Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Kurt E. Böhme
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Zu Schäden an beförderten Sachen vgl. Rn. 303.
309
Die Beförderung beginnt mit dem Einsteigen und endet mit dem Aussteigen.[5] Der Fahrgast muss also den Wagen vollständig verlassen haben. Nach Aussteigen des Fahrgastes (aus Taxi) ist eine Fürsorgepflicht ihm gegenüber nur noch bei erkennbaren Ausfallerscheinungen (nicht bei 2,17 ‰ Alkohol) gegeben.[6]
b) Bei unentgeltlicher Beförderung
310
Jeder Insasse hat gegenüber dem Halter des ihn befördernden Kfz Anspruch aus § 7 StVG. Der Insasse muss sich die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs nicht anrechnen lassen.
Die Haftung kann aber durch einseitigen Verzicht oder durch Vertrag ausgeschlossen oder durch ein eigenes Mitverschulden der Insassen gemindert werden.
Wegen der Erweiterung der Gefährdungshaftung auf unentgeltlich beförderte Mitfahrer hat die Frage nach dem Bestehen eines Haftungsverzichts der Insassen bzw. eines vertraglichen Haftungsausschlusses besondere Bedeutung erlangt.
aa) Haftungsverzicht
311
Bei einer Gefälligkeitsfahrt ist i.d.R. kein stillschweigender Haftungsverzicht anzunehmen. Nur in Ausnahmefällen, und dann auch lediglich bei leichter Fahrlässigkeit, ist denkbar, von einem Haftungsverzicht des Insassen auszugehen.[7] Das OLG Hamm hat eine stillschweigende Haftungsbegrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit angenommen, wenn bei einer Gefälligkeitsfahrt und Vorliegen mehrerer Gründe für ein besonderes Haftungsrisiko des Fahrers eine Person verletzt wird.[8] Das OLG Koblenz hat einen stillschweigenden Haftungsverzicht angenommen, wenn es sich um eine Gefälligkeitsfahrt in einem Land mit Linksverkehr gehandelt hat und der Unfall auf die fehlende Gewöhnung an den Linksverkehr zurückzuführen ist.[9] Dass der Insasse aus reiner Gefälligkeit mitgenommen wurde, ist kein Rechtfertigungsgrund dafür, ihm Schadensersatzansprüche zu versagen.[10] Bei gemeinsamer Anmietung und Nutzung eines Fahrzeuges im Ausland kann sich aus der Auslegung der Absprache zur Anmietung und Führen des Fahrzeugs ein stillschweigender Haftungsverzicht für einfache Fahrlässigkeit des Fahrers ergeben, wenn der Mitmieter bei einer gemeinsamen Fahrt verletzt wird.[11]
312
Nahe Verwandtschaftsverhältnisse, die im häuslichen Bereich zu einem Haftungsausschluss führen können oder einen Haftungsverzicht als gegeben erscheinen lassen, wie etwa § 1359 BGB zwischen Ehegatten oder nach § 1664 Abs. 1 BGB zwischen Eltern und Kindern, sind im heutigen Straßenverkehr mit seiner Ausdehnung und Gefährlichkeit nicht mehr haftungsausschließend oder haftungsbeschränkend zu berücksichtigen.[12] Härten, die in Fällen der Beteiligung von Dienstfahrzeugen für die Verletzten auftreten konnten, sind nach der neueren Rechtsprechung zu § 839 BGB im Rahmen des Straßenverkehrs nicht mehr zu befürchten.[13]
313
Auch gefahrerhöhende Umstände, wie die Teilnahme an einer Zuverlässigkeitsfahrt[14] oder die Fahrt mit einem noch unerfahrenen Führerscheininhaber bei extremen winterlichen Verhältnissen,[15] lassen nicht den Schluss darauf zu, dass die mitgenommenen Fahrgäste auf Schadensersatzansprüche verzichten wollen.
bb) Vertraglicher Haftungsausschluss
314
Zwischen Fahrer und Insassen können vertragliche Haftungserleichterungen vereinbart werden.[16] Scheidet eine vertragliche Haftungsfreistellung aus, so ist ein evtl. Haftungsausschluss oder eine Haftungsminderung zu prüfen.[17]
Bei Minderjährigen setzt ein wirksamer vertraglicher Haftungsausschluss oder eine Haftungsminderung die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters voraus. Grenzen ergeben sich zudem aus §§ 138, 242 BGB und bei formularmäßigen Erklärungen aus der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen (z.B. § 309 Nr. 7a BGB).
