Öffentliche Finanzwirtschaft. Thomas Sauerland
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Im Jahr 2019, dem Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, leisteten die öffentlichen Haushalte in Deutschland, d. h. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen, Ausgaben in Höhe von knapp 1.500 Mrd. € und erzielten Einnahmen in Höhe von 1.540 Mrd. €.[1] Das entspricht einer Staatsquote (Staatsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) von rund 45 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen die enorme Bedeutung der öffentlichen Finanzen für die deutsche Volkswirtschaft. Die Ausgaben des Bundes beliefen sich dabei auf knapp 400 Mrd. €.
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Im Jahr 2020 stiegen die Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushalts auf 1.680 Mrd. € an. Aufgrund dieses Anstiegs und einer rückläufigen Wirtschaftsleistung kletterte die Staatsquote im Jahr 2020 auf 51,3 Prozent. Nach verschiedenen Prognosen wird die Staatsquote 2021 sogar auf über 53 Prozent zunehmen, bevor sie 2022 wieder zurückgehen dürfte. Der Bund allein plant für das Jahr 2021 Ausgaben in Höhe von knapp 548 Mrd. €. Das Volumen öffentlicher Aufträge in Deutschland wird von der OECD auf 500 Mrd. € pro Jahr geschätzt. Den größeren Teil der Staatsausgaben machen jedoch Transferzahlungen aus. Dazu gehören insbesondere Sozialleistungen.
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Nach dem Finanzwissenschaftler Richard A. Musgrave kommen dem Staat die Aufgaben Allokation, Distribution und Stabilisierung zu. Diese Aufgaben kann er zwar nicht ausschließlich, aber doch zu großen Teilen über die Finanzpolitik erreichen. Bei der Allokationspolitik sollen Produktionsfaktoren effizient und zur Herstellung von Gütern verwendet werden, die den Wünschen der Konsumenten entsprechen. In Fällen von Marktversagen kann es erforderlich werden, dass der Staat öffentliche Güter, wie z. B. die innere und die äußere Sicherheit, bereitstellt. Dafür werden Ausgabemittel in ausreichender Höhe benötigt. Bei der Distributionspolitik geht es um Verteilungsfragen, etwa die Bereitstellung einer sozialen Mindestsicherung oder Einkommensumverteilung durch eine progressive Einkommensteuer. Die Sozialausgaben sind in Deutschland von besonderer Bedeutung.
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Stabilisierungspolitik wird definiert als Summe aller Maßnahmen zum Erreichen eines makroökonomischen Gleichgewichts. In diesem Sinne ist auch die Forderung in Art. 109 Abs. 2 GG zu verstehen, wonach Bund und Länder „den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung“ tragen sollen. Das Erreichen dieses Gleichgewichts kann gemessen werden auf Grundlage der vier in § 1 StWG genannten Ziele:
–Hoher Beschäftigungsstand,–Preisniveaustabilität–stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum sowie–außenwirtschaftliches Gleichgewicht.
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In einer Wirtschaftskrise, wie z. B. der Finanzkrise der Jahre 2008/09, kann der Staat durch die Erhöhung seiner Ausgaben, aber auch durch die Übernahme zusätzlicher Bürgschaften für Unternehmenskredite versuchen, das Erreichen der Ziele positiv zu beeinflussen. Eine Wirtschaftskrise geht naturgemäß mit negativem Wirtschaftswachstum einher. Entfalten die zusätzlichen Staatsausgaben die gewünschten Multiplikatoreffekte, wird der Wirtschaftseinbruch abgeschwächt oder sogar ganz verhindert.
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In einer Pandemie sind die Umstände insofern anders, als eine Zunahme wirtschaftlicher Aktivität gerade nicht erreicht werden soll. Stattdessen sollen durch die Ausnahmesituation in wirtschaftliche Not geratene Menschen unterstützt und an sich „gesunde“ Unternehmen und Beschäftigungsverhältnisse über das Ende der Pandemie hinaus erhalten werden. Auch für diese Rettungsmaßnahmen sind höhere Staatsausgaben und Gewährleistungen für Kredite erforderlich.
