Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht. André-M. Szesny

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Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht - André-M. Szesny

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Die rechtsgeschäftliche sowie die gesetzlich fingierte Zustellungsvollmacht wirkt so lange wie die Verteidigervollmacht selbst. Sie endet in dem Zeitpunkt, in dem die Beendigung des Mandatsverhältnisses aktenkundig geworden ist.[297] - Die BaFin als Verwaltungsbehörde hat ein Wahlrecht, ob sie den Bußgeldbescheid an den Betroffenen oder an dessen Verteidiger zustellt.[298] Wird an den Betroffenen zugestellt, erhält der Verteidiger gem. § 51 Abs. 3 S. 3 OWiG eine formlose Abschrift des Bußgeldbescheids. Zu empfehlen ist demgegenüber, den Bußgeldbescheid in der Regel an den Verteidiger zuzustellen, da die Zustellung durch Empfangsbekenntnis einfach und kostensparend (keine PZU) durchgeführt werden könne.[299] In diesem Fall wäre dem Betroffenen eine formlose Abschrift des Bescheides mitzuteilen, § 51 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 OWiG.

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      Auch der betroffenen Gesellschaft muss der Bußgeldbescheid als Nebenbeteiligte im einheitlichen bzw. selbstständigen Verfahren zugestellt werden, §§ 88 Abs. 3, 87 Abs. 2 S. 2 OWiG. Nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 6 Abs. 2 VwZG werden Zustellungen (und Ladungen) an jeden gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft bewirkt, der nicht durch Gesellschaftsvertrag oder durch gerichtliche Anordnung von der Vertretung ausgeschlossen ist, auch wenn er nicht allein vertretungsberechtigt ist.[300]

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      Wird im einheitlichen Verfahren der Bußgeldbescheid an die betroffene Gesellschaft zugestellt, ist die Zustellung nach der Rechtsprechung auch dann wirksam, wenn als deren gesetzlicher Vertreter das geschäftsleitende Organ bezeichnet wird, das wegen seiner Betroffenenstellung als Vertreter der Nebenbeteiligten ausscheidet.[301] Etwaige Interessenkollision im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und deren gesetzlichen Vertreter führen nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung.[302] Diese können bei dolosem Verhalten des gesetzlichen Vertreters lediglich Schadensersatzansprüche auslösen.[303] Etwas anderes folgt auch nicht aus der Vorschrift des § 178 Abs. 2 ZPO (über § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 3 Abs. 2 VwZG anwendbar),[304] die nur für den Fall der Ersatzzustellung gilt und nicht für die hier einschlägige Zustellung an den gesetzlichen Vertreter nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 6 Abs. 2 VwZG.[305]

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      Um gleichwohl mögliche Problemlagen für die nebenbeteiligte Gesellschaft zu vermeiden, die aus der wirksamen Zustellung an das von der Vertretung ausgeschlossene Leitungsorgan entstehen können (z.B. Einlegung eines möglicherweise unwirksamen Einspruchs durch das betroffene Leitungsorgan), empfiehlt sich das folgende Vorgehen: Ist die Zustellung an einen anderen gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft nicht möglich (etwa im Fall des alleinvertretungsberechtigten Organs), sollte der Bußgeldbescheid entweder an den anwaltlichen Beistand der Nebenbeteiligten – der ggf. aus diesem Grund zuvor noch zu bestellen sein wird (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 428 Abs. 2 StPO)[306] – zugestellt werden. Oder die Zustellung des Bußgeldbescheids wird an den Passivvertreter der Gesellschaft bewirkt; im Fall einer Aktiengesellschaft also an ein Mitglied des Aufsichtsrats (vgl. § 78 Abs. 2 S. 2 AktG). Entsprechend § 78 Abs. 2 S. 3 AktG wäre der Bußgeldbescheid an die im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift der Gesellschaft zu richten.