cc) Mitverschulden des Fahrgastes
315
Der BGH stellt dem Verschulden des Fahrers das mögliche Mitverschulden des Insassen gegenüber, wenn dieser von der mangelnden Verkehrstauglichkeit des Fahrzeugs oder der beeinträchtigten Verkehrstüchtigkeit des Fahrers weiß und trotzdem mitfährt. Ebenso, wenn er die Aufmerksamkeit des Fahrers ablenkt.[18] Ein solches Mitverschulden i.S.v. § 254 BGB kann zu einer Minderung der Schadensersatzansprüche des Fahrgastes führen.[19] Bei Minderjährigen allerdings ist auf die Fähigkeit, die Gefährlichkeit ihres Verhaltens zu erkennen und entsprechend zu handeln, abzustellen.[20] Für Schadenfälle ab dem 1.8.2002 ist § 828 Abs. 2 BGB zu beachten, wonach Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr hinsichtlich Unfällen mit Kraftfahrzeugen deliktsunfähig sind und sie deswegen auch kein Mitverschulden bezüglich der eigenen Ansprüche treffen kann.
316
Voraussetzung eines Mitverschuldens des Insassen ist der vom Versicherer zu führende Nachweis, dass der Geschädigte die Gefahrenlage erkannte oder erkennen konnte.[21] Daran fehlt es, soweit nicht Alkohol in Gegenwart des Verletzten übermäßig getrunken wurde,[22] wenn sich der Fahrer vor Antritt der Fahrt unauffällig verhalten und keine Zeichen von Angetrunkenheit oder sonstiger Unsicherheit gezeigt hat.[23] Begründete Zweifel an der Fahrtüchtigkeit des Fahrers rechtfertigen sich auch nicht aus der Kenntnis, dass der Fahrer Alkohol getrunken hatte und die Atemluft nach Alkohol roch.[24] Hier würde u.a. auch auf die Höhe der Blutalkoholkonzentration abzustellen sein.[25] Jedoch besteht auch bei 1,8 ‰ kein Erfahrungssatz, dass ein Mitfahrer die Trunkenheit erkennen konnte.[26] Ein Mitverschulden des Fahrgastes kann auch darin liegen, dass er aufgrund seines Alkoholgenusses die Gefährlichkeit nicht mehr erkennen konnte.[27] Der Nachweis eines Mitverschuldens ist nicht geführt, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass der Geschädigte im Einverständnis mit dem (späteren) Fahrer nur deshalb in den Pkw einstieg, um vor einem Platzregen Schutz zu suchen und auf ein Taxi zu warten, und dann der Fahrer, nachdem er eingeschlafen war, eigenmächtig losgefahren ist.[28] Stellte der Fahrgast erst während der Fahrt eine Alkoholisierung des Fahrers fest, so z.B. durch kurzzeitiges Abkommen von der Fahrbahn, muss er den Fahrer zum Anhalten auffordern, um dessen Pkw verlassen zu können.[29] Wer sich als Beifahrer nach einer gemeinsamen Zechtour, bei der erhebliche Alkoholmengen getrunken wurden, dem erkennbar fahruntüchtigen Fahrzeugführer anvertraut, von dem er weiß, dass er keinen Führerschein besitzt, handelt auf eigene Gefahr und hat keinen Schadensersatzanspruch.[30]
317
Ein Mitverschulden ist beim Mitfahren auf dem Gepäckträger eines Kraftrades zu bejahen.[31] Dem Soziusfahrer kann es als Mitverschulden angerechnet werden, wenn er entweder die Fahrweise des Motorradfahrers ungünstig beeinflusst hat oder er mit dessen unsicherer Fahrweise rechnen musste.[32] Das ist z.B. dann der Fall, wenn ein Motorradfahrer sein Fahrzeug einem 17-Jährigen ohne Führerschein überlässt und als Sozius zu Schaden kommt.[33]
Da der Fahrer grundsätzlich selbst die Verantwortung für die Führung des Fahrzeuges trägt,[34] ist der Fahrgast in seinem eigenen Interesse nur dann verpflichtet, den Fahrer während der Fahrt zu einer angemessenen Fahrweise anzuhalten, wenn dessen Fahrweise ersichtlich zu einer Gefährdung des Fahrgastes führt.[35]
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