Das Tagebuch der Mademoiselle S.. Wilhelmine Schröder-Devrient
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Die Wärme ihres Körpers bereitete mir ein unbeschreibliches Vergnügen, und ich drückte mein Gesicht fortwährend zwischen ihre Brüste, wobei ich jedesmal einen eigentümlichen Schauer meine Glieder hinabrieseln fühlte. Dahin zu greifen, wo ich eigentlich wollte, getraute ich mich aber nicht; so fest ich auch zu allem entschlossen gewesen war, so hatte ich doch jetzt, wo ich der Erfüllung so nahe war, keinen Mut. Plötzlich kam mir der Einfall, über einen Schmerz zwischen meinen Schenkeln zu klagen. Ich wimmerte und erklärte, daß ich nicht wüßte, was das sein könnte, bis Marguerite dahin tastete und ich ihre Hand bald hierhin, bald dorthin schob. Ich versicherte, der Schmerz ließe nach, sobald ich nur die Wärme ihrer Hand fühlte, und wenn sie streichele, so höre das schmerzliche Gefühl vollkommen auf. Ich sagte das so unbefangen, daß sie damals gewiß noch nichts von meiner Absicht gemerkt hatte. Ihre Bemühungen waren auch nur dienstfertig, ohne irgendein Mitgefühl zu verraten. Als ich sie aber vor Dankbarkeit küßte, mich immer enger an sie schmiegte und ihre Hand zwischen meine Schenkel drückte, merkte ich, daß sich auch in ihr Gefühle zu regen begannen … Ich empfand ganz deutlich, daß bei ihr dieselben Begierden erwachten, die mich zu ihr geführt hatten, hütete mich aber sehr wohl, dies zu erkennen zu geben. Und wirklich war es etwas ganz anderes, eine fremde Hand zu fühlen, als die eigene. Eine wunderbare Wärme ergoß sich über meinen Körper, und als sie mich an einer bestimmten Stelle berührte, durchzuckte es mich so angenehm, daß ich sofort erklärte: da sitze der Schmerz, und da müsse ich mich wohl erkältet haben, daß es mir so weh tue. Offenbar machte es ihr Vergnügen, einen Vorwand dafür zu haben, mit der Hand die Erkältung vertreiben zu können … Unzweifelhaft regte sie das auf, und ich merkte an ihrer wachsenden Zärtlichkeit, an der Art, wie sie mich an sich preßte, daß ich meinen Zweck erreicht hatte. So wenig geistreich das Mittel auch war, klagte sie plötzlich an der gleichen Stelle über Schmerzen. Wahrscheinlich hatte sie sich nun ebenfalls »erkältet«. Ich bot ihr also treuherzig an, den schmerzhaften Fleck meinerseits zu wärmen, da mir das so vollkommen geholfen habe. Sie machte mir freie Bahn. Innerlich triumphierend, daß ich mit meiner List erreicht hatte, was ich gewünscht, faßte ich schüchtern und ungeschickt, um mich nicht zu verraten, an den Gegenstand meiner Neugier und fand schon bei der Berührung einen großen Unterschied zwischen ihr und mir …
Marguerite kam seufzend, küssend und zitternd in heftige Bewegung. Sie stieß heftige, unartikulierte Laute aus. Gleich darauf hörten ihre Bewegungen auf, und sie lag, schweratmend, still neben mir. Zufall und Schlauheit hatten mir geholfen, eine Vertraulichkeit herzustellen, die ich nun jedenfalls weiterführen wollte. Als sie wieder zu sich kam, war sie offenbar verlegen, wie sie mir ihr Benehmen erklären, ihre Wollust verbergen sollte. Auch ich überlegte, was nun das beste sei: ob ich mich unwissend stellen oder die Neugier meine Entschuldigung übernehmen lassen sollte. Tat ich das erstere, so konnte sie mir Falsches erzählen, mir irgend etwas aufbinden, was ich dann glauben mußte, wenn ich nicht verraten wollte, noch, mehr Lust als Neugier für die Sache zu haben. So entschloß ich mich, offen zu sein und nur zu verheimlichen, daß keineswegs der Zufall, sondern meine Berechnung die neue Lage herbeigeführt hatte, in der wir uns