Der Waldläufer. Gabriel Ferry
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»Euch erschrecken?« antwortete Antonio mit sardonischem Lächeln. »Nein, wahrhaftig! Denn wenn ich alles, was Ihr sagt, wirklich gewesen bin, so ist das bei Gott ein ziemlich hübscher Vorrat von Tugenden, den ich ein wenig vermindern kann, ohne ihn zu erschöpfen. Aber die Zeit drängt«, fügte er hinzu, »und meine Leute werden ungeduldig.«
Auf diesen kalten, grausamen Spott fand Doña Luisa keine Antwort mehr. Der Mann, der mit dem Verbrechen seinen Scherz trieb, mußte ein Herz haben, bei dem jeder Versuch, es zu rühren, fernerhin unnütz war. Seit diesem Augenblick – und nur erst von diesem Augenblick an – begriff die Gräfin von Mediana, daß alles vorbei sei. Eine unaussprechliche Betäubung bemächtigte sich ihres Geistes; ihr Körper verlor alle Spannkraft; sie dachte, sie handelte nicht mehr, sie hatte keine Idee mehr, und mit gänzlicher Ergebung erwartete sie schweigend ihr Urteil.
In diesem weiten, ungleich erleuchteten Zimmer, wo die Windstöße mit düsterem Rauschen die langen Vorhänge erzittern ließen, sah diese Frau mit dem in Ergebung gebeugten Haupt dem Mann gegenüber, der bald kalt, bald spöttisch, bald zornig war, ganz wie ein armes Geschöpf aus, dessen Vertrag mit dem Bösen abgelaufen und das nun ganz seiner Willkür preisgegeben war. Wie dieses hatte auch die Gräfin – aber vergeblich – um Gnade oder nur um eine Frist von einem einzigen Augenblick gebeten; aber der Augenblick war da, ihre Seele gehörte ihr nicht mehr.
Sie ging darum auch, als sie den Befehl von Don Antonio empfing, das Kind aufzuwecken und anzukleiden, auf die Wiege zu, als ob sie gar nicht mehr gewußt hätte, daß sie noch am Leben sei. Einen Augenblick kam ihr der Gedanke, einen Schrei um Hilfe auszustoßen; aber mehr der Instinkt als die Überlegung hielt sie zurück; der Tiger, in dessen Klauen sie sich befand, hielt auch das Kind fest, und sein breites Messer blitzte vor ihren Augen mit blutigem Glanz. Sie sah es in ihrer Einbildung mit dem Blut dessen befleckt, den sie mehr als ihr Leben liebte, und mit diesem schrecklichen Gedanken, der sich ihrer bemächtigte, näherte sie sich ihrem Sohn mit umschleiertem Blick, mit gebeugtem Haupt und mit einem Herzen, das nicht mehr schlug.
Sie begann also mit mütterlicher Sorgfalt mit ihren zitternden Händen über das Antlitz ihres Sohnes zu streichen, um die Locken zu entfernen, von denen es eingehüllt war. Das Kind fühlte die sanfte Berührung der Hände seiner Mutter, öffnete die Augen, und als es im Halbdunkel die Mutter bemerkte, die es jeden Abend an seinem Bettchen erblickte, lächelte es mit seinem süßesten Lächeln und schlief wieder ein. Die Gräfin warf auf ihren Henker einen verzweifelnden Blick; der Mut verließ sie, und ihre Arme fielen schlaff an ihrem Körper nieder.
Don Antonio machte eine drohende Gebärde; die Gräfin schauderte, neigte sich abermals über ihr Kind und drückte auf seine Lippen einen Kuß mit derselben fieberhaften Glut, die ihre Lippen versengte. Bei dieser Berührung wachte es auf, blickte mit erstaunter Miene um sich her, und seine schlaftrunkenen Augenlider schlossen sich nochmals, als ein heftiger Stoß Don Antonios es wieder aufweckte und seiner Betäubung ein Ende machte. Das Kind schauderte inmitten der eisigen Luft, die durch das offene Fenster in das Zimmer drang, und beim Anblick eines Unbekannten, beim Anblick seiner bleichen und zitternden Mutter, deren Gesicht in Tränen schwamm, fing es an, vor Schrecken zu zittern, und barg sich weinend an ihrem Busen.
