Time-Temperature-Indicators als Bestandteil intelligenter Verpackungen. obert Paul Simon
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Das MHD gilt ferner unter der Voraussetzung der „richtigen Aufbewahrung“. Damit ist klargestellt, dass aus rechtlicher Sicht etwaige Unterbrechungen der Kühlkette – gleich an welcher Stelle des Produktlebenszyklus von Herstellung bis Verbrauch – bei der Bestimmung des MHD nicht berücksichtigt werden müssen. Bei nicht sachgerechter Lagerung verliert das MHD im Sinne der LMIV seine Garantiefunktion dafür, dass das Produkt seine spezifischen Eigenschaften behält. Der verantwortliche Lebensmittelunternehmer muss hierfür keine Reserven einplanen.38
b. Verbrauchsdatum
Für gewisse Lebensmittel wie beispielsweise Salat oder verschiedene Obst-, Gemüse- und Fleischsorten gilt wegen ihrer physikalischen bzw. chemischen Beschaffenheit Art. 24 Abs. 1 LMIV:
„Bei in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblichen Lebensmitteln, die folglich nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen können, wird das Mindesthaltbarkeitsdatum durch das Verbrauchsdatum ersetzt. Nach Ablauf des Verbrauchsdatums gilt ein Lebensmittel als nicht sicher im Sinne von Artikel 14 Absätze 2 bis 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.“
Der Verweis auf Art. 14 Abs. 2 bis 5 BasisVO stellt eine unwiderlegliche Vermutung und damit einen Rechtsfolgenverweis dar, d.h. mit Ablauf des VD darf das Lebensmittel nach Art. 14 Abs. 1 BasisVO nicht mehr in Verkehr gebracht werden.39 Entsprechend stellt § 6 Abs. 2 LMIDV das Inverkehrbringen von leicht verderblichen Lebensmitteln nach Ablauf des VD unter Strafe.
c. Abgrenzung
Die Frage, ob für ein Lebensmittel im Einzelfall ein MHD oder ein VD anzugeben ist, stellt eine große praktische Herausforderung dar. Die mit potenziellen Gesundheitsschädigungen verbundenen haftungsrechtlichen und rufbezogenen Risiken stellen einen Anreiz dar, bei naturwissenschaftlichen Abgrenzungsschwierigkeiten, aber auch bei mikrobiologisch schnell verderblichen und gleichzeitig nicht gesundheitlich riskanten Lebensmitteln das VD dem MHD vorzuziehen. Aus der Sicht des Verbraucherschutzes ist die Wahlfreiheit insoweit zu billigen, da das VD durch die beschriebene Unsicherheitsvermutung strengeren Regeln unterworfen ist und zu einem Mehr an Gesundheitsschutz führt.40
Unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Lebensmittelabfällen ist der Vorzug des VD dagegen kritisch zu sehen, da die Lebensmittel nach dessen Ablauf entsorgt werden müssen. Auf EU-Ebene wird deshalb zurzeit an einer Vereinheitlichung der Abgrenzungskriterien gearbeitet, um die Lebensmittelverschwendung zu verringern.41
d. TTI derzeit kein Ersatz
In Diskussionen um den Einsatz intelligenter Label zur Verringerung und Vermeidung von Lebensmittelabfällen und -verschwendung wird zuweilen die Frage gestellt, ob diese das aufgedruckte MHD bzw. VD ersetzen können. Unter den geltenden Regelungen vermögen TTI dies allerdings nicht.
Das wesentliche Hindernis besteht darin, dass gemäß Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Anhang X LMIV das Mindesthaltbarkeits- bzw. Verbrauchsdatum entsprechend seiner Bezeichnung als konkretes Datum (Tag/Monat/Jahr) anzugeben ist. Ein auf einem Lebensmittel angebrachter TTI kann dies nicht leisten, da sich eine derartige Datumsangabe bei den existierenden Modellen erst mittelbar durch Auslesen der angezeigten Farbe und den Referenzabgleich ergibt.
