Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin Mollhausen страница 41
Wir verließen den Holzplatz, und mutig arbeitete die kleine »Explorer« in dem tiefen Wasser gegen die starke Strömung. Wir hatten kaum eine Meile zurückgelegt, als bei einer Biegung des Flusses plötzlich die prachtvollen Formen des Chimney Peak vor uns lagen. Nur durch die Lage des Felsens und durch Mariandos Zeugnis konnten wir überzeugt werden, daß die ungeheuren Felsmassen, die sich kühn wie Ruinen eines turmreichen, stolzen Schlosses erhoben, wirklich der Chimney Peak seien, den wir von Fort Yuma aus als einzelne Säule wahrgenommen und bewundert hatten. Der Peak lag nicht unmittelbar am Fluß, sondern etwa fünf oder sechs Meilen weiter zurück, umgeben von vulkanischen Gebirgsmassen, die teils als runde Hügel, teils in Zuckerhutform oder als Türme und Mauern bis zu achthundert Fuß hoch über dem Spiegel des Colorado emporragten.
Ich war mit dem Zeichnen der merkwürdigen Szenerie beschäftigt, als heftiges, erschütterndes Aufschlagen des Rades uns davon in Kenntnis setzte, daß ein Unfall unser Boot betroffen hatte. Das eine Steuerruder war gebrochen, und so wurden wir denn genötigt, auf dem linken Ufer zu landen und den Rest des Tages mit der Ausbesserung des Schadens hinzubringen. Ein unbequemeres Lager als an diesem Tag hätten wir kaum finden können, denn das Boot lag an einer zwölf Fuß hohen, steilen Lehmwand, nach der unsere Lagerequipage hinaufzuschaffen keine geringe Mühe kostete, und auf dem Ufer wucherte hohes Schilf mit einer solchen Üppigkeit, daß es fast undurchdringlich war und ein Weg durch dasselbe erst geschnitten werden mußte. Auf der anderen Seite der Schilfwaldung erhoben sich schroffe Felshügel, so daß wir das Gepäck und die übrigen Gegenstände eine Strecke am Fuß derselben hintragen ließen, bis sich endlich eine offene Schlucht fand, die sich einigermaßen zum Lagerplatz eignete. Etwa dreihundert Schritt oberhalb des Lagers erweiterte sich das von Felsen eingeschlossene Tal bedeutend, und ich lenkte meine Schritte dorthin, um nach Wild und Exemplaren für meine Sammlung zu suchen. Guter, zeugungsfähiger Boden bildete ursprünglich die Oberfläche dieses kleinen Winkels, doch hatten die Regengüsse nach allen Richtungen hin so tiefe Furchen gezogen und so weite Strecken mit den aus dem Gebirge herabgespülten Kieseln und Bruchstücken der Felsen bedeckt, daß das Tal für den Ackerbauer dadurch jeden Wert verlor. Ungewöhnlich kräftige Mesquitebäume beschatteten einen Teil der Ebene, deren lockerer Boden, arm an Pflanzen und Grasvegetation, hin und wieder von den weitkriechenden Ranken wilder Kürbisse bedeckt gewesen war, die, in den meisten Fällen vertrocknet, nur die gelben, apfelsinenförmigen Früchte in langen, regelmäßigen Reihen zurückgelassen hatten. Wild erblickte ich gar nicht, obgleich ich vielfach die Spuren großer und kleiner Hasen auf dem Sand wahrnahm.
Ich kehrte gegen Abend ins Lager zurück und unternahm noch in Gesellschaft von Dr. Newberry und Herrn von Egloffstein die Ersteigung eines der nächsten Felsen, von dem wir eine Aussicht auf die entferntere Umgebung gewannen. Die Sonne war eben untergegangen, in orangegelbem Licht prangte der westliche Abendhimmel, und vor diesem erhoben sich, dunkelblau und scharf abhebend wie eine kunstvoll ausgeschnittene Bleiplatte, die zackigen Formen des Chimney Peak. Weithin nach Süden und nach Norden erstreckten sich die phantastischen Gebilde, während im Osten rosenfarbige Dämmerung die verworrenen Felsmassen halb verschleierte. Es war ein schöner, ein herrlicher Anblick, diese grausige Wildnis, auf der die nächtlichen Schatten mit dem letzten Abendrot gleichsam um den Vorrang zu kämpfen schienen, und wohl hatte Dr. Newberry recht, als er mit der ihm eigentümlichen Vorliebe für schöne Naturszenen ausrief: »Wie lohnt doch ein solcher Genuß für überstandene Beschwerden und Mühen, und wie schnell vergißt man, daß die Aussicht, die jetzt unser Auge entzückt, nur eine tote, starre Felsenwüste ist.« Wir stiegen wieder in die Schlucht hinab, wo Wigham schon längst ungeduldig mit dem Anrichten des Abendbrotes auf uns harrte und mürrisch versicherte, daß es nicht seine Schuld sei, wenn wir mit kalter Kost vorliebnehmen müßten.
