Erzählungen aus 1001 Nacht - 5. Band. Anonym
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Die Geschichte des Kalifen al-Mutawakkil mit seiner Geliebten Mahbubah
Die Geschichte Wardans, des Fleischers, und seines Abenteuers mit der Dame und dem Bären
Die Geschichte von der Königstochter und dem Affen
Die Geschichte vom Ebenholzpferd
Die Geschichte von Uns al-Wudschud und der Vezierstochter Al-Ward Fil-Akman oder Rose-im-Kelch
Zweihundertneunundsechzigste bis dreihundertsiebenundsiebenzigste Nacht
Die Abenteuer des Prinzen Ahmad und der Fee Peri-Banu
In alten Zeiten und längst entschwundenen Vergangenheiten lebte in Indien ein Sultan, der drei Söhne zeugte; der älteste hieß Prinz Husain, der zweite Prinz Ali, und der jüngste Prinz Ahmad; ferner hatte er eine Nichte namens Prinzessin Nur al-Nihar, die Tochter seines jüngeren Bruders, der jung gestorben war und sein einziges Kind in seines Oheims Obhut gelassen hatte. Der König widmete sich mit großer Sorgfalt ihrem Unterricht, und er legte großen Wert darauf, daß man sie lesen und schreiben lehrte, nähen und sticken, singen und gewandt alle Instrumente der Lust und Heiterkeit spielen. Und diese Prinzessin übertraf alle Mädchen ihrer Zeit in allen Landen weit an Schönheit und Lieblichkeit. Sie wurde in aller Fröhlichkeit gemeinsam mit ihren Vettern, den Prinzen, aufgezogen; sie aßen zusammen, spielten zusammen und schliefen zusammen. Der König aber hatte in seiner Seele beschlossen, wenn sie das Alter der Mannbarkeit erreicht haben würde, sie einem der benachbarten Könige zum Weibe zu geben; doch als sie die Jahre des Verstandes erreichte, merkte der König, daß seine Söhne, die drei Prinzen, sie alle leidenschaftlich liebten, und daß ein jeder von ihnen in seinem Herzen wünschte, sich um sie zu bewerben, sie zu gewinnen und zum Weibe zu nehmen. Das machte dem König schwere Sorge, und er sprach bei sich selber: ›Wenn ich die Herrin Nur al-Nihar einem ihrer Vettern zur Ehe gebe, so werden die beiden anderen unzufrieden sein und wider meine Entscheidung murren. Doch meine Seele kann es nicht ertragen, sie bekümmert und enttäuscht zu sehn. Und wenn ich sie einem Fremden vermähle, so werden meine Söhne sich grämen und in ihrer Seele trauern; ja, wer weiß, ob sie sich nicht töten oder ausziehen und in ein fernes, fremdes Land gehn? Die Sache ist schwierig und gefährlich; drum geziemt es mir, ihrem Vater, so zu handeln, daß, wenn einer von ihnen sie zum Weibe erhält, die anderen drob nicht unzufrieden sind.‹
Lange bedachte der Sultan die Sache in seiner Seele; und schließlich entwarf er einen Plan und ließ die drei Prinzen holen und sprach sie an und sagte: ›O meine Söhne, ihr tragt in meinen Augen gleiches Verdienst; und keinem von euch kann ich den Vorzug geben und ihn mit der Prinzessin Nur al-Nihar vermählen, noch auch steht es in meiner Macht, sie allen dreien zum Weibe zu geben. Doch ich habe mir einen Plan erdacht, so daß sie einem von euch gehören soll, ohne daß es seinen Brüdern Anlaß zu Ärgernis oder Neid geben kann. Dann bleibt eure brüderliche Liebe und Neigung unberührt, und keiner wird je eifersüchtig sein auf des anderen Glück. Kurz, mein Plan ist dieser: Geht und reist in ferne Länder, indem ihr euch voneinander trennt, und bringt mir heim das Wunderbarste und Erstaunlichste von allem, was ihr auf eurer Wanderschaft erblicken mögt; und wer mit der seltensten Seltenheit zu mir zurückkehrt, der soll der Prinzessin Nur al-Nihar Gatte werden. Stimmt meinem Vorschlag bei; und was ihr braucht an Geld für die Reise und für den Ankauf selten gesehener und sonderbarer Dinge, dessen nehmt aus dem königlichen Schatz, soviel ihr nötig habt.‹ Die drei Prinzen, die sich ihrem Vater stets fügten, willigten einstimmig in diesen Vorschlag, und ein jeder war zufrieden und fest überzeugt, er werde dem König die wunderbarste Gabe bringen und so die Prinzessin zum Weibe gewinnen. Da befahl der Sultan, einem jeden, ohne zu zögern oder zu rechnen, an Geld zu geben, was er verlangte, und er riet ihnen, sich unverzüglich und unverweilt zur Reise zu rüsten, um im Frieden Allahs aufzubrechen. Sie aber verkleideten sich, und zwar als wandernde Kaufleute, erstanden alles, was sie brauchten, nahmen ein jeder ihr Gefolge mit, bestiegen Rosse von reinstem Blut und ritten mitsammen zum Schloß hinaus. Mehrere Tagereisen weit zogen sie dieselbe Straße dahin, bis sie eine Stelle erreichten, wo sich der Weg in drei verschiedene Pfade teilte. Dort stiegen sie ab in einem Khan und nahmen ihr Abendmahl ein. Dann schlossen sie ein Abkommen und einen Vertrag, daß sie mit Tagesanbruch, nachdem sie so weit gemeinsam gezogen waren, getrennte Wege einschlagen sollten und jeder die eigene Straße ziehen, so daß sie in ferne und verschiedene Länderstriche kämen; und sie kamen überein, nur ein Jahr lang unterwegs zu bleiben und sich dann, wenn sie noch im Lande der Lebenden weilten, in eben dieser Karawanserei zu treffen und gemeinsam heimzukehren zum König, ihrem Vater. Und ferner bestimmten sie, wer zuerst im Khan wieder einträfe, der sollte die Ankunft des nächsten erwarten, und dann sollten die beiden bleiben, bis der dritte käme. Und als all das gebührend verabredet war, zogen sie sich zur Nachtruhe zurück, und als der Morgen kam, fielen sie einander um den Hals und nahmen Abschied; und schließlich bestiegen sie ihre Pferde und ritten, ein jeder in seiner Richtung, davon.
