Der Dritte Weg in der Retrospektive. Julia Brandt
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Grundstein dieses noch heute bestehenden Berufsverbandes war der 1905 gegründete Küsterverein des Kreises Düren, der sich im Anschluss an die seit 1877 bzw. 1893 bestehenden Berufsgemeinschaften „Unterstützungsverein römisch-katholischer Küster der Diözesen von Rheinland und Westfalen“ und „Allgemeiner Deutscher Organistenverein“ bildete, um „mit allen Berufskollegen gemeinsam das Ziel, dem Kirchenangestelltenstand eine höhere Bewertung zu geben, erreichen zu können“.247 1909 konstituierte sich dann die Vereinigung „römisch-katholischer Küster Preußens e.V.“, die sich zu einer anerkannten Standesgemeinschaft entwickelte, ehe der Erste Weltkrieg und die ihm folgende Inflation den Zusammenschluss in mehrere Gruppen zerfielen ließen. Als die Bischofskonferenz 1922 die Besoldung der Kirchenangestellten den staatlichen Besoldungsgruppen anpasste, bekam die Vereinigung neuen Auftrieb: 1924 schlossen sich die einzelnen Gruppen über die Diözesen von Rheinland und Westfalen hinaus zum „Zentralverband deutscher katholischer Kirchenbeamten e.V. Sitz Düsseldorf“ zusammen. Anders als der Name andeuten mag, vertrat der Verband nicht „Beamte“ im heutigen öffentlich-rechtlichen Sinn. Der Begriff „Kirchenbeamter“ wurde damals vielmehr häufig benutzt, ohne dass damit das Verständnis im Sinne des herkömmlichen Beamtenrechts gemeint war. Insoweit stellte bereits Zahn klar: „Dem katholischen Kirchenrecht ist der Begriff des Kirchenbeamten fremd; wenn daher auf innerkirchlichem Gebiet vom Kirchenbeamten gesprochen wird, handelt es sich nicht um einen Rechtsbegriff, der etwa eine kirchenrechtliche Stellung der betreffenden Person ausdrücken soll, sondern um eine Bezeichnung aus dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens. Der Ausdruck Kirchenbeamter wird innerkirchlich sowohl für die Träger jeden Kirchenamtes gebraucht, wie auch beschränkt auf die Kirchendiener, die kein Kirchenamt im eigentlichen Sinn bekleiden.“248 Die Nutzung des Beamtenbegriffs im Sinne des herkömmlichen Beamtenrechts wird in der Sprache der staatlichen und kirchlichen Gesetzgebung der zwanziger Jahre nur für den evangelischen Bereich verwendet.249 Der Begriff Beamter ist, wie Löhr250 zeigt, zu dieser Zeit weder ein rechtlicher noch ein eindeutiger Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich um Beamte im Sinne des öffentlichen Beamtenrechts handelt. Hinzu kommt, dass die katholische Kirche, anders als die evangelische Kirche, nur in geringem Umfang von der Anstellung Beamter Gebrauch gemacht hat und macht, so bestanden 1925 in der verfassten evangelischen Kirche 38.160 Statusverhältnisse, in der verfassten katholischen Kirche zur selben Zeit 16.395 Statusverhältnisse.251
Der Zentralverband blieb auch während der Herrschaft der Nationalsozialisten bestehen und es gelang, seine Gleichschaltung und sein Aufgehen in der Deutschen Arbeitsfront zu vermeiden. Durch einen Erlass der deutschen Bischöfe wurde er 1934 zum „Reichsverband der deutschen katholischen Kirchenangestellten“ erweitert, ihm sollten alle kirchlichen Laienangestellten beitreten. Dazu zählten: Küster, Organisten, Küster-Organisten, Chorleiter, hauptamtliche Rendanten und sonstige an den Kirchen hauptamtlich tätige männliche Personen, ferner Laienangestellte bei den Bischöflichen Ordinariaten, den Gesamt- und Gemeindeverbänden und den kirchlichen Instituten sowie die hauptamtlich im Kirchendienst tätigen Musiker. Für die Anstellung im Kirchendienst sollte ab dem 1. Januar 1937 die Mitgliedschaft im Reichsverband Voraussetzung sein, sie war Gegenstand des Arbeitsvertrages.252 In Zusammenarbeit mit dem Reichsverband erarbeiteten einige Diözesen Rechtsgrundlagen für Anstellung und Altersversorgung, die zur Regelung der Dienstverhältnisse der Kirchenangestellten dienten. In der Zentrale des damaligen Reichsverbandes in Essen waren die Formblätter für die Verträge zu erwerben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte der