Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich
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Die vorstehend skizzierte Akzessorietät ist auch ansonsten für das Verhältnis der kernstrafrechtlichen Delikte gegen Leib und Leben zu den Vorschriften des AMG und der VO (EU) Nr. 536/2014 kennzeichnend: So führt etwa die Einhaltung der in §§ 40, 41 AMG bzw. §§ 40a, 40b AMG n.F. und Art. 28 ff. der VO (EU) Nr. 536/2014 normierten probandenschützenden Vorgaben im Bereich der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit[203] dazu, dass die Durchführung der Studie grundsätzlich als Eingehung eines erlaubten Risikos zu bewerten ist,[204] während bei einem Verstoß gegen die vorbezeichneten Vorschriften auch die Schwelle der rechtlich missbilligten Gefahr überschritten wird. Für die Strafbarkeit des Prüfers ist dann allerdings noch genauer zu erörtern, ob auch die übrigen Zurechnungsvoraussetzungen (insbesondere der Pflichtwidrigkeits- und der Schutzzweckzusammenhang[205]) gegeben sind.[206] Schließlich erfahren die allgemeinen Grundsätze, nach denen sich die Wirksamkeit der Einwilligung in Körperverletzungen gemäß §§ 223 ff. StGB bestimmt,[207] für den Bereich der klinischen Prüfung eine Konkretisierung durch die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 AMG (bzw. zukünftig in § 40b AMG n.F. und Art. 29 der VO (EU) Nr. 536/2014) normierten Anforderungen an die Aufklärung und die Einwilligung des Probanden.[208]
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Neben den kernstrafrechtlichen Vorschriften der §§ 211 ff., 223 ff. StGB finden je nach dem Charakter des Forschungsvorhabens verschiedene Regelungen des Nebenstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts Anwendung.[209] Von praktischer Bedeutung waren dabei bereits in der Vergangenheit v.a. § 96 Nr. 10 und 11 AMG, die als Blankettnormen Verstöße gegen die §§ 40, 41 AMG sanktionieren und dabei als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet sind.[210] § 96 Nr. 10 AMG richtet sich primär an den Prüfer[211] und bedroht die Durchführung einer klinischen Prüfung i.S.d. § 4 Abs. 23 AMG mit gesunden Probanden mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe, wenn
- | die vorhersehbaren Risiken und Nachteile der klinischen Prüfung gegenüber dem Nutzen für die Person, bei der sie durchgeführt werden soll, und der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde ärztlich nicht vertretbar sind (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG), |
- | das Arzneimittel aus einem gentechnisch veränderten Organismus oder einer Kombination von gentechnisch veränderten Organismen besteht oder solche enthält und nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der klinischen Prüfung unvertretbare schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit Dritter zu erwarten sind (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a AMG),[212] |
- | gegen die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 und Abs. 2a AMG normierten Anforderungen an die Aufklärung und Einwilligung des Probanden verstoßen wurde, |
- | der Proband auf gerichtliche oder behördliche Anordnung in einer Anstalt untergebracht ist (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG), |
- | die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG normierten Anforderungen an die Qualifikation des Prüfers nicht eingehalten werden, |
- | keine dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende pharmakologisch-toxikologische Prüfung des Arzneimittels durchgeführt worden ist (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG), |
- | keine den Anforderungen gemäß § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG genügende Probandenversicherung abgeschlossen wurde oder |
- | gegen die Vorschriften für die klinische Prüfung bei Minderjährigen gemäß § 40 Abs. 4 AMG verstoßen wurde.[213] |
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Darüber hinaus pönalisiert das Sonderdelikt[214] des § 96 Nr. 11 AMG den Beginn der klinischen Prüfung eines Arzneimittels durch den Sponsor entgegen § 40 Abs. 1 S. 2 AMG. Da die Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB gemäß Art. 1 Abs. 1 EGStGB auch im Nebenstrafrecht Anwendung finden, sind nur vorsätzliche Verstöße gegen § 96 Nr. 10, 11 AMG strafbar (vgl. § 15 StGB).[215] Die fahrlässige Begehung einer in § 96 Nr. 10 und 11 AMG bezeichneten Handlung wird demgegenüber in § 97 Abs. 1 Nr. 1 AMG lediglich als Ordnungswidrigkeit eingestuft;[216] gleiches gilt nach § 97 Abs. 2 Nr. 9 AMG für Verstöße gegen die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 AMG normierte Informationspflicht und nach § 97 Abs. 2 Nr. 31 AMG für Verstöße gegen die auf der Grundlage des § 42 Abs. 3 AMG erlassene GCP-Verordnung. Die Strafbarkeit nach § 96 Nr. 10, 11 AMG steht zu einer Strafbarkeit nach den allgemeinen Körperverletzungs- und Tötungsdelikten in Tateinheit;[217] hingegen wird bei gleichzeitigem Vorliegen einer Straftat und einer Ordnungswidrigkeit nach § 97 AMG nur das Strafgesetz angewendet (vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG).
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Durch das 4. AMG-ÄndG haben auch die Strafvorschriften in § 96 Nr. 10 und 11 AMG eine redaktionelle Anpassung an die Änderungen in den §§ 40 ff. AMG n.F. erfahren. Darüber hinaus finden sich strafbewehrte Verstöße gegen Vorschriften, die nicht mehr im AMG, sondern in der VO (EU) Nr. 536/2014 geregelt sind, zukünftig in § 96 Nr. 21 AMG n.F.[218]
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Die örtliche Anwendbarkeit des § 96 AMG alter und neuer Fassung richtet sich nach dem Strafanwendungsrecht des StGB; dort sind für den vorliegend erörterten Zusammenhang insbesondere § 7 Abs. 2 und § 9 StGB von Bedeutung. Danach kann sich ein deutscher Sponsor oder Prüfer, der im Ausland eine klinische Prüfung durchführt, die den Voraussetzungen der §§ 40 ff. AMG bzw. der VO (EU) Nr. 536/2014 nicht entspricht, gemäß § 96 Nr. 10, 11, 21 AMG strafbar machen, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB; sog. passives Personalitätsprinzip[219]). Für den Tatbeteiligten, der die Studie im Ausland durch eine Tätigkeit im Inland unterstützt, gilt das Strafbarkeitsrisiko gemäß § 96 Nr. 10, 11, 21 AMG hingegen selbst dann, wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist (§