Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Группа авторов

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Daneben ist es seit jeher Grundlage der Rechtslehre, die den Gewohnheitsrechten kaum Beachtung schenkt. Dies führt D. auf die räumlich-zeitliche Universalität des römischen Rechts zurück, das für ihn wegen seiner Einfachheit als die „raison écrite“ das Idealbild des Rechts darstellt. Gleichwohl muss D. erkennen, dass trotz dieser großen Bedeutung kaum Kenntnisse des römischen Rechts bei seinen Anwendern vorhanden sind, was er zum einen auf die Sprachschwierigkeiten im Umgang mit den lateinischen |115|Texten, zum anderen auf die Unordnung innerhalb des corpus iuris civilis zurückführt. Sein Ziel ist es daher, ein Werk in französischer Sprache zu schaffen, das der Systematisierung und der Generalisierung des römischen Rechts dient. Damit eröffnet er im Geiste des Zeitalters der Vernunft eine neue Richtung in der Rechtslehre.

      Im „Traité des lois“, den D. als Einleitung den „Lois civiles“ voranstellte, legt er die Methode dar, nach der er die natürliche Ordnung zu gewinnen gedenkt; der Hauptteil ist dann nur noch die praktische Anwendung der zuvor aufgestellten Prinzipien. Als Grundlage dient das „corpus iuris“ Justinians als das von der Logik geprägte römische Recht. Dieses ist aber auf der Suche nach den Prinzipien der Gesetze durch die christlichen Ideale zu ergänzen, deren Fehlen D. als Grund der Unordnung betrachtet. Er sieht das Gebot der Nächstenliebe als Grundlage der menschlichen Beziehungen im christlichen Glauben an und macht es zu dem ordnenden Prinzip, das auch das Recht beherrschen muss, denn dieses ist ja nur ein Teil des Ganzen. Auf der Grundlage dieser religiösen Gesellschaftstheorie versucht D. also, Philosophie und Recht zu vereinigen.

      Bei der Ausarbeitung des „ordre naturel“ wählt D. eine Methode, die sich von den bisher bekannten grundsätzlich unterscheidet. Für ihn kommt es bei der Auslegung einer Gesetzesvorschrift weder, wie für die französische historische Schule (→ CujasCujas, Jacques (Cuiacius, Jacobus) (1520–1590)), auf die Entstehungszeit, noch, wie bei den Glossatoren (→ IrneriusIrnerius (vor 1100–1125), → AccursiusAccursius (um 1185–1263)), auf den Wortsinn an. Er hält sich vielmehr an den natürlichen Sinngehalt und die offensichtliche Logik der Texte, da er die Vernunft als Grundlage der Gerechtigkeit sieht. Sodann nimmt er einen Vergleich mit den christlichen und philosophischen Wertvorstellungen vor und schließt die diesen Grundgedanken widersprechenden Sätze aus. Die Ordnung der so gewonnenen Gesetze bemisst sich schließlich danach, ob ihnen eine unverzichtbare und absolute Gerechtigkeit zugrunde liegt, die einen eigenen unumstößlichen Wert darstellt, oder ob in ihnen lediglich eine von den Menschen selbst gegebene Ordnung zu Tage tritt. Dabei bedient D. sich fast mathematischer Methoden. Er legt eine Zweiteilung des Rechts in die Gebiete Vertragsrecht und Erbrecht zu Grunde und schließt nach seinem strengen Schema von den generellen Regeln als den Axiomen auf die speziellen Rechtssätze und schließlich auf deren Ausnahmen. Auf diese Weise erlangt er eine Ordnung, die universellen Bestand beanspruchen kann, da sie die „raison“ des römischen Rechts mit den ordnenden Prinzipien der christlichen Philosophie verbindet und die elementaren Grundsätze des Rechts offenlegt.

      |116|Nach Abschluss dieses umfangreichen Werkes, das er in seiner großen Bescheidenheit nur mit Zögern und nach ständigen Aufforderungen publiziert, begibt sich D. daran, eine ebensolche Ordnung auch im öffentlichen Recht herzustellen. Dieser Versuch, der auch wegen seiner Gebundenheit an die jeweiligen staatlichen Gegebenheiten nicht die Bedeutung des privatrechtlichen Werkes erlangt hat, bleibt jedoch unvollendet. Gleichwohl macht er eine grundlegende Trennung dieser Rechtsgebiete deutlich.