Reichsverband seinen Namen in „Zentralverband katholischer Kirchenangestellter Deutschlands (ZKD)“ und blieb als Berufsverband aktiv. So nahm er insbesondere in Nordrhein-Westfalen Einfluss auf die Anfang der 1970er Jahre von den Bistümern Aachen, Köln, Münster, Paderborn und Essen beschlossene Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO).253 1971 schlossen der Arbeitskreis der Diözesen in NRW (Vorgänger der Personalwesenkommission) und der ZKD einen Vertrag zur Bildung des „Arbeitskreises für berufliche und arbeitsrechtliche Belange der Kirchenangestellten“.254 1975 bildeten der ZKD und die Diözesen NRW eine „Ständige Kommission für berufliche und arbeitsrechtliche Belange der Kirchenangestellten“, welche in Fragen der KAVO und Fragen sonstiger vergütungs-, arbeits-, und sozialrechtlicher Art verhandelte.255 Bis heute besteht der Verband und ist am Dritten Weg im Bereich der Diözesen in Nordrhein-Westfalen durch das Entsendungsrecht von Mitgliedern unmittelbar am Verfahren der Regional-KODA beteiligt.256
4.Zwischenergebnis
Kollektive arbeitsrechtliche Instrumente entstanden außerhalb der Kirche zu einer Zeit, als die Kirchen erst in geringem Umfang mittels privatrechtlicher Arbeitsverträge Mitarbeiter rekrutierten und einstellten.257 Bis auf den Angestelltenausschuss und den Betriebsrat beim Caritasverband sowie einzelne Versuche, Tarifverträge in der verfassten katholischen Kirche durchzusetzen, sind bei beiden Akteuren keine weiteren, insbesondere flächendeckenden Maßnahmen und Initiativen im Hinblick auf die Etablierung kollektiver arbeitsrechtlicher Elemente während der Zeit der Weimarer Republik bekannt. Trotz der Etablierung kollektiver arbeitsrechtlicher Instrumente im weltlichen Bereich blieb es in katholischer Kirche und Caritas bei der einseitigen Festsetzung der Arbeitsbedingungen durch den jeweiligen Arbeitgeber.
Sofern hier vereinzelte Mitbestimmungsmaßnahmen aufgezeigt werden konnten, so hat sich zur Zeit der Weimarer Republik, weder im weltlichen noch im kirchlichen Bereich, eine kollektive Regelungsfindung im Arbeitsrecht flächendeckend durchgesetzt. So schreibt Löhr Anfang der 1930er Jahre: „…es ist eben seit unvordenklicher Zeit Brauch, daß der Kirchenvorstand oder der Pfarrer diese Gebühren der Kirchendiener festsetzt. Das erkennt der Kirchendiener an und unterwirft sich dem, wenn er mit dem Kirchenvorstande den Anstellungsvertrag schließt“.258 Da die neu geschaffenen staatlichen Regelungen unstreitig auch auf die Kirchen und ihre Einrichtungen Anwendung finden sollten, wurden zu dieser Zeit auch keine eigenen Regelungen zum kollektiven Arbeitsrecht von Caritas und verfasster katholischer Kirche geschaffen, an denen man sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs hätte orientieren können. Auch das in der Weimarer Reichsverfassung verankerte Selbstbestimmungsrecht ist zu diesem Zeitpunkt nicht als Grundlage für die Entscheidung, welche Dienste es in kirchlichen und caritativen Einrichtungen in welcher Rechtsform geben soll, interpretiert worden. Erst viel später entwickelte sich dieses Argument.259
168§ 147 PKV: [1] Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. [2] Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche. [3] Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; eine Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.
169Unruh in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art.137 WRV, Rn. 2.
170Gusy, 100 Jahre Weimarer Verfassung, S. 24; zu den einzelnen Landesverfassungen Wittreck, Weimarer Landesverfassungen.
171Dazu näher Wittreck, Weimarer Landesverfassungen, Einl. S. 23 f.
172Gusy, 100 Jahre Weimarer Verfassung, S. 24.
173Arleth, Das Recht kirchlicher Arbeitnehmer auf Streik, S. 73; Heinig, Prekäre Ordnungen, S. 35 ff.
174Hillgruber, KuR 2018, 4 m.w.N.
175Art. 137 Abs. 5 WRV; Hillgruber, KuR 2018, 4 mwN; Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik, S.3 f.
176Hillgruber, Kur 2018, 4 m.w.N.
177Jeand`Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, § 3, Rn. 30.
178Jeand`Heur/Korioth,