Das Unsichtbare sichtbar machen. Mirjam Eiswirth

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Das Unsichtbare sichtbar machen - Mirjam Eiswirth

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Hintergrund benutzt und die Zeichnungen selbst mit verschiedenen Arten von Farben gemacht, vor allem Pastell, Kreide und Posca Marker. So konnte er künstlerisch die Gefühle aufgreifen und verarbeiten, die er in den Tonaufnahmen der Gespräche und Interviews wahrgenommen hat.

      Die vielen Gesichter des Typ-1-Diabetes zeigen

      Jedes Bild steht für einen einzelnen Aspekt der Geschichte, Persönlichkeit und Gefühlslage des Menschen, der im Text porträtiert wird. Die Gemälde zeigen damit die vielen Gesichter von Typ-1-Diabetes, die Texte stellen die Menschen dahinter und die Höhen und Tiefen in ihrem Leben mit Diabetes vor – denn „den Diabetiker“ gibt es nicht.

      Wir sind viele, wir sind stark, und wir können fast alles machen – außer unser eigenes Insulin.

      In diesem Sinne wünsche ich eine inspirierende, verbindende, unterhaltsame Lektüre und vielleicht den ein oder anderen neuen Einblick in das Leben mit Typ-1-Diabetes!

       Dr. Mirjam Eiswirth

      Angela

      » Wir können nur unser Bestes tun und immer wieder aufstehen. «

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      „Es ist doch den besten Leuten passiert“, sagten alle, als Angelas und Stefans Sohn Andy im Alter von zwei Jahren mit Diabetes diagnostiziert wurde. Angela, heute Ende 30, ist gelernte Krankenschwester und arbeitet mittlerweile in der Forschung, ihr Mann ist Arzt. Die Diagnose hat sie selbst gestellt. Angela erzählt: „Andys Windeln waren ständig nass und hielten kaum ein paar Stunden. Er war sehr durstig, müde, rastlos. Als er eines Tages bei einem Geburtstag auch die Getränke der anderen Kinder alle ausgetrunken hat, habe ich meinen Mann gebeten, einen Test für Zucker im Urin mitzubringen.“ Der war positiv, sie fuhren gleich ins Krankenhaus.

      „Ich würde es ihm so gerne abnehmen“

      „Wir waren nur drei Tage auf der Station und haben kaum Informationen oder Hilfe bekommen. Vielleicht dachte das Team ja, wir wüssten wegen unseres beruflichen Hintergrundes schon alles, aber das war nicht so. Oder vielleicht waren sie einfach überarbeitet und hatten keine Zeit. Mein Mann arbeitet mit Schwerstkranken und ist kaum zu Hause, also liegt das Diabetesmanagement bei mir. Ich hatte zwar schon mal von Diabetes gehört, wusste, dass unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l) zu tief ist, hatte schon mal bei Patient:innen den Blutzucker gemessen und gespritzt. Aber ich hatte keine Ahnung, was das eigentlich bedeutet. Wie es sich anfühlt, unterzuckert zu sein. Was genau der Unterschied zwischen Typ 1 und 2 ist. Wie fordernd Diabetes sein kann. Es war schrecklich, zu sehen, wie es ihm schlecht ging, zu merken, wie sehr er die Spritzen hasst, die ihn jetzt am Leben halten. Ich würde ihm das alles so gerne abnehmen.“

      » Er war sehr durstig, müde, rastlos. «

      Falsche Einstellung, hohe Werte und ein ständig krankes Kind

      Die Ersteinstellung erfolgte noch auf ein fixes Spritz-Ess-Schema mit drei Mahlzeiten am Tag und vorgeschriebenen Mengen an Kohlenhydraten. Doch das war mit einem Zweijährigen kaum umzusetzen, erzählt Angela: „Unser Sohn war die ganze Zeit hungrig und ich hatte keine Ahnung, wie ich das Insulin entsprechend anpassen kann. Also habe ich ihm kaum Kohlenhydrate gegeben, sondern viel Gemüse, Käse, Eier, Nüsse … Trotzdem war sein Zucker ständig zu hoch, er war meist müde und lethargisch und vor allem sehr viel krank. Ziemlich bald nach der Diagnose musste er noch einmal wegen einer Mandelentzündung ins Krankenhaus. Einige Monate danach sind wir freitagabends zu einer Hochzeit gefahren und auf der Anreise sind Andys Augen wegen einer Entzündung so schlimm zugeschwollen, dass wir umdrehen und ihn schon wieder ins Krankenhaus bringen mussten. Dort hat er Antibiotikum bekommen. Aber die Diabetologie hat das nie interessiert, die haben uns einfach irgendwie machen lassen. Irgendwann hat uns eine der Ernährungsberaterinnen dann endlich in eine Spezialsprechstunde weitergeleitet und wir haben gelernt, mit der intensivierten konventionellen Therapie zu arbeiten – also das Insulin für die Mahlzeiten und Korrekturen anzupassen. Danach wurde alles deutlich besser.“

      „Es wird wieder alles normal“ – höchstens eine neue Normalität!

