Strafrecht für die Polizei. Bijan Nowrousian
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So entsteht ein Prüfungsschema:
Prüfungsschema Vorsatzdelikt:
Objektiver Tatbestand
(= Tatbestandsmerkmale der konkreten Norm)
Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
Rechtswidrigkeit
Schuld
Damit das „Dann“ (Rechtsfolge) eintritt, müssen alle Elemente des „Wenn“ erfüllt sein, also alle Elemente des Prüfungsschemas. Fehlt auch nur eines, ist der Täter nach der geprüften Norm nicht strafbar!
Beachte also: Das „Wenn“ für die Rechtsfolge „wird bestraft“ steht nicht nur in einem Paragrafen.
Prüfungsschemata für vorsätzliche Delikte werden mithin wie folgt „gebastelt“:
Den objektiven Tatbestand entnehmen Sie dem jeweiligen Straftatbestand, indem Sie alle Tatbestandsmerkmale aus der jeweiligen Norm herausfinden und zusammentragen. Der objektive Tatbestand ist daher von Straftatbestand zu Straftatbestand unterschiedlich.
Als Nächstes ergänzen Sie die Punkte „subjektiver Tatbestand“, „Rechtswidrigkeit“ und „Schuld“. Diese sind für alle (vorsätzlich-vollendeten) Straftatbestände gleich.
Dies sei an der folgenden Norm illustriert:
Prüfungsschema § 303 StGB:
Objektiver Tatbestand:
–Sache–fremd–beschädigen oder–zerstören
Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
Rechtswidrigkeit
Schuld
Sie können so aus jedem Tatbestand ein vollständiges Prüfungsschema „herstellen“!
Prüfungsschemata und Subsumtionen werden Sie Ihr gesamtes Berufsleben lang begleiten. Denn bevor Sie als Schutz- oder Kripobeamter entscheiden, welche Maßnahmen Sie treffen wollen, müssen Sie immer zuerst klären, wie das Geschehene überhaupt rechtlich zu werten ist. Dazu müssen Sie unter Normen, die in Betracht kommen, also juristisch gesprochen, „einschlägig sind“, subsumieren.
Wie bei einer Fremdsprache, die man irgendwann sicher beherrscht, werden Sie dies oft nur im Kopf in Sekunden machen. Aber falls Sie mit sehr komplexen Sachverhalten oder mit Ihnen neuen Normen zu tun haben, kann die rechtliche Einordnung auch in der Praxis durchaus mal recht „schulmäßig“ vorgenommen werden müssen.
So oder so gilt aber: Sie prüfen rechtlich, bevor Sie handeln. Denn Sie sind Polizeibeamter und nicht nur Laie in Uniform!
Schemata und Definitionen sind bei alledem keineswegs nur eine umständliche Förmelei. Sie dienen der Rechtssicherheit – und damit letztlich dem Freiheitsschutz. Denn ihr Zweck ist, eine Technik zu haben, mit der sich der Anwendungsbereich einer Norm so präzise wie möglich und damit so willkürfrei wie möglich bestimmen lässt. So soll erreicht werden, dass es nicht vom konkreten Richter abhängt, was am Ende strafbar ist und was nicht, sondern sich dies allgemein und im Voraus klären lässt. Schemata und Definitionen haben also eine zentrale rechtsstaatliche Funktion: Sie dienen dem Willkürschutz!
c.„Keine Strafe ohne Gesetz“
Lässt sich ein Verhalten unter kein (zum Tatzeitpunkt geltendes) Gesetz subsumieren, ist es straflos. Denn es gilt der eherne Grundsatz: Keine Strafe ohne Gesetz! Dies findet sich auch ausdrücklich in § 1 StGB, folgt aber auch aus der Idee des Rechtsstaats. Nachträglich geschaffene Straftatbestände, die ein zur Tatzeit noch strafloses Verhalten erfassen würden, können daher auch nicht rückwirkend angewandt werden, sondern nur für Täterverhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem die neue Norm in Kraft tritt. Es gilt also auch ein Rückwirkungsverbot. Der Sinn ist, dass der Bürger immer sicher wissen können muss, was er jetzt und hier darf und was unter Strafe verboten ist. Rückwirkende „Überraschungen“ darf es daher nicht geben.
d.Gutachtenstil
Die Abarbeitung des Prüfungsschemas erfolgt in einem bestimmten, streng festgelegten Aufbau und Stil, der Gutachtenstil heißt.
Der Stil verlangt die Prüfung auf folgende Art in vier Schritten:
•Hypothese: Hier benennen Sie das Tatbestandsmerkmal, unter das Sie subsumieren wollen.•Definition: Hier stellen Sie dar, wie das Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist.•Subsumtion: Hier erfolgt dann die eigentliche Prüfung, ob das Sachverhaltselement dem Tatbestandsmerkmal entspricht.•Ergebnis: Hier stellen Sie fest, ob das Tatbestandsmerkmal erfüllt ist oder nicht.
Im „Briefkasten-Fall“ aus dem Beginn des Buches klingt dies dann so (was kursiv und in Anführungszeichen ist, ist im Folgenden das, was Sie in der Klausur hinschreiben würden, wenn auch dort natürlich ohne Anführungszeichen):
„Der B könnte sich einer Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB strafbar gemacht haben, indem er den Briefkasten des S demoliert hat.“
Das ist die Einleitung der Prüfung des Straftatbestands, also hier der Sachbeschädigung. Sie nennen das Delikt mit Paragrafennummer und mit der Bezeichnung sowie – mit nur einem Satz – was passiert ist.
Sodann beginnen Sie mit dem Abarbeiten des Prüfungsschemas von oben nach unten, also zunächst mit dem objektiven Tatbestand. Sie schreiben als (Zwischen-)Überschrift:
„Objektiver Tatbestand:“
Hier genügt dieses Schlagwort ohne Fließtext.
Sodann sind die Tatbestandsmerkmale durchzuprüfen – und dies nun nacheinander für jedes Merkmal im Gutachtenstil, also im Fließtext der oben beschriebenen Art.
„Der Briefkasten müsste eine Sache gewesen sein.“
Das ist im Fall für das erste Tatbestandsmerkmal, dass Sie prüfen – Sache – die Hypothese, die Sie klären wollen.
„Sachen sind körperliche Gegenstände.“
Das ist die Definition des Begriffs „Sache“.
„Der Briefkasten war aus festem Material und somit ein körperlicher Gegenstand.“
Das ist ihre Subsumtion. Hier ist diese denkbar einfach.
In Prüfung und Praxis können hier aber erhebliche Probleme liegen, die es zu lösen gilt; dazu später mehr. Schon hier aber ein wichtiger Hinweis: Die Subsumtion darf sich nicht einfach in einer Wiederholung der Definition erschöpfen! Es wäre zu wenig, einfach nur zu schreiben: „Der Briefkasten war ein körperlicher Gegenstand“. Sie müssen vielmehr – und sei es auch kurz – erläutern, warum das TB-Merkmal erfüllt ist (bzw. nicht erfüllt, wenn dies der Fall sein sollte).
„Der