Das Tagebuch der Mademoiselle S.. Wilhelmine Schröder-Devrient

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Das Tagebuch der Mademoiselle S. - Wilhelmine Schröder-Devrient

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der Hüften und Schenkel aufmerksam werden mußte. Das bereitete mir ein unerklärliches Vergnügen. Meine Gedanken schweiften in die Weite. Ich versuchte, mir auf alle mögliche Weise zu erklären, was ich doch nicht begreifen konnte; ich erinnere mich aber genau, daß damals sich meine Eitelkeit zu regen begann. Mein Vater war ein sehr ernster Mann, und meine Mutter ein Muster weiblicher Sitte und feinsten Anstands, so daß ich vor beiden außerordentlichen Respekt empfand, aber gerade deswegen auch die größte Liebe für sie fühlte. Höchst selten kam ein Scherzwort über die Lippen meines Vaters, und ebenso selten sah ich von ihm eine Zärtlichkeit für meine Mutter. Dabei waren beide sehr schöne Menschen. Der Vater war damals rund vierzig, die Mutter vierunddreißig Jahre alt.

      Nie war mir der geringste Gedanke gekommen, daß unter dieser ernsten und in jeder Beziehung gemessen erscheinenden Außenseite soviel Sinnlichkeit und Lebensgenuss verborgen sein konnte, wie ich durch einen sonderbaren Zufall erfahren sollte. Ich war vierzehn Jahre alt geworden und ging eben in den Konfirmandenunterricht zu einem Prediger, der, nebenbei gesagt, meine erste, schwärmerische Liebe war. Nicht die meinige allein, sondern die aller seiner Schülerinnen, obgleich er weder jung noch besonders schön war. Ich habe vielfach beobachtet, daß Lehrer, darunter vorzüglich Religionslehrer, den ersten nachhaltigen Eindruck auf das Gemüt junger Mädchen machen. Ist der Prediger ein guter Kanzelredner, ein in der Gemeinde beliebter Mann, so schwärmen alle jungen Mädchen für ihn. Später komme ich vielleicht hierauf zurück, weil es ja auch zur Beantwortung Ihrer Fragen gehört. Ich war also vierzehn Jahre alt und körperlich, bis auf das eigentliche Zeichen der periodischen Blume, das Zeichen der vollen Weiblichkeit, vollkommen ausgebildet. Da kam der Geburtstag meines Vaters heran, und Mutter traf mit liebevoller Geschäftigkeit alle Vorbereitungen dazu. Ich hatte ein Gedicht gemacht – Sie kennen ja mein kleines poetisches Talent (unter uns gesagt, mit dem Wunsch, daß es unser Prediger korrigieren möge, und ich dann einen Vorwand hätte, zu ihm zu gehen) – , einen großen Blumenstrauß gewunden und war schon frühmorgens festlich angezogen, weil mein Vater schöne Toilette sehr liebte. Meine Eltern schliefen nicht zusammen, weil der Vater oft bis spät in die Nacht arbeitete und dann die Mutter nicht stören wollte – so sagten sie wenigstens; später habe ich erkannt, wie weise sie auch darin waren, ihr Eheleben zu genießen. All die Dinge, welche vor dem Zubettgehen und nach dem Aufstehen nötig sind, all die Zwanglosigkeiten, die sich mit der Bequemlichkeit verbinden, auch die nachlässige, ja oft lächerliche Toilette des Nachtanzugs, kurz: die zu genaue Bekanntschaft sollen Eheleute von sich fernhalten, damit sie sich immer neu und reizvoll bleiben. Mein Vater schlief also nicht in dem Schlafzimmer der Mutter. Gewöhnlich stand er um sieben Uhr auf. An seinem Geburtstag war meine Mutter schon um sechs Uhr auf und im Hause tätig, um die Geschenke zu ordnen und Vaters Bild zu bekränzen. Gegen sieben Uhr sagte sie: das frühe Aufstehen mache doch recht müde, und sie wolle sich noch einen Augenblick aufs Bett legen, bis der Vater herüberkäme. Weiß der Himmel, wie mir die Idee kam – aber ich dachte, es müsse doch gar zu hübsch sein, wenn ich dem Vater gleichzeitig mit der Mutter gratulieren würde, denn ich hatte ihn schon sich in seinem Zimmer räuspern hören. Er war also auf und mußte bald herüberkommen. Während die Mutter noch mit dem Dienstmädchen sprach, schlüpfte ich in das Schlafzimmer, das einen Alkoven mit einer Glastür hatte, in dem sämtliche Garderobenschränke standen. Dort wollte ich versteckt stehenbleiben, bis Mutter dem Vater gratulierte, um dann durch mein Erscheinen die geliebten Eltern zu überraschen. Ganz stolz und glücklich über meinen Plan stand ich mäuschenstill hinter der Glastür des Alkovens, als meine Mutter hereintrat, sich schnell bis aufs Hemd entkleidete, sich auf ein bereitstehendes Bidet setzte und sorgfältig wusch. Ich sah dabei zum ersten Mal, welch einen wunderschönen Körper meine Mutter hatte. Dann stellte sie einen großen Stehspiegel, der am Fußende ihres Bettes neben ihrer Toilette stand, schräg zu ihrem Blickfeld und legte sich hin, die Augen aufmerksam nach der Tür gerichtet. Jetzt erst kam mir der Gedanke, daß ich wohl eine Ungeschicklichkeit begangen haben könnte, und ich wäre gern so weit wie möglich aus dem Alkoven weg gewesen. Ein dunkles Gefühl sagte mir, daß vor meinen Augen etwas geschehen würde, was ein junges Mädchen eigentlich nicht sehen dürfte. Ich hielt ängstlich meinen Atem an und zitterte an allen Gliedern. Da öffnete sich die Tür, und der Vater trat herein. In dem Augenblick, als die Tür sich bewegte, hielt meine Mutter die Augen geschlossen und stellte sich schlafend. Mein Vater trat an das Bett, betrachtete mit dem Ausdruck der größten Liebe die Schlafende, ging dann zur Tür zurück und schob den Riegel vor. Mir wurde immer banger, und es war mir zumute, als sollte ich in die Erde sinken, als mein Vater nun leise die Beinkleider abstreifte, so daß er unter dem Schlafrock nur noch das Hemd anhatte. Er näherte sich dem Bett wieder und hob vorsichtig die leichte Schlafdecke ab. Da sah ich zum ersten Mal einen anderen weiblichen Körper, aber ausgewachsen und in vollster Blüte, und dachte mit Beschämung an die Unreife des meinigen. In diesem Augenblick öffnete meine Mutter die Augen, als ob sie eben erst erwacht wäre, und rief mit einem langen Seufzer: »Bist Du es, geliebter Mann? Eben träumte ich von Dir. Wie schön weckst Du mich. Tausend Glückwünsche zu Deinem Geburtstag!«