Auch die Möglichkeit, einen TTI mittels App auszulesen und sich das Datum auf dem Smartphone anzeigen zu lassen, ist keine gangbare Alternative. Fraglich ist bereits, ob diese Anzeige des MHD bzw. VD noch im Sinne von Art. 12 Abs. 1 LMIV als leicht zugänglich gilt, da einige technische Hürden im Vergleich zum unmittelbar wahrnehmbaren Datum auf der Verpackung zu überwinden sind und außerdem weiterhin nicht davon ausgegangen werden kann, dass Smartphones von jeder Person und überall genutzt werden und zusätzlich die entsprechende App samt entsprechendem Datenvolumen stets installiert und verfügbar sind. Nach Art. 12 Abs. 2 LMIV ist für vorverpackte Lebensmittel außerdem vorgeschrieben, dass die verpflichtenden Informationen wie MHD und VD direkt auf der Verpackung oder auf einem an dieser befestigten Etikett anzubringen sind, was den Umweg über App und Smartphone verbietet.
Für nicht vorverpackte Lebensmittel, die sog. lose Ware, gilt hingegen die oben bereits genannte nationale Sonderregelung nach Art. 12 Abs. 5, Art. 44 LMIV i.V.m. § 4 LMIDV.
Da aber nach § 4 Abs. 1 S. 1 LMIDV
„Lebensmittel, die im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt und Endverbrauchern zur Selbstbedienung angebotenen werden“,
die Kennzeichnung mit MHD bzw. VD – mit Ausnahme für Dauerbackwaren und Süßwaren unter gewissen Umständen sowie für Lebensmittel, die zu karitativen Zwecken abgegeben werden gemäß Satz 3 – vorgeschrieben ist, bestehen insoweit keine Unterschiede zu vorverpackten Produkten.
§ 4 Abs. 1 S. 2 LMIDV eröffnet bei derartig verpackten Lebensmitteln, die über Automaten oder automatisierte Anlagen in Verkehr gebracht werden, jedoch die Möglichkeit, das jeweilige Datum an einem Schild an dem oder in der Nähe des Automaten bzw. der Anlage anzubringen.42 Technisch zumindest denkbar ist die Variante, dass ein auf dem Produkt angebrachter TTI ausgelesen und das daraus errechnete Datum auf einem entsprechend platzierten Bildschirm angezeigt ist. Doch es ist fraglich, ob in diesem Verfahren die Angabe noch „auf einem Schild“ im Sinne dieser Vorschrift „angebracht“ wäre. Außerdem ist zu beachten, dass diese Regelung nicht für vorverpackte Lebensmittel im Sinne der LMIV gilt, da Art. 44 LMIV einzelstaatliche Ausnahmen nur für nicht vorverpackte Lebensmittel erlaubt.43
Für andere nicht vorverpackte
„Lebensmittel, die 1. ohne Verpackung zum Verkauf angeboten werden, 2. auf Wunsch des Endverbrauchers oder des Anbieters von Gemeinschaftsverpflegung am Verkaufsort verpackt werden oder 3. im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt und nicht zur Selbstbedienung angeboten werden,“
ist gemäß § 4 Abs. 2 LMIDV keine Angabe von MHD oder VD nötig. Insoweit kann ein solches Datum nach Art. 36 und Art. 37 LMIV dennoch freiwillig bereitgestellt werden. Gemäß Art. 36 Abs. 1 LMIV muss ein freiwillig bereitgestelltes MHD oder VD aber den Anforderungen von Art. 24 LMIV entsprechen, sodass wiederum die durch TTI nicht zu leistende konkrete Datumsangabe notwendig ist.
33 Siehe nur Bülte, in: Behr‘s Kommentar zum Lebensmittelrecht, Editorial zur 34. Akt.; Schreiner, DLR 2020, 1; Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung, hrsg. v. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Stand: Februar 2019; Europäische Kommission, Date marking and food waste, abrufbar unter ec.europa.eu/food/safety/food_waste/eu_actions/date_marking_en; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Mindesthaltbarkeitsdatum, Ausarbeitung v. 28.8.2019, Az. WD 5 – 3000 – 077/19, S. 17–21. 34 Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 24 Rn. 20. 35 Vgl. Meisterernst, § 9 Rn. 64–65; Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 24 Rn. 18. 36 Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 24 Rn. 20. 37 Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 24 Rn. 39, Grube, in: Voit/Grube, Art. 24 Rn. 56. 38 Grube, in: Voit/Grube, Art. 24 Rn. 20. 39 Wallau/Martell, LMuR 2017, 118