Ein Kampf um Rom. Felix Dahn

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Ein Kampf um Rom - Felix  Dahn

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Last wich sofort zur Seite, sowie die Vertraute eine Feder berührte, und zeigte eine schmale Öffnung in der Wand, welche durch die Statue in ihrer gewöhnlichen Stellung vollständig verdeckt wurde: ein dunkler Vorhang war vor den Spalt gezogen. Galatea hob den Vorhang auf, und herein eilte Alexandros, der schöne junge Gesandte.

      Er warf sich vor der Kaiserin aufs Knie, ergriff ihre schmale Hand und bedeckte sie mit glühenden Küssen.

      Theodora entzog sie ihm leise. »Es ist sehr unvorsichtig, Alexandros«, sagte sie, den schönen Kopf zurücklehnend, »den Geliebten zur Ankleidung zuzulassen. Wie sagt der Dichter? ‘Alles dienet der Schönheit. Doch ist kein erfreulicher Anblick, das Entstehen zu sehn, was nur entstanden gefällt.’

      Allein ich hab’ es dir bei Abreise nach Ravenna verheißen, dich einmal in meiner Morgenstunde vorzulassen. Und du hast deinen Lohn reichlich verdient. Du hast viel für mich gewagt. — Fasse die Flechten fester!« rief sie Galatea zu, die an die ihr allein zustehende Arbeit gegangen war, das prachtvolle Haar der Gebieterin zu ordnen.

      »Du hast das Leben für mich gewagt.« — Und sie reichte ihm wieder zwei Finger der rechten Hand.

      »O Theodora«, rief der Jüngling, »für diesen Augenblick würd’ ich zehnmal sterben.«

      »Aber«, fuhr sie »warum hast du mir nicht auch von dem letzten Brief der Barbarin an Justinian Abschrift zukommen lassen?« — »Es war nicht mehr möglich, es ging zu rasch. Ich konnte von meinem Schiff keinen Boten mehr senden: kaum gelang es gestern, nach der Landung, dir sagen zu lassen, daß ihr Bild bei den Geschenken sei. Du kamst im rechten Augenblick.«

      »Ja, was würde aus mir, wenn ich die Türsteher Justinians nicht doppelt so hoch besoldete als er? Aber Unvorsichtigster aller Gesandten, wie täppisch war das mit der Jahreszahl!«

      »O schönste Tochter von Kypros, ich hatte dich mondenlang nicht mehr gesehen. Ich konnte an nichts denken als an dich und deine berauschende Schönheit.«

      »Nun, da muß ich wohl verzeihen. Das schwarze Stirnband, Galatea! Du bist ein besserer Liebhaber als Staatsmann. Deshalb hab’ ich dich auch hierbehalten. Ja, du solltest wieder nach Ravenna. Aber ich denke, ich schicke einen älteren Gesandten und behalte den jungen für mich. Ist’s recht so?« lächelte sie, die Augen halb schließend.

      Alexandros, kühner und glühender werdend, sprang auf und drückte einen Kuß auf ihre roten Lippen.

      »Halt ein, Majestätsverbrecher«, schalt sie und schlug mit dem Flamingofächer leicht seine Wange. »Jetzt ist’s genug für heute. Morgen magst du wiederkommen und von jener Barbarenschönheit erzählen. Nein, du mußt jetzt gehn. Ich brauche diese Morgenstunde noch für einen andern.«

      »Für einen andern!« rief Alexandros zurücktretend. »So ist es wahr, was man leise zischelt in den Gynäceen, in den Bädern von Byzanz? Du ewig Ungetreue hast —«

      »Eifersüchtig darf ein Freund Theodoras nicht sein!« lachte die Kaiserin. Es war kein schönes Lachen. »Aber für diesmal sei unbesorgt — du sollst ihm selbst begegnen. Geh.«

      Galatea griff ihn an der Schulter und drehte den Widerstrebenden ohne weiteres hinter die Statue und zur Türe hinaus.

      Theodora setzte sich nun aufrecht, das faltige Untergewand mit dem Gürtel schließend.

      ACHTZEHNTES KAPITEL

      Sogleich kam Galatea wieder zum Vorschein mit einem kleinen gebückten Mann, der viel älter aussah als seine vierzig Jahre. Kluge, aber allzu scharfe Züge, das stechende Auge, der bartlose, eingekniffene Mund — alles machte den Eindruck unangenehmer Pfiffigkeit.

