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Polizei.Wissen - Группа авторов Polizei.Wissen / Themen politischer Bildung

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Matter Bewegung, kann eine erhebliche Störung des polizeilichen Autoritätsverständnisses eintreten, die sich in Abwehr- und Selbstbehauptungsreflexen der Polizei Gestalt geben kann. Um ansatzweise zu verstehen, warum und wie das Feld Polizei auf einen angenommenen Autoritätsverlust reagiert, ist es notwendig, sich mit den feldspezifischen (Habitus-)Merkmalen und deren Ausformungen zu befassen. Die für Autoritätskonstruktionen relevanten Merkmale des soszialen Raumes Polizei sind im nachfolgenden Feld-Habitus-Modell von Maartin Herrnkind überblicksartig zusammengefasst (Umfassend Herrnkind 2021). Im folgenden werden (symbolische) Macht, Gewalt und Gender exemplarisch betrachtet. Aufgrund der Heterogenität des Feldes Polizei prägen sich die Merkmale überaus komplex aus. Eine vollständige Differenzierung kann hier nicht geleistet werden (Ausführlich zum Feld siehe Schöne, 2011).

      2. Sozialer Raum Polizei – Merkmale des (Berufs-)Feldes

      2.1. Symbolische Macht als Autoritäts-Reproduktionssystem

      Die (symbolische) Macht determiniert als eine Art Generalbass alle anderen (Feld-)Merkmale und kann als zentrales Element polizeilicher Autorität verstanden werden oder das, was Bourdieu (2004, S. 457) auch Autoritäts-Reproduktionssystem nannte. Gegenüber den BürgerInnen ist das Feld Polizei dabei analog zum Staat „der ideale Ort für die Konzentration und Ausübung von symbolischer Macht“. Mit anderen Worten: „Wenn der Staat in der Lage ist, symbolische Gewalt auszuüben, dann deshalb, weil er sich zugleich in der Objektivität verkörpert, nämlich in der Form spezifischer Strukturen und Mechanismen, und in der »Subjektivität« oder, wenn man so will, in den Köpfen, nämlich in Form von mentalen Strukturen, von Wahrnehmungs- und Denkschemata.“ (Bourdieu, 1998, S. 109). Der Staat hat zum Schutze der Gemeinschaft dabei das Gewaltmonopol inne und delegiert es im Inneren an die Polizei und ihre AkteurInnen als verkörperte staatliche Objektivität.

       „Die symbolische Macht determiniert als eine Art Generalbass alle anderen (Feld-)merkmale und kann als zentrales Element polizeilicher Autorität verstanden werden.“

      Dieses Monopol auf Gewalt ist durch das Feld Polizei und seine AkteurInnen nicht erfolgreich praktizierbar, ohne das angesprochene symbolische Kapital an Legitimation und Anerkennung. Oder anders: „Die Sprache der Autorität regiert immer nur dank der Kollaboration der Regierten, das heißt mit Hilfe sozialer Mechanismen zur Produktion jenes auf Verkennung gegründeten Einverständnisses, das der Ursprung jeder Autorität ist“ (Bourdieu, 1990, S. 79). Die meisten BürgerInnen übernehmen im Prozess der (unmerklichen) Aneignung und Anerkennung staatlicher Strukturen und Praxen das in staatlichen Konstruktionen, staatlichen Werten und Normen manifestierte Denken des Staates, legen ihm Wert bei, anerkennen seine spezifische Logik und Legitimation und statten das Feld Polizei so über Bande auch mit symbolischem Kapital und damit (staatlicher) Autorität aus (vgl. analog Bourdieu, 1998, S. 108ff.). Da es „keine symbolische Macht ohne eine Symbolik der Macht“ (Bourdieu, 1990, S. 55) gibt, geht die polizeiliche Inszenierung auch mit feldspezifischen Ausstattungskapitalien einher, wobei erst der beschriebene Glaube der Bevölkerung an die staatliche Autorität die polizeilichen Symbole überhaupt legitimiert. So Uniformierung, Dienstausweise, Bewaffnung, Einsatzfahrzeuge oder polizeiliche Dienststellen. Diese uniformieren die polizeilichen Akteure nicht nur, sondern trennen die Welt Polizei distinktiv von der umgebenden Gesellschaft. Ihre entscheidende Aufgabe ist die Präsentation und Repräsentation der Stärke und Macht des Feldes Polizei. Und damit die Sicherung staatlicher Autorität.

       „Im Habitus der Polizei wird die Gesellschaft mit dem dazugehörigen Argwohn resp. Verdachtsstrategien zweigeteilt: In die Guten und die Bösen.“