Es war dies übrigens nur ein Schreckschuß von unserem gern zankenden Iren; der Kaffee, ohne den im westlichsten Amerika und besonders in der Wildnis keine Mahlzeit denkbar ist, war siedend heiß, das den Kaffee stets begleitende fette Schweinefleisch knisterte noch am Feuer, und das frische Brot war, dank der Sorge unseres deutschen Kochs, auch noch nicht ausgekühlt. Wir speisten, wir rauchten und wickelten uns infolge des Holzmangels früher als gewöhnlich in unsere Decken. Das Steuerruder war wieder ausgebessert worden, und zur frühen Stunde rief die Pfeife der »Explorer«: »Alle Mann an Bord!« Im weiten Bogen führte der Fluß um den Chimney Peak herum, so daß wir von allen Seiten einen Blick auf ihn gewannen. Es würde mir schwerwerden, einen Punkt zu bestimmen, von dem aus der Anblick vorzugsweise einen tieferen Eindruck auf mich gemacht hätte. Ich saß auf dem Verdeck und schaute unverwandt nach den majestätischen Felsmassen hinüber, die scheinbar in jedem Augenblick ihre Gestalt veränderten oder auch sich aneinander vorbeischoben. Obgleich wir die rotbraune Farbe des Chimney Peak zu unterscheiden vermochten, so kamen wir doch nicht nahe genug, um den Charakter des Felsens genau bestimmen zu können, doch glaube ich kaum, daß nach der Beobachtung der jenen hervorragenden Punkt einschließenden vulkanischen Gesteinsarten ein Zweifel über die Formation des Chimney Peak bestehen kann.
Das Wasser des Colorado war in dieser Region tief und sehr reißend, Felsblöcke ragten vielfach aus den Fluten hervor oder befanden sich so weit unter dem Spiegel des Stroms, daß ihre Anwesenheit durch Wirbel verraten wurde, und es erforderte daher die größte Aufmerksamkeit und Umsicht unseres Kapitäns, die »Explorer« sicher zwischen den vielen gefährlichen Stellen hindurchzubringen. Wir gelangten ohne weiteren Unfall durch diese Kette der Dome Mountains in ein kleines Tal, das, wie das auf der Südsee, ebenfalls eine von nackten Felsen eingeschlossene Wüste war.
Mit den niedrigen Ufern begannen auch wieder die Sandbänke und das zeitraubende Winden über dieselben. Nur langsam ging deshalb unsere Reise vonstatten, und wenn wir seit unserem Aufbruch von Fort Yuma auf dem Fluß auch nahe an die fünfzig Meilen zurückgelegt hatten, so betrug die Entfernung von diesem Punkt in gerader Linie kaum halb soviel.
Der Aufenthalt auf dem Dampfboot wurde durch die rauhen West- und Nordwinde keineswegs angenehm, und obgleich erst seit einigen Tagen unterwegs, blickten wir doch oft sehnsüchtig nach den Ufern hinüber, und nie mehr, als wenn wir auf dem Sand stundenlang festsaßen und der aufmunternde Ruf der beschäftigten Leute mit dem Geräusch der in kurzen Absätzen arbeitenden Maschinen abwechselte und die Kommandoworte des Kapitäns dazwischenschallten: »Turn her back! Stop her! Go ahead! Slow!«Kommandos für den Maschinenmeister: »Laß die Maschine rückwärts arbeiten! Laß sie stillstehen! Vorwärts! Langsam!« Wir kamen indessen immer wieder los und auch von der Stelle, doch konnten wir häufig des Abends von unserem Lager aus noch den Punkt übersehen, den wir am frühen Morgen verlassen hatten.
Am Abend des 16. Januar schlugen wir auf dem linken Ufer unser Nachtlager auf. Ein schmaler Waldstreifen, hauptsächlich aus Weiden und PfeilholzSo genannt, weil die geraden Zweige dieses weidenähnlichen Strauchs von den Eingeborenen zu Pfeilschäften verwendet werden. bestehend, trennte die sandige Ebene, die sich weithin gegen Osten ausdehnte, von dem hohen, sandigen Ufer. Der Colorado hatte die Merkmale seines verschiedenen Wasserstandes deutlich an der nachgiebigen Uferbank zurückgelassen und diese treppenförmig ausgewaschen; ohne Mühe konnten daher die Zelte auf einer Stelle gerichtet werden, die durch den Schutz der Bäume und den trockenen Boden den Vorzug verdiente.
Ich nahm meine Jagdgerätschaften, drängte mich durch den schmalen Saum der dicht verwachsenen Weiden und Ranken und eilte auf die Ebene hinaus, um noch einen Hafen für unsere Küche zu suchen. Ganz verschieden von den Kieswüsten, die ich schon oben beschrieb, fand ich diese mit Artemisien und niedrigen Dornen dicht bedeckt; der Boden schien angeschwemmtes Land zu sein, auf dem die losen und leichteren Bestandteile in kleine Hügel zusammengeweht waren, während die eigentliche Fläche, aus festem Schlamm und fetter Erde bestehend, zahlreiche Risse — die untrüglichen Beweise neuerer Überschwemmungen — zeigte. Auf einigen der Hügel fand ich Topfscherben, doch erkannte ich diese leicht als Überreste einer Art Gefäße, deren sich noch heute die Indianer des Tals des Colorado zum Aufbewahren ihrer Kornvorräte bedienen. Es ist wohl anzunehmen, daß auf derartigen Stellen