      Mit den „Lois civiles“ erzielte D. einen beachtlichen Erfolg und fand in seiner Zeit allgemeine Anerkennung, die sich in hohen Auflagen und einigen Übersetzungen im benachbarten Ausland niederschlug. Prägend wurde das Werk besonders für das gesetzgeberische Wirken des Chancelier → d’AguesseauD’Aguesseau, Henri-François (1668–1751), der die Endphase der Entstehung miterlebt hat. Doch angesichts der sinkenden Bedeutung des christlichen Denkens gerieten D. und seine Lehre bald weitgehend in Vergessenheit. Die Kritik, die „Lois civiles“ seien ein Rückschritt hinter die Arbeiten der französischen historischen Schule, da D. dem römischen Recht eine Systematik unterstelle, die tatsächlich nicht gegeben sei, wird der Originalität des Werkes, das mit seinen klaren Strukturen, der Ergründung des Geistes des Rechts und der Entwicklung von Interpretationsregeln gerade mehr ist als eine bloße Sammlung von Gesetzestexten, aber nicht gerecht. Gleichwohl ist zweifelhaft, wie der Anteil D.s an den späteren großen Kodifikationen und insbesondere am Code civil einzustufen ist. Der Code civil basiert in erster Linie auf den Kodifikationen des 18. Jahrhunderts und den Werken → PothiersPothier, Robert-Joseph (1699–1772), doch ist ein mittelbarer Einfluss D.s nicht zu verkennen, zumal er mit der Systematik der „Lois civiles“ die späteren Kodifikationen inspiriert hat, und auch → PothierPothier, Robert-Joseph (1699–1772) in dieser Nachfolge schreibt. Daher ist der „Traité des lois“ oft als Vorwort des Code civil bezeichnet worden, und das Fortwirken des römischen Rechts im Code civil wird mit Recht ebenso D. zugeschrieben, wie die Formulierung vieler grundlegender Artikel und die Lehren zur Causa, zur Haftung und zur Privatautonomie.

      Wie die von ihm sorgsam herausgearbeiteten Prinzipien des Rechts bezeichnet D. bereits das römische Recht wegen seiner Orientierung an der Vernunft als „droit naturel“. Im Gegensatz zu anderen bedeutenden Naturrechtlern des 17. Jh.s wie → GrotiusGrotius, Hugo (Huig de Groot) (1583–1645) gründet D. sein Naturrecht vor allem auf die christliche Offenbarung. So widerspricht seine Auffassung vom Naturrecht auch nicht dem Absolutismus; vielmehr führt sie zu dessen Verteidigung und zu der uneingeschränkten Akzeptanz der Monarchie. Das Naturrecht erlangt seine Gültigkeit auch ohne |117|Pu blizität. Die königlichen Gesetze hingegen können als „volonté de Dieu“ nicht gegen das Naturrecht verstoßen und bestehen somit unabhängig neben diesem. D. beweist sich insoweit als loyaler Untertan im Zeitalter Louis XIV. und als Vertreter der Werte seiner Zeit. Der Primat der Vernunft und die strenge Logik Descartes’ ziehen sich durch das Werk des „Restaurateurs der Vernunft in der Jurisprudenz“.

      Hauptwerke: Traité des loix. Les loix civiles dans leur ordre naturel, 3 Bde., 1689/1694. Neuaufl. 1702 (1 Bd.), Ndr. 1777. – Le droit public, 1697 als 4. und 5. Band der „Loix civiles“. – Legum delectus, 1700, als 6. Band der „Loix civiles“. – Les harangues, 1657–1683, ab 1735 in Gesamtausgaben.

      Literatur: A.-J. Arnaud: Imperium et Dominium: Domat, Pothier et la codification, in: Droits. Revue française de théorie juridique, 22 (1995), 55–66. – B. Baudelot: Un grand jurisconsulte du XVII. siècle: Jean Domat, Diss. iur. Paris, 1938. – P. Berhardeau: Vies, portraits et parallèlles des jurisconsultes Domat, Furgole et Pothier, 1789. – V. Cousin (Hrsg.): Documents inédits sur Domat, in: Journal des savants, 1843, 5–18 und 76–93. – B. Edelman: Domat et la naissance du sujet de droit, in: Archives de philosophie du droit 39 (1994), 389–419. – J.L. Gazzaniga: Domat et Pothier. Le contrat à la fin de l’Ancien Régime, in: Droits. Revue française de théorie juridique, 12 (1990), 37. – D. Gilles: La pensée juridique de Jean Domat (1625–1696), Diss. iur. Aix-Marseille, 2004. – Ders.: Claude-Joseph Ferrière et Jean Domat. Deux regards sur le droit romain, in: Les représentations du droit romain en Europe aux Temps modernes, Aix-en-Provence, 2007, 71–111. – Ders.: Jean Domat avocat du roi et jurisconsulte auvergnat, in: Les juristes en Auvergne du Moyen Age au XIXe siècle, 2009, 129–177. – Ders.: Les Lois civiles de Jean Domat, prémices des Codifications? Du Code Napoléon au Code civil du Bas Canada, in: Revue juridique Thémis, 2009, 2–49. – J. Ghestin: Jean Domat et le Code civil français, in: Scritti in onore di Rodolfo Sacco: la comparazione giuridica alle soglie del 3e millennio, 1994, Bd. I, 533–557. – S. Goyard-Fabre: César a besoin de dieu ou la loi naturelle selon Jean Domat, in: H. Méchoulan (Hrsg.): L’État classique, 1996, 149–160. – Dies.: La philosophie du droit de Jean Domat ou la convergence de l’ordre naturel et de l’ordre rationnel, in: Justice et Force: Politiques au temps de Pascal, Actes du Colloque de Clermont 1990, 1996, 187–207. – U. Jahn: Die „subtilité du droit romain“ bei Jean Domat und Robert-Joseph Pothier, Diss. iur. Frankfurt a.M.,

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