Don Antonio – nachdem er mit gebieterischer Miene Eile befohlen hatte – zog sich ans Fenster zurück, aber ohne seine Augen von Doña Luisa abzuwenden. Die unglückliche Mutter unterbrach sich unendlich oft in einem gewöhnlich so süßen, jetzt aber so herzzerreißenden Geschäft, drückte zärtlich jedes Kleidungsstück ihres geliebten Sohnes und bedeckte mit glühenden Küssen jeden Teil seines Körpers, den ihr Mund erreichen konnte. Sie tat es, um einige kostbare Augenblicke zu gewinnen; um den schrecklichen Moment zu verzögern, wo ihr Sohn angekleidet vor ihr stand und aufhören mußte, ihr zu gehören. Bis dahin war sie ja noch immer seine Mutter; sie konnte ihn immer noch umarmen. Nur einen Augenblick mehr gewonnen, dachte sie, und vielleicht schickt Gott in seiner Barmherzigkeit einen Retter! Und wenn auch Gott die wahrscheinliche Vollendung dieses abscheulichen Verbrechens zugeben sollte – war der Gewinn einer Minute nicht soviel wie hundert Küsse, die sie ihm noch geben konnte?
In der Freude wie im Schmerz gibt es Grenzen, die die menschliche Schwäche nicht überschreiten kann – jenseits dieser Grenzen würden die Bande des Lebens zerreißen. Gott hat es so eingerichtet, damit nicht das durch ihn hergestellte Gleichgewicht aufgehoben werde. Dies geschah auch im letzten Augenblick der Trennung der Mutter von ihrem so heißgeliebten Kind: Alles war beendet, der Retter war nicht erschienen; aber beim letzten Kuß, bei der letzten Umarmung bedeckten die Augen Doña Luisas sich mit einem Schleier; die Empfindungslosigkeit ihres Körpers ließ den Seelenschmerz aufhören; sie stieß einen schwachen Schrei aus und fiel in eine tiefe Ohnmacht.
Don Antonio hatte diese Entwicklung wahrscheinlich vorhergesehen, und sie durchkreuzte seine ferneren Pläne nicht; kurz, er beleuchtete kaltblütig mit der Lampe das bleiche, leblose Antlitz der Gräfin, um sich zu überzeugen, ob sie noch atme, und ohne sich um das stille Weinen des Knaben zu kümmern, der vor Schreck nicht schreien konnte, schob er den Riegel vor die Eingangstür. Dann öffnete er einen Schrank von schwarz poliertem Eichenholz, der der Gräfin als Schreibtisch diente, raffte die Schmucksachen und das Gold, das er darin fand, zusammen und legte es in die einzelnen Fächer – steckte auch in der Eile einige Papiere in seine Tasche —, dann packte er alle Frauenwäsche zusammen und legte sie in andere Möbelstücke.
Während dieser Zeit schluchzte der Knabe immer noch, während er seine Mutter umfaßt hielt, deren kalte Empfindungslosigkeit für ihn eine Quelle geheimnisvollen Schreckens war.
Das Zimmer bot bald den Anblick der Unordnung dar, die einer großen Reise vorauszugehen pflegt. Die geleerten Schubfächer lagen hier und dort verstreut auf dem Fußboden, die Flügel des Schranks standen halb offen – mit einem Wort: alles bezeugte die Vorbereitungen zu einer schleunigen Abreise.
Nachdem Don Antonio seine Durchsuchung beendet hatte, setzte er sich, seine Stirn trocknend, auf den Lehnsessel, den die Gräfin einige Zeit vorher eingenommen hatte, und blickte aufmerksam um sich her. Als dieser Blick auf den Körper der Gräfin fiel, die immer noch leblos dalag, und auf ihr Kind, das ihre Hand gefaßt hatte, schien sich seiner ein schrecklicher Gedanke zu bemächtigen. Er stand schon halb auf – dann setzte er sich wieder, als ob ein Kampf in seinem Herzen zwischen zwei entgegengesetzten Ideen sich entsponnen hätte. »Nein!« rief er endlich. »Ein Opfer ist genug! Aber er … er … er ist sein Blut, und ich will es nicht vergießen.« Und um den Gang seiner Gedanken zu ändern und einer unwiderstehlichen Versuchung zu entrinnen, ging er rasch ans Fenster, ließ ein leises Pfeifen ertönen, und einige Sekunden später erschien ein Kopf über dem Balkon, und einer von den Männern, die Pepe schon gesehen hatte, stieg herüber und trat in das Zimmer.
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