      Für das erste Jahr nach der Diagnose ließ Angela sich beurlauben, um alles über Diabetes zu lernen, und las als erstes ein dickes Buch mit Basiswissen von A bis Z. Damals, so erzählt sie, sagten alle zu ihr, das Leben würde wieder normal werden, sie könnte nach einem Jahr problemlos wieder arbeiten gehen, das ginge bald alles wie von selbst. Aber: „Nichts ist normal, und das wird es auch nie wieder. Diabetes ist jetzt immer da, wir müssen es immer mitdenken.“ Der Austausch mit anderen Eltern von Kindern mit Diabetes war und ist für Angela in diesem Prozess sehr hilfreich, denn: „Es tut einfach gut, mit jemandem zu sprechen, der in der gleichen Lage ist und dich versteht. Und oft kann man von den Erfahrungen anderer viel lernen – klar muss man filtern, nicht alles passt für jeden. Aber grundsätzlich wollen wir ja alle das Beste für unsere Kinder.“

      Diabetes in der Schule: nur mit viel zusätzlicher Unterstützung möglich

      Mittlerweile arbeitet sie wieder, aber in Teilzeit und im Labor statt in Vollzeit auf Station. Denn sie muss ihren Sohn zur Schule bringen und abholen und ist auch sonst stark involviert, da die Betreuung im Schulalltag in den letzten Jahren schlecht geklappt hat. Andy hat nun eine mit einem Sensor gekoppelte Insulinpumpe mit Hypo-Abschaltung. Die hilft sehr, weil er selbst Unterzuckerungen nur begrenzt wahrnimmt. Aber in der großen Klasse bleibt für die Lehrer:innen keine Zeit, sich um ihn zu kümmern, wenn mit dem Zucker etwas nicht stimmt. Beim Schwimmunterricht musste Angela deswegen immer dabei sein, falls etwas schiefläuft: Sei es mit der Technik oder den Zuckerwerten. Den Alltag in der Klasse bewältigt ihr Sohn mittlerweile mithilfe einer Integrationsassistentin, weil er zusätzlich zum Diabetes auch Lernschwierigkeiten hat. Doch sowohl diese Betreuung als auch die technische Versorgung mit Pumpe und Sensor mussten sie sich bei Ämtern und Schule hart erkämpfen, erzählt Angela.

» Es tut einfach gut, mit jemandem zu sprechen, der in der gleichen Lage ist und dich versteht. «image

      Wann und wie viel Verantwortung übertragen?

      Besondere Sorge bereitet ihr, dass Andy in den nächsten Jahren mehr und mehr Verantwortung für sich und sein Diabetesmanagement übernehmen muss. Sie selbst nimmt wahr, wie belastend es sein kann, ständig so viel im Blick zu behalten, vorauszudenken und zu planen. Sie sorgt sich um mögliche Spätfolgen, aber vor allem auch darum, wie es für ihren Sohn wird, mit einer chronischen Krankheit wie Diabetes zu leben: „Im Moment kümmere ich mich noch um alles und ich will ihm eigentlich nichts davon aufbürden, vor allem will ich ihn nicht überfordern. Die Pubertät und das Erwachsenwerden sind so schon schwierig genug. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das zusammen mit Diabetes sein wird.“

      Immer wieder aufstehen

      Eines will sie ihrem Sohn deswegen auf jeden Fall mitgeben: „Diabetes ist eine große Herausforderung, denn unser Körper ist sehr komplex. Wir können nur jeden Tag immer wieder unser Bestes geben. Es wird nicht immer reichen, manche Tage werden trotzdem nicht gut laufen. Dann ist es wichtig, dass wir gut zu uns sind, Pausen machen, wenn wir sie brauchen, uns einfach mal mit einem Tee unter einer dicken Decke auf dem Sofa einkuscheln, unseren Frust rauslassen, wenn wir wütend sind – und sei es, ein altes Messgerät gegen die Wand zu werfen.

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