      »Den schönsten bringst Du mir damit, daß ich Dich überraschen konnte. Wie reizend Du heute wieder bist! Du hättest Dich nur sehen sollen!«

      »Mich so zu überfallen! Du hast doch die Tür verriegelt?«

      »Sei unbesorgt. Willst Du mir aber wirklich gratulieren, so sei, wie Du warst – mir ganz zugewendet. Du bist so frisch und duftig wie eine Rose.«

      »Alles, was Du willst, Du Engel von einem Mann. Aber willst Du nicht lieber bis heute Abend warten?«

      »Da hättest Du nicht so einladend daliegen dürfen. Ich kann nicht warten. Heute morgen wollen wir alles genießen.«

      Nun sank er auf ihr Gesicht nieder, und die Küsse wollten gar kein Ende nehmen. Dabei blieb seine Hand in spielender, liebkosender Bewegung. Da er mir den Rücken zukehrte, konnte ich nicht sehen, was er tat. Ich schloß aber aus den leisen Ausrufen meiner Mutter, welches außerordentliche Vergnügen sie zu empfinden schien, denn die Augen verschwammen ihr, ihre Brust zitterte, und seufzend und abgebrochen rief sie: »Wie lieb Du heute bist!«

      Jedes der Worte, die dabei gesprochen wurden, ist mir unvergeßlich. Wie oft habe ich sie mir später in Gedanken wiederholt. Wieviel darüber nachgedacht. Ist es mir doch, als tönten sie mir noch jetzt in den Ohren.

      Es trat jetzt eine Pause ein. Die Mutter lag regungslos mit geschlossenen Augen; der ganze Körper schien seine Spannkraft verloren zu haben. Ich war erschrocken über den Gesichtsausdruck der beiden. Das war nicht mehr mein feiner, sanfter, ernster Vater, das war nicht meine keusche, sittliche Mutter! Das waren ein paar Wesen, die keine Rücksicht mehr kannten, die, glühend und wonnetrunken, sich gegenseitig in einem mir unbekannten Genusse überboten.

      Mir war der Atem bei diesem Anblick so vollständig vergangen, daß mein heftiges Herzklopfen mich fast zu ersticken drohte. Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf, aber noch war die Sorge, wie ich unbemerkt wieder aus dem Versteck herauskommen konnte, ohne von meinen Eltern entdeckt zu werden, die Hauptsache für mich. Lange sollte ich indessen in diesem Zustand nicht bleiben, denn was bis jetzt geschehen, war nur das Vorspiel gewesen. Ich sollte das erste Mal soviel auf einmal sehen und lernen, daß ich auch später kaum einer weiteren Belehrung mehr bedurfte.

      Wie gesagt, hatte sich mein Vater neben meine noch immer unbeweglich daliegende Mutter auf den Rand des Bettes gesetzt, so daß er mir das Gesicht zukehrte. Es schien ihm heiß zu werden, denn plötzlich warf er seinen Schlafrock und das Hemd ab, zog aber dann den Schlafrock wieder an. Nun sah ich mit einem Mal das, worüber ich mir nach den Erzählungen meiner Gespielinnen schon so oft den Kopf zerbrochen hatte. Mir gingen die Augen über, so starrte ich vor Aufregung und Neugier darauf hin. Wie anders war das, was ich bei Statuen und kleinen Knaben gesehen hatte! Ich erinnere mich deutlich, daß ich mich davor fürchtete und doch einen angenehmen Schauder über meinen Körper rieseln fühlte.

      Nachdem die Ruhe einige Minuten gedauert hatte, nahm mein Vater die kraftlos herabhängende Hand meiner Mutter … Sie schlug die Augen auf und lächelte unbeschreiblich holdselig, richtete

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