      Theodora nickte leicht auf seine kriechende Verbeugung; Galatea begann ihr die Augenbrauen zu malen.

      »Kaiserin«, hob der Alte ängstlich an, »ich staune über deine Kühnheit. Wenn man mich hier sähe! Die Klugheit von neun Jahren wäre durch einen Augenblick vereitelt.«

      »Man wird dich aber nicht sehen, Petros«, sagte Theodora ruhig. »Diese Stunde ist die einzige, da ich vor der zudringlichen Zärtlichkeit Justinians sicher bin. Es ist seine Betstunde. Ich muß sie ausbeuten, so gut ich kann. Gott erhalte ihm seine Frömmigkeit! Galatea, den Frühwein. Wie? Du fürchtest doch nicht, mich mit diesem gefährlichen Verführer allein zu lassen?« Die Alte ging mit häßlichem Grinsen und kam gleich zurück, einen Henkelkrug süßen gewärmten Chierweins in der einen Hand, Becher mit Wasser und Honig in der andern.

      »Ich konnte heute unsere Unterredung nicht, wie gewöhnlich, in der Kirche veranstalten, wo du in dem dunklen Beichtstuhl einem Priester täuschend ähnlich siehst. Der Kaiser wird dich noch vor der Kirchenzeit zu sich bescheiden, und du mußt zuvor genau unterrichtet sein.«

      »Was ist zu tun?«

      »Petros«, sagte Theodora, sich behaglich zurücklehnend und langsam das süße Getränk schlürfend, das Galatea mischte, »heute kam der Tag, der unsere langjährige Mühe und Klugheit lohnen und dich zum großen Mann machen wird.«

      »Zeit wär’ es«, meinte der Rhetor.

      »Nur nicht ungeduldig, Freund. (Galatea, etwas mehr Honig.) Um dich für das heutige Geschäft in die rechte Stimmung zu versetzen, wird es gut sein, dich an das Vergangene, an die Entstehungsart unserer — Freundschaft zu erinnern.«

      »Was soll das? Wozu ist das nötig?« sagte der Alte unbehaglich.

      »Zu mancherlei. Also. Du warst der Vetter und Anhänger meines Todfeindes Narses. Folglich auch mein Feind. Jahrelang hast du im Dienste deines Vetters mir entgegengearbeitet, mir wenig geschadet, dir selbst aber noch weniger genützt. Denn Narses, dein tugendhafter Freund, setzt seine Ehre und seine Schlauheit darein, nie etwas für seine Verwandten zu tun, daß man ihm nie, wie die andern Höflinge dieses Reiches, des Nepotismus zeihen könne.

      Aus lauter Vorsicht und eitel Tugend ließ er dich unbefördert. Du darbtest und bliebst einfacher Schreiber. Aber ein feiner Kopf wie du weiß sich zu helfen. Du fälschtest, du verdoppeltest die Steuerausschreiben des Kaisers. Die Provinzen zahlten neben der von Justinian verlangten noch eine zweite Steuer, die Petros und die Steuererheber untereinander teilten. Eine Weile ging das vortrefflich. Aber einmal —«

      »Kaiserin, ich bitte dich —«

      »Ich bin gleich zu Ende, Freund. Aber einmal hattest du das Unglück, daß einer von den neuen Steuerboten die Gunst der Kaiserin höher anschlug als den von dir verheißnen Teil der Beute. Er ging auf deinen Antrag ein, ließ sich die Urkunde von dir fälschen und — brachte sie mir.«

      »Der Elende«, murrte Petros.

      »Ja, es war schlimm«, lächelte Theodora, den Becher wegstellend. »Ich konnte jetzt meinem boshaften Feind, dem Vertrauten des verhaßten Eunuchen, den schlauen Kopf vor die Füße legen, und ich muß gestehen: es lüstete mich sehr danach, sehr! Aber ich opferte die kurze Rache einem großen, dauernden Vorteil. Ich rief dich zu mir und ließ dir die Wahl, zu sterben oder mir fortan zu dienen. Du warst gütig genug, das letztere zu wählen, und so haben wir, vor der Welt nach wie vor die heftigsten Feinde, insgeheim seit Jahren zusammen gewirkt: du hast mir alle Pläne des großen Narses im Entstehen verraten, und ich hab’ es dir wohl vergolten: du bist jetzt ein reicher Mann.«

      »Oh, nicht der Rede wert.«

      »Bitte, Undankbarer, das weiß mein Schatzmeister besser. Du bist sehr reich.«

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