Next Energy. Группа авторов
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Schatz, was machen die Strompreise?
Die Stromerzeugung basiert immer stärker auf erneuerbaren Energien, das Energiesystem muss angepasst werden. Dennoch werden wir uns im Alltag nicht ständig mit Energie beschäftigen müssen – oder doch?
Hanna schenkt sich bereits ihre zweite Tasse Tee ein. Sie schaut Nachrichten auf dem „Küchenfernseher“, einer dünnen, interaktiven Kunststoff-Folie, die sie in einen dekorativen Bilderrahmen eingelassen hat. Wie gewohnt lässt sie sich anschließend die aktuelle Wetterprognose anzeigen. Auf ihren kurzen Sprachbefehl hin zeigt der Bildschirm, dass in den kommenden beiden Tagen die Sonne scheinen wird. Dann beginnt der Wind auf Nordwest zu drehen, in seinem Schlepptau Regen und konstanter Wind, Stärke 5 bis 6. Mieses Wetter also. Aber Hanna und Jan Janssen können auch schlechtem Wetter etwas abgewinnen – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn vor einigen Jahren erwarben sie Bürgeranteile an einem neuen Windpark, der in der Nähe ihrer Stadt gebaut wurde. Der Windpark besteht aus zwölf Anlagen, die mit Turmkonstruktionen aus Holz und mit einer neuen Generation aus V-förmigen, Ahornfrüchten ähnelnden Rotoren ausgestattet wurden.
Für die Hausenergieversorgung der Janssens hat praktisch jeder Wetterumschwung Konsequenzen. Ihr Stromanschluss ans öffentliche Netz ist keine Einbahnstraße – zeitweise beziehen sie Strom daraus, zu anderen Zeiten speisen sie Strom ein. Jan und Hanna halten ihre Stromkosten niedrig, indem sie ihren Energieverbrauch möglichst passgenau an die jeweilige Situation im Stromnetz anpassen. Wenn, wie heute, die Sonne scheint und wenig Wind weht, produziert ihre Fotovoltaikanlage ausreichend Strom für ihren eigenen Bedarf. Die Hausbatterie wird ebenfalls daraus gespeist und liefert nach Sonnenuntergang Strom. Bei anhaltendem Regenwetter ist jedoch auch ihr Haus auf Strom aus dem Netz angewiesen. Wenn bei dichten Wolken ein konstanter Wind weht, beziehen sie günstigen Windstrom aus dem Netz. Er wird in Hunderten Windparks an Land und auf hoher See produziert. Über den niedrigeren Preis geben die Netzbetreiber Kostenvorteile an Abnehmer in der Nähe weiter – schließlich fallen beim sofortigen Verbrauch des Stroms in unmittelbarer Nähe kaum Transportkosten und keine Speicherkosten für die Netzbetreiber an. Deshalb legen Hanna und Jan einen großen Teil ihres Stromverbrauchs möglichst in solche „Überschusszeiten“. Steigt der Preis wieder an, greifen sie zunächst auf den Strom ihrer Hausbatterie zurück und warten ab, wie sich der Strompreis in den kommenden Tagen entwickelt.
Überschüssige Strommengen, für die sich absehbar keine nahen Abnehmer finden, werden über das gut ausgebaute Hochspannungsnetz in andere Regionen des Landes und in Nachbarländer abtransportiert. Als dieser weiträumige Ausgleich wegen fehlender Netze noch nicht möglich war, musste bei hervorragenden Wetterbedingungen ein Teil der Windenergie- oder Fotovoltaikanlagen abgeschaltet werden, um die Netze nicht zu überlasten. 2050 werden über dieses grenzüberschreitende Versorgungsnetz an wolkigen, windstillen Tagen Strommengen aus anderen europäischen Ländern importiert, um Engpässe im Inland auszugleichen.
Mobilität nach Bedarf
Ein dezentes Summen kündigt einen Anruf auf Hannas Persönlichem Assistenten an. Hanna findet, ein Gerät sollte keinen eigenen Namen tragen, ihres reagiert deshalb auf die nüchterne Ansprache „Assistent“. Auf dem Bilderrahmen-Bildschirm erscheint ihr Enkel Keno, verschlafen und leicht zerzaust, offenbar sitzt er ebenfalls noch beim Frühstück. „Hallo“, ruft er und winkt seinen Großeltern zu, „ihr seid ja noch zu Hause! Jetzt müsst ihr aber los, wenn ihr rechtzeitig zur Begrüßungsfeier hier sein wollt!“ Joost, der neben Keno sitzt, prostet Jan und Hanna mit seiner Tasse zu. „Nun hetz mal deine Großeltern nicht so“, sagt er mit einem Seitenblick auf seinen Sohn und ergänzt dann entschuldigend: „Keno kann es kaum erwarten! Aber wenn ich ihn mir so ansehe, will er offenbar seinen ersten Tag in der neuen Schule im Schlafanzug verbringen.“ Keno verdreht die Augen und schiebt sich, während er aufsteht, den Rest seines Frühstücksriegels in den Mund. „Eigentlich sollte er euch kurz fragen, ob ihr mit eurem Auto nach Hamburg fahren wollt. Ihr wisst ja: Parkplätze sind hier teuer, und die Zeiten, in denen Elektroautos überall umsonst parken durften, sind seit etwa 20 Jahren vorbei …“ Aus Joosts Sicht ist ein eigenes Auto etwas völlig Überflüssiges – zumindest in der mit Verkehrsmitteln hervorragend ausgestatteten Großstadt, in der er mit seiner Familie lebt. Hanna und Jan dagegen wollen sich von ihrem alten Schätzchen, einem Elektroauto Baujahr 2030, nicht trennen, selbst wenn es dank attraktiver Mobilitätsalternativen inzwischen seltener zum Einsatz kommt.