befanden. Als Marguerite völlig zu sich gekommen war, schien sie zu bereuen, daß sie sich so ganz ihrem Temperament überlassen hatte, und daß ich sie verraten könnte. Ich beruhigte sie aber bald, indem ich ihr nach und nach erzählte, was mir seit dem Tage vorher begegnet war, und sie bat, mir zu erklären, was das eigentlich sei, da auch ihr Seufzen und ihre Bewegungen mir bewiesen hätten, daß sie sehr wohl damit bekannt sei. Nur verschwieg ich ihr, daß ich sie belauscht hatte, und daß ich recht gut wußte, was sie im stillen trieb, weil ich mich überzeugen wollte, ob sie ganz aufrichtig gegen mich sein würde. Meine neugierigen Fragen schienen ihr eine schwere Last vom Herzen zu nehmen. Sie fühlte sich wieder im richtigen Verhältnis als älteres Mädchen gegen eine Unerfahrene, und da ich ihr alles gestand und umständlich erzählte, mit welcher Leidenschaft sich meine Mutter benommen hatte, so schämte sie sich auch nicht mehr vor mir und gestand mir ein, daß sie nächst ihrer Religion nichts Wichtigeres und Schöneres kenne, als den Genuss, mit dem die Natur alles ausgestattet und umgeben habe, was die sinnliche Liebe betrifft. Ich erfuhr nun alles, und wenn Sie in meinen späteren Betrachtungen einige Philosophie und Menschenkenntnis finden, so verdanke ich die erste Grundlage dazu der Belehrung durch meine liebe Marguerite, die gerade in der Beziehung reiche Erfahrungen gesammelt hatte.
Ich erfuhr genau, wie die Natur beide Geschlechter gestaltet hat, wie die Vereinigung geschieht, durch welche kostbaren Säfte der Zweck der Natur einerseits: nämlich die Fortpflanzung des Menschengeschlechtes, und andererseits der Zweck der Menschen selbst: das höchste irdische Vergnügen, erreicht wird. Ich erfuhr, warum die menschlichen Einrichtungen all diese Dinge mit einem sorgfältigen Geheimnis umgeben; wie trotz der Gefahr, die in der unbeschränkten Vereinigung liegt, beide Geschlechter sich wenigstens eine annähernde Befriedigung ihres natürlichen Triebes verschaffen können, und welche Folgen es hat, wenn ein Mädchen sich rückhaltlos diesem Trieb überlassen wollte. Wozu ich ihr eben noch verholfen und was ich bei meinem Vetter erlauscht hatte, sei eine solche, annähernde Befriedigung gewesen. Aber obwohl sie die vollen Freuden der Liebe in den Armen eines jungen, schönen Mannes in ihrer ganzen Stärke kennengelernt habe, so sei sie doch mit dem beschränkten Genuss durch sich selbst vollkommen zufrieden, da sie durch die Geburt eines Kindes die für eine Unverheiratete traurigen Folgen der ganzen Hingebung an einen Mann erkannt habe. Auch mich warnte sie auf das eindringlichste davor. Mit Vorsicht und Selbstbeherrschung könne man vieler Freuden teilhaftig werden, was sie mir durch die Erzählung dessen, was sie selbst erlebt und erfahren hatte, bewies. Es war alles so interessant, zugleich aber auch so belehrend und für mich bis zu meinem dreißigsten Jahre so maßgebend, daß ihre Erzählungen in meinem nächsten Brief eine ausführliche Wiedergabe finden sollen. In vielen Dingen sagte Marguerite mir nur, was ich mir selbst schon zusammengereimt hatte; in anderen aber doch Neues und Überraschendes. Das alles war nun recht schön und gut, aber es war doch immer noch nicht die Sache selbst. Ich brannte nun auch darauf, die Empfindungen selbst kennenzulernen und zu teilen, von denen ich jetzt bereits vier so ganz verschiedene Menschen bis zur Ohnmacht berauscht gesehen hatte. Sie schilderte mir, was sie empfunden, als sie sich zum ersten Mal dem jungen Manne hingegeben hatte, der sie später durch fortgesetzten Umgang zur Mutter gemacht