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Als Folge einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung werden regelmäßig weniger Arbeitskräfte benötigt, sodass das Ziel eines hohen Beschäftigungsstands gefährdet würde. Durch eine Steigerung des Wirtschaftswachstums können zusätzliche Staatsausgaben den Anstieg der Arbeitslosigkeit indirekt dämpfen. Möglich sind auch unmittelbar beschäftigungssichernde Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld.
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Die Hauptverantwortung für die Preisniveaustabilität liegt bei der Zentralbank mit ihren geldpolitischen Befugnissen. Durch eine Erhöhung der Leitzinsen und eine Verknappung des Geldangebotes kann die Zentralbank inflationäre Tendenzen bekämpfen. Kommt es in einer Wirtschaftskrise jedoch zu einem Preisverfall, wird das Ziel der Preisniveaustabilität „von unten“ verfehlt. Eine Deflation kann sich schnell verfestigen und die Ziele Wachstum und Beschäftigung in einer Art „Negativspirale“ noch weiter gefährden. In einer solchen Situation sind die Möglichkeiten der Zentralbank, die Geldmenge und damit das Preisniveau zu erhöhen, beschränkt. Denn bei ungünstig eingeschätzter Rückzahlungswahrscheinlichkeit werden die Geschäftsbanken nur wenige Kredite vergeben und die Unternehmen bei schlechten Absatzerwartungen nur wenige Kredite nachfragen. In diesem Fall könnte eine zusätzliche staatliche Nachfrage auch ein Absinken des Preisniveaus bremsen und damit möglicherweise eine Deflationsspirale verhindern.
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Nach Auffassung vieler Ökonomen haben sich schuldenfinanzierte staatliche Ausgabensteigerungen in der Finanzkrise 2008/09 bewährt, während Sparmaßnahmen erhebliche negative Multiplikatorwirkungen entfaltet haben. Auch durch die massive staatliche Unterstützung ist die deutsche Volkswirtschaft bislang vergleichsweise glimpflich durch die Corona-Pandemie gekommen. Insolvenzen und Massenarbeitslosigkeit sind bisher ausgeblieben. Konjunkturpolitisch motivierte Ausgabenprogramme bleiben unter Volkswirten insbesondere in Deutschland jedoch höchst umstritten. Über die Notwendigkeit steigender Staatsausgaben in Katastrophensituationen besteht demgegenüber ein breiterer Konsens.
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Die kommenden gesellschaftlichen Herausforderungen wie die Digitalisierung und die Dekarbonisierung gehen mit einem erheblichen öffentlichen Investitionsbedarf einher. Zudem wird der demografische Wandel dazu führen, dass die Ausgaben in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Pensionszahlungen an Ruhestandsbeamte stetig steigen werden. Die bereits heute große Bedeutung der öffentlichen Finanzen wird daher in Zukunft weiter zunehmen.
II. Rechtliche Grundlagen der öffentlichen Finanzwirtschaft
1. Haushaltsrecht als Teilgebiet des öffentlichen Rechts
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Das Haushaltsrecht berechtigt und verpflichtet ausnahmslos Träger hoheitlicher Staatsgewalt. Es ist deshalb ein Teilgebiet des öffentlichen Rechts. Das öffentliche Recht besteht aus dem
–Verfassungsrecht,–Verwaltungsrecht,–Europarecht und–Völkerrecht.
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Vorschriften über die Haushaltswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland finden sich in allen Rechtsgebieten. Von besonderer Bedeutung sind das Finanzverfassungsrecht und das Verwaltungsrecht.
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Das Verwaltungsrecht gliedert sich in das Allgemeine und das Besondere Verwaltungsrecht.
–Das Allgemeine Verwaltungsrecht umfasst diejenigen Regelungen, Grundsätze und Rechtsbegriffe, die übergreifend für alle Bereiche der Verwaltung maßgebend sind. Hierzu gehören vor allem die Bestimmungen über den Verwaltungsaufbau und die Verwaltungsorganisation, über die Handlungsformen der Verwaltung, das Verwaltungsverfahren, die Verwaltungsvollstreckung und die Staatshaftung.
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–Das Besondere Verwaltungsrecht hingegen betrifft spezielle Verwaltungsbereiche, die meistens in