Nun hatte der Prinz Husain, der älteste, oft von den Wundern des Landes Bischangarh gehört, und seit langem wünschte er, es zu besuchen. Er schlug also den Weg ein, der dorthin führte, und er schloß sich einer Karawane an, die diese Straße zog, begleitete sie zu Wasser und zu Lande, und durchquerte viele Gegenden, wüste Wildnisse und steinige Steppen, dichte Dschungel und fruchtbare Striche, Felder und Weiler, Gärten und Städte. Und schließlich, nach drei Monden der Wanderschaft, erreichte er Bischangarh, ein Land, über das gar manche Herrscher herrschten, so groß war seine Ausdehnung, und so weit reichte seine Macht. Er nahm Wohnung in einem Khan, der eigens für Kaufleute erbaut worden war, die aus den fernsten Ländern kamen, und von den Leuten, die dort abgestiegen waren, erfuhr er, daß die Stadt einen großen Hauptmarkt besäße, auf dem man allerlei Seltenheiten und wunderbare Dinge kaufte und verkaufte. Am nächsten Tage also begab Prinz Husain sich in diesen Basar, und als er ihn erblickte, da stand er staunend da ob seiner Länge und Breite. Er war in viele Straßen geteilt, die alle eingewölbt, doch durch Lukenfenster erleuchtet waren; und die Läden auf beiden Seiten waren fest gebaut, alle nach gleichem Muster und fast alle von gleicher Größe; und vor einem jeden war ein Zeltsegel ausgespannt, das die Sonnenglut abhielt und angenehmen Schatten spendete. In diesen Läden nun standen und lagen gereiht und geordnet mancherlei Waren: Ballen ›gewebter Luft‹, Linnen von feinstem Gewebe, weiß oder gefärbt oder mit lebenstreuen Mustern geziert, aus denen sich Tiere und Bäume und Blumen so deutlich abhoben, daß man sie für wirkliche Tiere, Büsche und Gärten hätte halten können. Und ferner sah man Seidenwaren, brokatene Stoffe und feinste Satins aus Persien und Ägypten in unendlichem Überfluß; und in den Porzellanläden standen jederlei Glasgefäße, und hier und dort erblickte man auch ein Lager, darin Wandgehänge und tausende von Teppichen zum Verkauf auslagen.
Prinz Husain schritt von Laden zu Laden dahin, und er staunte sehr, so wunderbare Dinge zu sehen, von denen er sich nichts hatte träumen lassen; und schließlich kam er zur Goldschmiedgasse, und dort sah er Gemmen und Juwelen und Gold- und Silbergefäße, besetzt mit Diamanten und Rubinen, Smaragden, Perlen und anderen Edelsteinen, und alle glänzten und strahlten so blendendes Licht, daß die Läden erleuchtet waren von ihren wunderbaren Strahlen. Sprach er bei sich selber: ›Wenn schon in einer einzigen Straße ein solcher Reichtum zu finden ist und so seltene Juwelen, so weiß nur Allah, der Allmächtige, und außer ihm keiner, wie viel Reichtum in der Stadt sein mag.‹ Und nicht weniger staunte er ob der Brahminen, deren Frauen sich im Übermaß ihres Reichtums mit den schönsten Edelsteinen ganz bedeckten und gekleidet waren von Kopf bis zu Fuß in die reichsten Gewänder; selbst ihre Sklavenknaben und Sklavinnen trugen goldene Hals- und Armbänder und Spangen, besetzt mit kostbaren Steinen. Eine der Marktstraßen standen in langer Reihe