Strafrecht Besonderer Teil. Группа авторов

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oder -verschärfend, sondern schränkt lediglich den Bereich des zu Bestrafenden aus kriminalpolitischen Gründen ein […].«[405]

      234Es ist sogar möglich, dass derjenige, der die schwere Folge in Notwehr und damit straflos herbeigeführt hat, später wegen ihres Vorliegens selbst nach § 231 StGB bestraft wird. Der BGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, es bestünde keine Veranlassung, »denjenigen, der sich schuldhaft an einer Schlägerei beteiligt, nur deshalb straflos zu lassen, weil die – allein auf ihre Ursächlichkeit hin zu untersuchende – von ihm herbeigeführte objektive Bedingung der Strafbarkeit der Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs diente. Notwehr beseitigt die Rechtswidrigkeit, wo es auf sie ankommt. Ist allein die Ursächlichkeit von Bedeutung, spielt Notwehr keine Rolle. Eine allgemeine Bedeutung dahin, jegliches Tun in jeglicher Beziehung zu erlauben, sofern es nur der Abwehr eines lebensbedrohenden Angriffs dient, kommt § 32 StGB nicht zu.«[406]

      235|104|Nach Auffassung des BGH genügt es für die Strafbarkeit nach § 231 StGB auch, wenn die schwere Körperverletzung oder Tötung bereits eingetreten war, als der Beschuldigte begann, sich an der Schlägerei zu beteiligen[407] oder wenn sie erst eingetreten ist, als der Beschuldigte seine Beteiligung bereits beendet hatte.[408]

      236Tab. 7: Prüfungsaufbau § 231 StGB

      8. Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB)

      237Nach dem Mitte 2013 eingeführten Straftatbestand des § 226a StGB wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft (Verbrechen!), wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt. Der Anwendungsbereich der Norm ist auf die äußeren Genitalien beschränkt[409], um medizinisch indizierte Eingriffe an inneren Organen wie der Gebärmutter oder den Eierstöcken von vornherein auszunehmen.[410] Durch die Verwendung des Begriffs der »weiblichen Person« sind sowohl Mädchen als auch erwachsene Frauen vom Schutzbereich der Norm umfasst. Systematisch handelt es sich um eine Qualifikation des § 223 StGB.[411]

      238|105|Anlass für die Einführung des neuen Straftatbestandes ist die weltweit, vor allem in afrikanischen Ländern noch heute praktizierte Tradition, die äußeren Geschlechtsorgane von Mädchen und Frauen zu »beschneiden«. Durch Migrationsbewegungen aus den entsprechenden Ländern kommt es auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu derartigen Eingriffen[412]. Belastbare Zahlen über dieses Phänomen existieren nicht, allerdings schätzt die Hilfsorganisation »Terre des Femmes«, dass 2012 knapp 6.000 Mädchen und junge Frauen in der Bundesrepublik von Genitalverstümmelung bedroht waren.[413] Die Einführung des § 226a StGB wurde zum Teil kritisiert, da angesichts der anwendbaren §§ 223ff. StGB keine Schutzlücke bestünde und es sich u.a. deshalb um rein symbolisches (und damit eigentlich überflüssiges) Strafrecht handele.[414]

      239Die Weltgesundheitsorganisation unterscheidet vier Formen der Genitalverstümmelung: Die teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris und /oder der Klitorisvorhaut; die teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris und der inneren Schamlippen mit oder ohne Beschneidung der äußeren Schamlippen; die Verengung der Vagina mit Bildung eines deckenden Verschlusses, indem die inneren und /oder die äußeren Schamlippen aufgeschnitten und zusammengefügt werden sowie alle weiteren Verletzungen der weiblichen Genitalien, die nicht medizinisch begründet sind, z.B. das Einstechen, Durchbohren, Einschneiden oder Abschaben von Genitalgewebe und das Ausbrennen oder Verätzen der Klitoris.[415] Sämtliche dieser Erscheinungsformen fallen unter den Gesetzesbegriff des Verstümmelns.[416] Er wird definiert als das gewaltsame Kürzen, schwere Verletzen, Entstellen oder übel Zurichten der äußeren Genitalien.[417] Von vornherein nicht erfasst sein sollen hingegen Intim-Piercings oder Schönheitsoperationen an den äußeren Geschlechtsorganen.[418]

