Quitt. Theodor Fontane
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Die Alte, während der Prediger so sprach, hatte mit gefalteten Händen dagesessen und allerlei vor sich hin gemurmelt, wie um ihre Andacht zu bezeugen. Aber auch auf Lehnert waren die Worte nicht ohne Einfluß geblieben, denn er war klug genug, nicht bloß das herauszuhören, was sich gegen Opitz richtete. Nein, er hörte ganz allgemein den Geist christlicher Liebe heraus und sagte sich, daß er dieser Liebe geradesogut entbehre wie Opitz und daß er sein Recht geradeso heftig und eigensinnig vertrete wie Opitz das seine. Und sein Recht war doch nur sein Recht, Opitz‘ Recht aber war das anerkannte, das gültige, das uralt bestätigte.
Siebenhaar, der wohl sehen mochte, was in ihm vorging, hütete sich, durch eine Zwischenbemerkung zu stören. Und so verging eine geraume Weile. Dann erst nahm Lehnert seinerseits das Wort wieder und sagte: »Und was sagte da Opitz, Herr Pastor? Ich weiß von Christine …«
»Daß er einen hochfahrenden Sinn hat und sich in dem, was seines Amtes ist, nicht gern dreinreden läßt. Ja, so heißt es von ihm und wird auch wohl seine Richtigkeit damit haben. Aber es kommt doch auch darauf an, wer mit ihm spricht, und vor allem, wie man mit ihm spricht, und ich hab ihn gestern als einen christlichen Mann befunden, das heißt als einen Mann, der vergeben kann, weil er fühlt, daß er selber der Vergebung bedürftig ist. So wenigstens schien es mir, als ich ihm nach den Augen sah, und war mir fast, als ob ich eine Träne darin gesehen hätte.«
Lehnert lachte. »Wohl, wohl. Wenn er unter Wein ist, ist ihm immer das Weinen nah. Das kenn ich. Aber es hält nicht lange vor, und von gestern auf heute wird er sich wieder anders besonnen haben.«
»Kann sein, Lehnert, aber es ist nicht wahrscheinlich. Und unter allen Umständen mußt du vorläufig an seine Versöhnlichkeit glauben und dein Betragen danach einrichten. Du hast es mir versprochen, neulich schon, und ich könnte dich beim Worte nehmen. Aber ich will es nicht. Ich will es nach allem, was er mir gestern gesagt hat, aufs neue von dir hören und, wenn es sein kann, aus einem freudigeren Herzen und einem festeren Entschluß.«
»Ich geh ihm aus dem Wege.«
»Das ist nicht genug, Lehnert. Das vertagt den Streit bloß, aber schafft ihn nicht aus der Welt, und der nächste Wind, der euch wieder zusammenweht, bläst auch die Flamme wieder an. Damit schließt man keinen Frieden, daß man sich aus dem Wege geht, das ist äußerlich und auf die Dauer einfach unausführbar. Hier muß es anfangen und hier. Herz und Einsicht müssen dazu zwingen. Und ist erst der gute Wille gewonnen, dann ist alles gewonnen. Den seinen hab ich …«
»Und den meinen auch«, sagte Lehnert in plötzlicher, beinah freudiger Erregtheit. Und dabei nahm er des Alten Hand, um sie dankbar zu küssen. »Ich will tun, was ich kann. Ich will die Kappe vor ihm ziehen, immer zuerst, und will kein Schmokfeuer mehr machen, wenn drüben das Leinzeug an der Leine hängt, und will das Wehr so stellen, daß das Wasser bei mir übertritt und nicht bei ihm, und wenn mir‘s auch einen halben Morgen Kartoffelland kostet. Und wenn seine Diana mir nach den Beinen fährt, so will ich den Stock bloß leise nach hinten halten, wie die Bettler und Strolche tun, und will nicht mehr nach der Bestie schlagen. Und was die Hauptsach is, ich will den Mund halten und nicht mehr mit den andern auf ihn schelten und schimpfen und will aufhören, ihn einen Neidhammel zu nennen und die Geschichte von dem Kreuz immer und immer wieder aufzutischen. Was vielleicht ohnehin das klügste ist, denn man soll nicht immer von seinen Heldentaten sprechen, worüber die Leute doch bloß lachen …«
»Also abgemacht, Lehnert. Und nun, Frau Menz, wenn Sie ein Glas Milch für mich haben, dann bringen Sie‘s mir, das soll mir besser tun als der Hochzeitskuchen mit seinen vielen Rosinen. Wenn man bei Jahren ist, soll man überhaupt keine Rosinen mehr essen. Das hat mir noch der alte Doktor Mattersdorf beigebracht, und der wußte es … So, die hat mir geschmeckt, eine wundervolle Milch. Und nun machen Sie, daß die Kartoffeln ans Feuer kommen. Ich habe gesehen, daß es frische sind und noch dazu blaue! Hab auch welche. Sie scheffeln in diesem Jahr. Und nun Gott befohlen!«
Und so sprechend überschritt er die Schwelle.