I. Einvernehmliche Verfahrensbeendigung (Settlement)

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      Die von der Wertpapieraufsicht der BaFin geführten Bußgeldverfahren können durch einvernehmliche Verfahrensbeendigung (sog. Settlement) frühzeitig beendet werden. Derartige Absprachen setzt die BaFin bereits seit vielen Jahren als Instrument zur Beschleunigung von Bußgeldverfahren bei der Ahndung von Kapitalmarktordnungswidrigkeiten ein.[307] Parallel zur Verschärfung des Sanktionsregimes und der Einführung neuer Ordnungswidrigkeitentatbestände durch den europäischen Gesetzgeber hat die Bedeutung der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Das Settlementverfahren spielt eine maßgebende Rolle bei der Beendigung von Bußgeldverfahren durch die BaFin[308]: In ca. dreiviertel der im ersten Halbjahr 2019 abgeschlossenen Bußgeldverfahren wurden die Geldbuße im Rahmen einer Verständigung festgesetzt[309].

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      Die Möglichkeit, ein Bußgeldverfahren vorzeitig im Einvernehmen zu beenden, folgt aus dem Opportunitätsprinzip nach § 47 Abs. 1 OWiG. Es liegt demnach im Ermessen der BaFin, ob sie sich mit dem Betroffenen des Bußgeldverfahrens über eine bestimmte Geldbuße verständigt. Der Betroffene des Verfahrens hat keinen Rechtsanspruch auf Abschluss einer Settlementvereinbarung. Die Wertpapieraufsicht zeigt sich aber zu Gesprächen grundsätzlich bereit, soweit sie der Verfahrensförderung dienen.[310] Eine Verständigung kann zu einer Bußgeldreduzierung bis zu 30% führen, abhängig davon, wie weit das Bußgeldverfahren fortgeschritten ist.[311] Die Höhe der gesettleten Geldbuße ist somit abhängig vom Zeitpunkt der Einigung im Verfahren und stets eine Einzelfallentscheidung.

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      Das Settlement in einem behördlichen Verfahren und die Voraussetzungen dafür sind einfachgesetzlich nicht geregelt. Die Vorschriften der StPO zur Verständigung (insb. § 257c StPO) sind für das Verfahren unter Beteiligung eines Strafgerichts ausgelegt.[312] Gleichwohl finden die Regelungen im Grundsatz auch im behördlichen Bußgeldverfahren Beachtung.[313]

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      Die Voraussetzungen und Regeln für eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung folgen vor allem rechtstaatlichen Grundsätzen[314], den Prozessmaximen des Bußgeldverfahrens und dem allgemeinen (Straf-)Zumessungsrecht[315]. Eine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen darf daher nicht unterbleiben.[316] Die Pflicht zur „behördlichen“ Erforschung der materiellen Wahrheit und das Finden einer gerechten und angemessen Sanktion bleibt auch im Rahmen eines Settlements bestehen[317]: Liegen Verfahrenshindernisse wie die Verjährung vor oder kann der objektive oder subjektive Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nicht nachgewiesen werden, ist das Verfahren zwingend nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Eine Settlementvereinbarung wäre unzulässig.[318]

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      Anders als im Strafverfahren, wo Gegenstand der Vereinbarung lediglich eine Ober- und Untergrenze der Strafe sein darf (§ 257c Abs. 3 S. 2 StPO), dürfen sich die Verfahrensbeteiligten im Bußgeldverfahren auf eine „Punktsanktion“ (also eine der Höhe nach genau bestimmte Geldbuße) verständigen.[319] Das entspricht auch der Ahndungspraxis der BaFin. Dem Betroffenen wird in der Regel eine konkrete Geldbuße in Aussicht gestellt, die die BaFin beabsichtigt, im Falle eines Settlements festzusetzen. Die Settlementvereinbarung enthält also grundsätzlich keine Unter- und Obergrenze („von bis zu“) der in Betracht kommenden Geldbuße, wie es in § 257c Abs. 3 S. 2 StPO vorgesehen ist.

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      Dem „behördlichen“ Settlementverfahren vorgeschaltet ist die Einleitung des Bußgeldverfahrens durch die BaFin. Ferner setzt der Abschluss eines Settlements

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