Ein Kampf um Rom. Felix Dahn
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»Der letzte. Er und noch viel mehr Gothelindis, sein kluges, aber böses Gemahl, die stolze Baltentochter, hassen aufs gründlichste die Regentin. Er, weil sie seiner maßlosen Habsucht, mit der er all seiner Nachbarn Grundbesitz an sich zu reißen sucht, entgegentritt: sie, aus Gründen, die ich nicht entdecken konnte, ich glaube, sie reichen in die Mädchenzeit der beiden Fürstinnen zurück — genug, ihr Haß ist tödlich. Diese beiden nun haben mir zugesagt, dir in jeder Weise Italien zurückgewinnen helfen zu wollen; ihr genügt es, scheint’s, die Todfeindin vom Thron zu stürzen, er freilich fordert reichen Lohn.«
»Der soll ihm werden.«
»Seine Hilfe ist deshalb wichtig, weil er schon halb Tuscien besitzt — das Adelsgeschlecht der Wölsungen hat den andere Teil — und spielend in unsre Hände bringen kann, dann aber, weil er, wenn Amalaswintha fällt, ihr auf den Thron zu folgen Aussicht hat. Hier sind Briefe von ihm und von Gothelindis. Aber lies vor allem das Schreiben der Regentin — ich glaube, es ist sehr wichtig.«
FÜNFZEHNTES KAPITEL
Der Kaiser zerschnitt die Purpurschnüre der Wachstafel und las: »An Justinian, den Imperator der Römer, Amalaswintha, der Goten und Italier Königin!«
»Der Italier Königin«, lachte Justinian, »welch verrückter Titel!«
»Durch Alexandros, deinen Gesandten, wirst du erfahren, wie Eris und Ate in diesem Lande hausen. Ich gleiche der einsamen Palme, die von widerstreitenden Winden zerrissen wird. Die Barbaren werden mir täglich feindseliger, ich ihnen täglich fremder, die Römer aber, soviel ich mich ihnen nähere, werden mir nie vergessen, daß ich germanischen Stammes. Bis jetzt habe ich entschlossenen Geistes allen Gefahren getrotzt: jedoch ich kann es nicht länger, wenn nicht wenigstens mein Palast, meine fürstliche Person vor der Überraschung drängender Gewalt sicher ist. Ich kann mich aber auf keine der Parteien hier im Lande unbedingt verlassen.
So ruf ich dich, als meinen Bruder in der königlichen Würde, zu Hilfe. Es ist die Majestät aller Könige, die Ruhe Italiens, dies es zu beschirmen gilt.
Schicke mir, ich bitte dich, eine zuverlässige Schar, eine Leibwache« der Kaiser warf einen bedeutsamen Blick auf Belisar —, »eine Schar von einigen tausend Mann mit einem mir unbedingt ergebenen Anführer: sie sollen den Palast von Ravenna besetzen, er ist eine Festung für sich. Was Rom betrifft, so müssen jene Scharen mir vor allem den Präfekten Cethegus, der ebenso mächtig als zweideutig ist und mich in der Gefahr, in die er mich geführt, plötzlich verlassen hat, fernhalten, nötigenfalls vernichten. Habe ich meine Feinde niedergeworfen und mein Reich befestigt, wie ich zum Himmel und der eignen Kraft vertraue, so werd’ ich die Truppen und Führer mit reichen Geschenken und reicherem Dank zurücksenden. Vale.«
Justinian drückte krampfhaft die Wachstafel in seiner Faust: leuchtenden Auges sah er vor sich hin, seine nicht schönen Züge vereitelten sich im Ausdruck hoher geistiger Macht, und dieser Augenblick zeigte, daß in dem Manne neben vielen Schwächen und Kleinheiten eine Stärke, eine Größe lebte: die Größe eines diplomatischen Genies.
»In diesem Brief«, rief er endlich strahlenden Blickes, »halt’ ich Italien und das Gotenreich.« Und in mächtiger Bewegung durchschnitt er das Gemach mit großen Schritten, jetzt sogar die Verbeugung vor dem Kreuz vergessend.
»Eine Leibwache — sie soll sie haben! Aber nicht ein paar tausend Mann, viele Tausende, mehr als ihr lieb sein wird, und du, Belisarius, sollst sie führen.«
»Sieh auch die Geschenke«, mahnte Alexandros und wies auf einen köstlichen Schrein von Thuienholz mit Gold eingelegt, den der Velarius hinter ihm niedergestellt hatte. »Hier ist der Schlüssel.« Er überreichte ein kleines Büchschen von Schildpatt, das mit der Regentin Siegel geschlossen war.