      240Die Rechtswidrigkeit könnte bei der Genitalverstümmelung – wie bei allen Körperverletzungsdelikten – wegen der Einwilligung der betroffenen Person gem. § 228 StGB entfallen. Erziehungsberechtigte können aber nicht wirksam einwilligen, da die Verstümmelung gegen das Kindeswohl verstößt (vgl. § 1631 Abs. 2BGB).[419] Den Minderjährigen selbst fehlt es an der erforderlichen Einsichtsfähigkeit.[420] Bei volljährigen, freiwillig einwilligenden Frauen müsste hingegen ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 228 StGB) vorliegen, |106|um trotz Einwilligung die Rechtswidrigkeit zu bejahen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Genitalverstümmelungen stets sittenwidrig sind, begründet dies aber nicht weiter.[421] Berücksichtigt man die herrschende Auslegung des § 228 StGB in anderen Zusammenhängen, überzeugt diese Position nicht. Zu Recht wird für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit primär auf das objektivierbare Kriterium der (Lebens)Gefährlichkeit der Verletzungshandlung abgestellt. Eine Genitalverstümmelung ist aber – jedenfalls wenn sie von einem Arzt durchgeführt wird – regelmäßig nicht lebensgefährlich. In solchen Fällen lässt eine Einwilligung der Betroffenen daher die Strafbarkeit entfallen.[422]

      9. Leitentscheidungen

      241LG Berlin, BeckRS 2010, 02070[423]; Durchsetzung der Ordnungsmaßnahme einer Lehrerin durch Ergreifen des Schülers; Züchtigungsrecht; Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB: Eine Lehrkraft weist ihren Schüler an, wegen seines Fehlverhaltens den Raum zu verlassen. Nachdem der Schüler dem nicht nachkommt, packt sie ihn am Arm und führt ihn aus dem Klassenzimmer. Durch den Griff entstanden Hämatome und der Schüler erlitt Schmerzen. – Das LG Berlin lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da die Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB nicht überschritten sei. Zudem habe es sich nicht um eine Züchtigung gehandelt, sondern um die Durchsetzung einer Ordnungsmaßnahme.

      242BayObLG, NJW 1999, 372; Sittenwidrigkeit einer Einwilligung in die Körperverletzung durch Dritte: Das Aufnahmeritual einer Jugendgang besteht darin, dass der Anwärter sich zwei Minuten lang von drei Gangmitgliedern schlagen und treten lassen muss. Der Bewerber darf sich wehren und jederzeit einen Abbruch des Rituals verlangen. Ein 15-jähriger unterzog sich dieser Behandlung freiwillig, um in die Gang aufgenommen zu werden, und erlitt erhebliche Verletzungen. Die Gangmitglieder hatten auch gegen den Kopf getreten und nicht mit den Attacken aufgehört, als der 15-jährige bereits am Boden lag. – Das BayObLG ging davon aus, dass die Tat sittenwidrig und damit gem. § 228 StGB nicht einwilligungsfähig war. Das Ritual sei insbesondere nicht vergleichbar mit einem sportlichen Wettkampf, da der 15-jährige den drei Tätern massiv unterlegen gewesen sei und es an Schutzvorrichtungen gefehlt habe.

      243BGHSt 53, 55[424];Einwilligung in Todesgefahr hat keine rechtfertigende Wirkung: Vier junge Männer verabreden sich zu einem illegalen Autorennen auf einer vierspurigen Bundesstraße. Sie fahren mit zwei Autos, jeder ist abwechselnd Fahrer oder Beifahrer. Bei einem sehr riskanten Überholmanöver kommt es zu einem schweren Unfall, einer der Männer, der auf dem Beifahrersitz |107|saß, stirbt. – Der BGH bejahte eine fahrlässige Tötung. Er stellt zunächst fest, dass es sich nicht um eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung handelte (dann entfiele die objektive Zurechenbarkeit des Taterfolgs), da der Verstorbene als Beifahrer nicht die Herrschaft über das Geschehen hatte. Auch eine Rechtfertigung gem. § 228 StGB komme nicht in Betracht, weil eine Einwilligung in eine Todesgefahr gegen die guten Sitten verstoße und unwirksam sei. Dafür sei es unerheblich, dass die Todesgefahr sich sogar realisiert hatte.

      244BGH NStZ 2006, 506[425]; Stoffe des alltäglichen Bedarfs als andere gesundheitsschädliche Stoffe iSd. § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Ein vierjähriges Mädchen schüttet versehentlich Salz statt Zucker in seinen Pudding. Zu »erzieherischen Zwecken« zwingt seine Mutter es, den Pudding dennoch zu essen. Sie weiß nicht, dass Kochsalz bereits ab einer niedrigen Dosierung zum Tode führen kann. Das Mädchen stirbt an der Kochsalzvergiftung. – Das Landgericht hatte die Mutter lediglich wegen einfacher Körperverletzung

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