Das Hauptargument, das sie damals zum Kauf bewogen hatte, war, dass sie ihr Elektroauto in der eigenen Garage aufladen konnten und so endlich unabhängig waren von fossilen Kraftstoffen, die immer teurer wurden. Heute sind Hanna und Jan mit ihrem eigenen Fahrzeug eine Ausnahme. Viele ihrer Nachbarn teilen sich modernere und hochwertigere Fahrzeuge in Nutzergemeinschaften oder setzen vollständig auf andere Alternativen. Das planen auch Jan und Hanna, sollte ihr Wagen irgendwann den Geist aufgeben oder sollten die Straßennutzungsgebühren noch weiter steigen.
Dienstleistungen, Fernsteuerung und Automatik können uns das Leben leichter machen. Oder geben wir damit zu viel Kontrolle über unseren Alltag ab?
Hanna nimmt die spitze Bemerkung ihres Sohnes gelassen. „Keine Sorge, Joost“, antwortet sie, „unser Schätzchen bleibt in der Garage! Wir haben eine gute Verbindung ausgesucht, mit der wir direkt vor dem Schultor landen.“ Nachdem sie sich verabschiedet haben, fragt sie Jan nachdenklich: „Ob Joost meint, dass wir uns in der Stadt mit dem eigenen Auto nicht mehr zurechtfinden? Denkst du, er findet, dass wir alt werden?“ Jan schüttelt energisch den Kopf. „Nein, das denke ich erst, wenn er mich daran erinnert, auf keinen Fall mein ‚Helferlein‘ zu Hause zu vergessen! Er findet eben, dass ein Auto in der Stadt unnötiger Ballast ist – zumal ein so altes wie unseres.“
07.00 Uhr. Hanna trägt ein kleines Geschenk für Keno in der Hand, als sie das Haus verlassen und dessen Abwesenheitsmodus aktivieren: Fenster und Türen des Hauses schließen sich, die Alarmanlage schaltet scharf. Sollten während ihres Ausflugs ungewöhnliche Störungen auftreten, werden sie es sofort erfahren. Hanna hat für die Hin- und Rückfahrt eine passende Mobilitätskette aus Rufbus, Bahn und elektrischer Fahrkabine gebucht. Der kleine Elektrobus hält in der Haltebucht wenige Meter von ihrem Haus entfernt und bringt sie zum Bahnhof. Beim Einsteigen senden die Persönlichen Assistenten in Hannas und auch in Jans Tasche entsprechende Signale, so dass sie berührungslos alle Kontrollschranken passieren können. Wenig später besteigen sie ihren Zug. Jans Helferlein leitet sie zu dem Zweierabteil, das sie sich für die Fahrt ins Stadtzentrum gegönnt haben. Hier können sie bequem die Füße hochlegen, ein Nickerchen machen oder mithilfe des Persönlichen Assistenten die Abteilzwischenwand als Großbildschirm nutzen, um darauf Nachrichten, eine Lieblingsserie oder einen Film anzusehen.
Was müssen öffentliche Verkehrsmittel bieten, um künftig zum zentralen Element einer nachhaltigen Mobilität zu werden?
Früher hatte die Bahn als Reisealternative für Hanna nicht allzu hoch im Kurs gestanden. Es überwogen Erinnerungen an komplizierte oder defekte Ticketautomaten, abweisendes Bahnhofspersonal, an das Warten auf verspätete Züge, unzureichende Anschlussmöglichkeiten, muffige Abteile, enge Sitzplätze, laute Durchsagen … kurzum: Sie hatte, ebenso wie Jan, Bahn und Busse gemieden und stattdessen lieber ein Auto gekauft.
Eine Unterhaltung mit einer Arbeitskollegin in der „Friesenstube“ gab den Ausschlag, nach langer Zeit wieder einmal eine Bahnfahrt zu riskieren. Hannas Kollegin schwärmte von ihrer letzten Urlaubsreise mit der Bahn. Hanna konnte sich einen spöttischen Kommentar nicht verkneifen und erntete einen verständnislosen