      2.2 Gewalt & Argwohn

      Die Bedingungen, unter denen die polizeilichen Feldakteure auf die Spielarten der symbolischen (Handlungs-)Macht zurückgreifen, folgen der spezifischen Logik des symbolischen (Gewalt-)Kapitals. Oder anders: Das Feld Polizei als manifester Teil des staatlichen Gewaltmonopols generiert durch seine Strukturen Zugzwänge für das Denken, Wahrnehmen und Handeln seiner AkteurInnen. So müssen alle polizeilichen AkteurInnen individuell ein Verhältnis zu den „universalen [...] Grundlagen polizeilicher Gewalt“ (Behr, 2006, S. 186) entwickeln. Sie müssen gewaltbereit, dürfen aber nicht gewaltaffin sein. Gewalt als Herrschaftsform im Feld Polizei bewegt sich dabei zugleich gegenwärtig und verschleiert zwischen den Polen von barer physischer Gewalt und komplexer symbolischer Gewalt (vgl. analog Bourdieu, 1993, S. 230f.). Im Habitus der Polizei wird die Gesellschaft mit dem dazugehörigen Argwohn resp. Verdachtsstrategien zweigeteilt: In die Guten und die Bösen. Die Polizei steht als Thin Blue Line dazwischen, schützt die Guten“ und wacht argwöhnisch (und machtvoll) über die Bösen. Potenziell renitente Personen werden von den Feldakteuren als symbolische Angreifer (Skolnick) wahrgenommen. Sie erhöhen das subjektive Berufsrisiko und sind gleichsam eine Bedrohung für die erfolgreiche kollektive Inszenierung innerer Sicherheit und staatlicher Autorität. Fast immer, wenn die symbolische (Handlungs-)Macht zur Aufgabenerfüllung nicht ausreicht oder als nicht ausreichend wahrgenommen wird, greift die Polizei auf den Einsatz manifester Gewalt zurück. Für Hüttermann (2004, 232f.) fügen sich die den polizeilichen Habitus prägenden Komponenten, „... nicht zum polizeitypischen Ganzen, wenn die Aura potentieller, beliebig eskalierbarer Gewaltanwendung fehlt“. Und weiter: „Das Amtscharisma eines Polizisten beruht so gesehen in letzter Instanz auf seiner Fähigkeit, in einer Konfliktsituation überlegene Gewalt zu entfesseln und, wenn für notwendig befunden, die überlegene, das Gewaltpotential des Einzelakteurs vervielfältigende Reaktion des polizeilichen Gesamtkörpers zu mobilisieren“ (ebd., 233). Da „Autorität stets als Eigenschaft der Person“ (Bourdieu, 1993, S. 234) wahrgenommen wird, ist hinsichtlich einer erfolgreichen (Praxis-) Performance das rechtmäßige resp. von den BürgerInnen als rechtmäßig oder gerecht empfundene Handeln der polizeilichen Akteure auf der Vorderbühne des Feldes von enormer Bedeutung (vgl. analog Goffman, 2000, 77). Rechtswidrige polizeiliche Praxen, wie bspw. racial profiling, bergen die Gefahr der teilweisen Delegitimierung der Nutzung staatlicher Rechte und Titel durch die polizeilichen AkteurInnen. Und stellen damit staatliche Autorität in Frage. Fehlverhalten wird daher von den InhaberInnen der herrschenden (Feld-)Positionen in der Regel als individuelles Versagen und nicht als Systemfehler postuliert. In summa steht die Autorität der polizeilichen AkteurInnen stellvertretend für die Autorität der formellen Gruppe Polizei und kann, “[...] auf Dauer nur durch Handlungen bestehen, die sich nach den von der Gruppe anerkannten Werten richten und diese Autorität so immer wieder bestätigen“ (Bourdieu, 1993, S. 236).

      2.3 Gender

      Das Geschlecht ist für Bourdieu ein sozial konstruiertes Ordnungsprinzip, das die Habitus der sozialen Akteure entscheidend bestimmt. Die Polizei ist trotz eines Frauenanteils von ca. 3o % als geschlechtsstrukturierter Raum traditionell und gegenwärtig ein Feld der institutionalisierten männlichen Herrschaft. Sie wird bestimmt durch einen männlichen Wettstreit, den Aspekte der Autorität und Ehre als symbolisches Kapital prägen. Dabei lastet die feldspezifische „Ehrenmoral ... auf jedem mit dem Gewicht aller anderen Gruppenmitglieder“ (Bourdieu, 1993, S. 203), ist also nicht nur eine Ausprägung der Kollegialität, sondern auch ein Handlungszwang, der in Kameraderie münden kann. Und der im formellen und informellen Statusgefüge der Gruppe Polizei ständig abgefordert und gleichsam verstärkt wird (vgl. auch Hüttermann, 2004, S. 242). Im Habitus spezifischer Feldakteure bzw. Klassenfraktionen lässt sich denn auch das nachweisen, was als hegemoniale Maskulinität oder Kriegermännlichkeit (siehe Behr, 2000; Schöne 2011: 218, 364) bezeichnet wird. Zudem wird Polizeiarbeit in einer Art gesellschaftlicher Rückkopplung auch von weiten Teilen der Bevölkerung noch immer als typisch männliche Aufgabe angesehen. Die meisten verbalen und nonverbalen habituellen Praktiken des Feldes sowie das Autoritäts-Reproduktionssystem sind auch deshalb so krisenstabil vom Prinzip der männlichen Herrschaft geprägt. Und von Stärkedemonstrationen durchsetzt, mit denen die männlichen Feldakteure anderen zeigen und sich selbst bestätigen (wollen), dass sie Männer sind. In einigen Unterfeldern ist sogar eine Grundangst vor Verweiblichung und einem damit verbundenen Autoritätsverlust spürbar. So in Sondereinsatzkommandos oder der Bereitschaftspolizei.

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