»Es ist ihr Bild dabei«, sagte er, wie zufällig mit lauterer Stimme.
In dem Augenblick, da der Gesandte die Stimme kräftiger erhoben, steckte sich, leise und unbemerkt von allen außer ihm, der Kopf eines Weibes durch den Vorhang, und zwei funkelnde schwarze Augen sahen scharf auf den Kaiser. Dieser öffnete den Schrein, schob rasch alle Kostbarkeiten beiseite und griff hastig nach einem unscheinbaren Täfelchen von geglättetem Buchs mit einem schmalen Goldrahmen. Ein Ruf des Staunens entflog unwillkürlich seinen Lippen, sein Auge blitzte, er zeigte das Bild Belisar: »Ein herrliches Weib, welche Majestät der Stirn! Ja, man sieht die geborene Herrscherin, die Königstochter!« Und bewundernd sah er auf die edeln Züge.
Da rauschte der Vorhang, und die Lauscherin trat ein.
Es war Theodora, die Kaiserin: ein verführerisches Weib. Alle Künste weiblichen Erfindungsgeistes in einer Zeit des äußersten Luxus und alle Mittel eines Kaiserreichs wurden täglich stundenlang aufgeboten, diese an sich ausgezeichnete, aber durch ein zügelloses Sinnenleben früh angegriffene Schönheit frisch und blendend zu erhalten.
Goldstaub lieh ihrem dunkelblauschwarzen Haar metallischen Glanz: es war am Nacken mit aller Sorgfalt gegen den Wirbel hinaufgekämmt, den schönen Bau des Hinterkopfs, den feinen Ansatz des Halses zu zeigen.
Augenbrauen und Wimpern waren mit arabischem Stimmi glänzend schwarz gefärbt: und so kunstvoll war das Rot der Lippen aufgetragen, daß selbst Justinian, der diese Lippen küßte, nie an eine Unterstützung der Natur durch phönikischen Purpur dachte. Jedes Härchen an den alabasterweißen Armen war sorgfältig ausgetilgt, und das zarte Rosa der Fingernägel beschäftigte täglich eine besondere Sklavin lange Zeit.
Und doch hätte Theodora, damals noch nicht vierzig Jahre alt, auch ohne all diese Künste für ein ganz auffallend schönes Weib gelten müssen.
Edel freilich war dieses Antlitz nicht: kein großer, ja kein stolzer Gedanke sprach aus diesen angestrengten, unheimlich glänzenden Augen, um die Lippen schwebte ein zur Gewohnheit gewordenes Lächeln, das die Stelle der ersten künftigen Falte ahnen ließ: und die Wangen zeigten in der Nähe der Augen Spuren müder Erschöpfung.
Aber wie sie jetzt mit ihrem süßesten Lächeln auf Justinian zuschwebte, das schwere Faltenkleid von dunkelgelber Seide zierlich mit der Linken aufhebend, übte die ganze Erscheinung einen betäubenden Zauber, ähnlich dem süßen, einlullenden Geruch von indischem Balsam, der von ihr duftete.
»Was erfreut meinen kaiserlichen Herrn so sehr? Darf ich seine Freude teilen?« fragte sie mit süßer, einschmeichelnder Stimme. Die Anwesenden warfen sich vor der Kaiserin zur Erde, kaum minder ehrerbietig als vor Justinian.
Dieser aber schrak bei ihrem Anblick, wie auf einer Schuld ertappt, zusammen und wollte das Bild in der Busenfalte seiner Chlamys verbergen. Aber zu spät. Schon haftete der Kaiserin scharfer Blick darauf.
»Wir bewunderten«, sagte er verlegen, »die — die schöne Goldarbeit des Rahmens.« Und er reichte ihr errötend das Bild.
»Nun, an dem Rahmen«, lächelte Theodora, »ist beim besten Willen nicht viel zu bewundern. Aber das Bild ist nicht übel. Gewiß die Gotenfürstin?« Der Gesandte nickte. »Nicht übel, wie gesagt. Aber barbarisch, streng, unweiblich. Wie alt mag sie sein, Alexandros?«
»Etwa fünfundvierzig.«
Justinian blickte fragend auf das Bild, dann auf den Gesandten. »Das Bild ist vor fünfzehn Jahren gemacht«, sagte Alexandros wie erklärend.
»Nein«, sprach der Kaiser, »du irrst; hier steht die Jahreszahl nach Indiktion und Konsul und ihrem Regierungsantritt: es ist von diesem Jahr.«
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