Lehnert und seine Mutter begleiteten ihn bis an den Steg, und die Alte knickste und dienerte noch, als er längst schon drüben war.
Achtes Kapitel
Lehnert, als Siebenhaar drüben war, kehrte – die Kartoffeln wurden eben erst beigesetzt, und der Speck war noch nicht in der Pfanne – zu seiner Arbeit zurück, eigentlich nur deshalb, weil er sich dem unverständigen Gerede der Alten nach Möglichkeit entziehen wollte. Dies gelang ihm aber nur auf eine kleine Weile, denn als bald danach das Essen auf dem Tische stand, brach der zurückgestaute Redestrom der Alten mit verdoppelter Macht über ihn herein, und die Versicherungen nahmen kein Ende, daß sich nun alles zum Guten wenden müsse: Lehnert werde seinen Eigensinn abtun und Opitz fünf gerade sein lassen und auf den Ohren sitzen. »Ja, Lehnert, so wird es kommen, und wir werden wieder gute Nachbarschaft halten, und alles wird gegenseitig sein, und ich werde mir bei der guten Frau Opitz wieder ein Mangelholz oder ein Kuchenblech borgen können, und Christine wird nicht mehr nötig haben, immer so zu tun, als ob sie sich aus uns nichts mache, nein, sie wird jede Stunde kommen können, und dann wird es auch noch was werden mit euch zwei beiden, und wir werden dann eine Hochzeit haben wie die gestern in Brückenberg.«
»Ach, Mutter, rede doch nicht immer von der Christine!« »Warum nicht, Lehnert? Es ist ein gutes Kind, das was auf sich hält und was gespart hat. Und wenn‘s dann Hochzeit gibt …«
»Ja, wenn, wenn; die gibt es aber nicht. Christine ist eine Magd, und eine Magd heirate ich nicht, auch wenn sie drei Sparkassenbücher und eine ganze Linnentruhe hat. Ich versteh meine Sach und will in die Stadt gehen und eine Städtische heiraten, die Manieren hat. Und am liebsten will ich in die Welt gehen und gar nicht heiraten; es brennt mir hier unter den Füßen, und wenn es nicht deinetwegen wäre, Mutter, so ging‘ ich lieber heut als morgen, übers Meer will ich. Es ist mir alles so klein und eng hier, ein Polizeistaat, ein Land mit ein paar Herren und Grafen, so wie unserer da, und sonst mit lauter Knechten und Bedienten. Aber davon verstehst du nichts, und ist dir auch gleich. Mir aber ist es nicht gleich. Ich mag nicht, daß, wenn ein Schuß fällt, gleich sieben Förster da sind, die‘s mit ihren vierzehn Ohren hören und sich die Köpfe zerbrechen, wer da mal wieder den Staat betrügt und ein schwer Verbrechen auf seine Seele lädt. Und vielleicht war es gar nichts, bloß eine Milchsuppe von Berliner, ein Gymnasiast, der oben bei Wang ein paar Zündhütchen verknallt. Eine jämmerliche Welt hier; immer muß man scherwenzeln, und wenn man nach vorn hin dienert, stößt man nach hinten hin einen um. Eng und klein, sag ich, und ich möchte, wenn Siebenhaar auch dagegen ist – der Alte