sagte er.
Diese Bilder, die er von mir machte, waren die ersten, die jemals veröffentlicht wurden. Sie waren in Hunderten von Armee-Zeitungen zu sehen, einschließlich Yank und Stars and Stripes."
Conovers eigener Bericht in seinem Marilyn-Buch liest sich so:
"Ich ging am Montageband entlang und machte Aufnahmen von den attraktivsten Arbeiterinnen. Keine fiel besonders aus dem Rahmen. Ich kam zu einem hübschen Mädchen, das Propeller montierte, und hob die Kamera vor meine Augen. Sie hatte lockige aschblonde Haare und Flecken auf dem Gesicht. Ich fotografierte sie und ging weiter. Dann blieb ich verblüfft stehen. Sie war schön. Halb Kind, halb Frau, hatten ihre Augen etwas, das mich anrührte und faszinierte."
Die Abweichungen zwischen den einzelnen Darstellungen sind zum Teil also erheblich.
Es liegt nahe, Norma Jeanes Brief an Grace als die Version zu nehmen, die der Wahrheit am nächsten kommt, da sie relativ zeitnah ist (ca. ein halbes Jahr), während die anderen Versionen mindestens elf Jahre später entstanden.
In diesem Brief von 1945 sind es Norma Jeanes Vorarbeiter, die sie "sofort holen", damit die Armeeleute Aufnahmen von ihr machen. Laut Martin-Interview von 1956 wird sie von den Armeeleuten direkt am Arbeitsplatz als potentielles Model entdeckt und kontaktiert. Im Belmont-Interview von 1960 ruft sie ein Vorgesetzter ins Büro und fragt sie, ob sie sich von Armeeleuten fotografieren lassen will. Im Interview mit Barris von 1962 ist es Conover, der sie am Arbeitsplatz fragt, ob sie sich fotografieren lassen möchte. Der Bericht von Conover von 1981 entspricht ziemlich genau Marilyns Darstellung von 1962, er entdeckt Norma Jeane demzufolge im Alleingang, ohne dass andere Armeeleute oder ein Vorgesetzter von Norma Jeane eine Vorauswahl treffen.
Es zeigt sich, dass die in der Marilyn-Literatur immer noch weitgehend favorisierte Version, Conover habe sie selbständig entdeckt, die späteste in der Reihe der Darstellungen ist, die Marilyn selbst davon gegeben hat. Conovers eigene Darstellung erscheint noch später, neunzehn Jahre nach dem BarrisInterview. In der Geschichtswissenschaft gilt der Grundsatz, dass Berichte umso glaubwürdiger sind, je näher sie zeitlich am berichteten Ereignis liegen, sofern nicht zwingende Gründe dagegen sprechen. Warum sollte man das hier anders handhaben? Es macht daher wenig Sinn, ausgerechnet die späteste Version von Marilyn als die authentischste zu nehmen, bloß weil sie sich mit der Version von Conover deckt, um dessen Glaubwürdigkeit es ohnehin nicht gut bestellt ist (Spoto: "Conover was a talented photographer but a patent fabulist, too"), wie in einem anderen Zusammenhang unten noch gezeigt wird.
In puncto Genehmigung für Außenaufnahmen zeigen sich in den Darstellungen ebenfalls Widersprüche. Im Brief von 1945 trifft Conover mit dem "plant superintendent" Absprachen (´arrangements´), vermutlich für Freistellungen von der Arbeit, damit er Norma Jeane in den nächsten Wochen privat fotografieren kann. Von einer Genehmigung für Außenaufnahmen am Tag der ersten Begegnung ist keine Rede. Im Bericht von 1956 sind es Armeeleute im Plural, die aufgrund von Norma Jeanes Weigerung, ihren Arbeitsplatz zu verlassen, eine Sondergenehmigung herbeibringen, um sie außerhalb des Dope Rooms zu fotografieren. Laut Bericht von 1960 verlangt Norma Jeane von den Armeeleuten, eine Genehmigung für Außenaufnahmen zu beschaffen. Im Bericht von 1962 und im Conovers Bericht von 1981 wird eine Sondergenehmigung dieser Art nicht erwähnt.
Vitacco-Robles schreibt in ´Icon´, Vol. 1, Kap. 6, in diesem Zusammenhang, dass Conover für die Außenaufnahmen in der Fabrik eine schriftliche Genehmigung ("written permission") von ihrem direkten Vorgesetzten ("direct supervisor") einholen musste, weil Norma Jeane sich ohne diese Bedingung "geweigert" habe. Ein solcher Ablauf ergibt sich allerdings weder aus Marilyns diversen Berichten, auch nicht dem Brief von 1945, wenn man diesen genau liest, noch aus Conovers Darstellung. Zudem tituliert Vitacco-Robles Conover als "Captain" und nicht korrekt als einen viel rangniedrigeren "Corporal", vermutlich weil er Norma Jeanes Abkürzung "Cpl" im Grace-Brief irrtümlich deutet.
Merkwürdige Unstimmigkeiten —wenn auch von der Sache her unbedeutend— bestehen zudem darin, wer Norma Jeane am ersten Tag nach ihrer langen Abwesenheit fragt, wo sie denn gesteckt habe. Im Grace-Brief sind es "sie alle" (´they all´), was sich entweder auf die im vorausgehenden Satz erwähnten Vorarbeiter (´leadlady and leadman´) und Armeeleute (´army´) bezieht oder, wahrscheinlicher, nur auf die Vorarbeiter, denn warum sollten sich die Armeeleute dafür interessieren? Seltsamerweise sind es aber just die Armeeleute, die im Bericht von 1956 Norma Jeane danach fragen, und nicht ihre Vorgesetzten. Im Bericht von 1960 ist es wieder ein Vorgesetzter , der Norma Jeane in seinem Büro die Frage stellt. Im Bericht von 1962 wird die Frage gar nicht erwähnt, auch nicht in Conovers Bericht von 1981.
Marilyns Antworten auf die Frage fallen unterschiedlich aus. 1945 und 1960 gibt sie, sicher wahrheitsgemäß, einen genehmigten Urlaub an. Im Interview von 1956 begründet sie die Abwesenheit dagegen mit einer kurzfristigen Krankschreibung (´I was out on sick leave for a few days´). Möglicherweise war das nach ihrer Rückkehr von der Reise in den Osten tatsächlich der Fall, um den vorangegangenen Urlaub in Ruhe ausklingen zu lassen, ohne dass sie es 1945 und 1960 erwähnt.
Conover weicht in seiner Schilderung der ersten Begegnung von den ersten zwei Berichten von Marilyn ab, denen zufolge eine Gruppe von Armeeleuten sie fotografiert hat und der ihnen zugehörige Conover anschließend derjenige ist, der sie mit ihr einen persönlichen Kontakt aufnimmt. Besonders unstimmig ist die Erwähnung von "Propellern", die von Norma Jeane "montiert" werden, als er sich ihr nähert. Mit der Lackierarbeit im Dope Room hat das nichts zu tun. Conovers Aufnahmen von Norma Jeane entstehen vielmehr an anderen Stellen in der Fabrik. Im Belmont-Interview sagt Marilyn:
"(...) also stand ich ihnen ein