Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin Mollhausen страница 37
Maruatscha stand unter den Eingeborenen im Ruf eines großen Redners, eines talentvollen Sängers und vor allem eines gefürchteten und anerkannten »Löwen«, dem keine Indianerin am Colorado zu widerstehen vermochte. Die Reise mit uns schien ihm sehr gelegen zu kommen, indem er schon längst, wie Mariando versicherte, den Entschluß gefaßt hatte, zwei seiner weiter nördlich lebenden Frauen zu besuchen. Mariando, ein stiller, freundlicher Indianer, der schon den gesetzteren Jahren angehörte, verband mit der seiner Rasse eigentümlichen Schlauheit eine gewisse Ehrlichkeit und Empfänglichkeit des Gemüts, die ihn bald bei allen beliebt machten und weit über sämtliche dortigen Eingeborenen, in unseren Augen aber auch über die rohen amerikanischen Soldaten, stellten. Beide Indianer hielten treu zu uns und leisteten uns durch ihre genaue Verdolmetschung die wesentlichsten Dienste.
Endlich gelangte die »Explorer« wieder in tiefes Wasser und glitt mit voller Dampfkraft dahin. Doch nur von kurzer Dauer war unsere Freude; nach Zurücklegung von etwa zwei Meilen erschallte abermals das verhängnisvolle »Two feet and a half!«, und wir saßen auf einer neuen Sandbank fest. Das Winden und Heben wollte gar kein Ende nehmen, und erst gegen Abend erreichten wir gutes Fahrwasser am rechten Ufer, wo wir anhielten, um zum letzten Mal nahe dem Fort zu übernachten. Zelte und Lagergeräte wurden ans Ufer gebracht, trockenes Treibholz lag in Massen umher, und als es dunkelte, beleuchteten helle Feuer die schwarzen Umrisse der ruhenden »Explorer« und die in Gruppen beisammen sitzenden Leute.
Die Erfahrungen des ersten Tages unserer Reise konnten nur sehr gering genannt werden, denn wir befanden uns in der Mitte der Landschaft, die wir so oft von den Höhen des Forts aus übersehen hatten, und in gerader Richtung, kaum vier Meilen vom Fort selbst; wir waren umgeben von feuchtem, schlammigem Boden, dessen Einförmigkeit allein von den Haufen des Treibholzes unterbrochen wurde. Auf dem linken Ufer erblickten wir den ebenso einförmigen Streifen einer Weidenwaldung, vor uns dagegen lag, uns gleichsam lockend, die tief gekerbte Reihe der Dome Mountains.
Die Nacht war klar, aber kalt, und tüchtiges Feuer war erwünscht, als wir uns am frühen Morgen des 12. Januar zur Weiterreise rüsteten. Glücklicher als am vorhergehenden Tag, legten wir, ohne auf Hindernisse zu stoßen, eine bedeutendere Strecke zurück, und die »Explorer« wollte eben das rechte Ufer verlassen und, dem Hauptkanal folgend, sich nach dem linken Ufer hinüberziehen, hinter dem uns zum ersten Mal die Aussicht auf Fort Yuma entzogen worden wäre, als ein junger Indianer aus dem dichten Weidengebüsch brach und uns unter lautem Schreien ein kleines Paket zeigte. Das Ruderboot wurde bemannt, der Indianer an Bord gebracht, und es stellte sich zu aller Freude heraus, daß unvermutet am vorhergehenden Abend eine Post auf der Station eingetroffen war, die einen reichen Schatz von Briefen und Zeitungen für uns mitgebracht hatte. Den indianischen Boten behielten wir bei uns, um ihn am gleichen Tag noch wieder mit Briefen zurücksenden zu können. Die »Explorer« verfolgte unterdessen ihre Straße, und kaum eine Stunde nach Empfang der Briefe saßen diejenigen, welche nicht durch besondere Arbeiten gefesselt waren, an verschiedenen Punkten auf der Plattform und schrieben, trotz des Zitterns und Bebens, das die unermüdlichen Maschinen erzeugten, die ersten Briefe auf den lehmfarbigen Wellen des Colorado.
Um die Mittagszeit wurde an einer geeigneten Stelle Holz eingenommen, der Indianer zu gleicher Zeit entlassen, und die allgemeine Aufmerksamkeit wandte sich wieder der Umgebung zu, die sich indessen nur wenig von der am vorhergehenden Tag unterschied. Die Wüste in Form einer sich nach dem Fluß zu senkenden Kiesebene engte das Tal abwechselnd ein und verriet schon durch ihre Vegetation die Beschaffenheit ihres Bodens. Artemisien, Kreosotpflanzen und Greasewood oder Talgholzpflanze — so genannt wegen der Schnelligkeit, mit der sie vom Feuer verzehrt werden, und die vorzugsweise auf nahrungslosem Boden gedeihen — bildeten kleine Gruppen auf der Ebene selbst, während in den vom Wasser ausgehöhlten Spalten die höheren Kronen der Mesquitebäume und blätterarmer Dornbäume emporragten und Weiden strichweise den einzigen Schmuck der Ufer des Stroms bildeten. Schöngefiederte Pelikane sonnten sich träge auf den Sandbänken; weiße Reiher saßen wie sinnend auf den zahlreichen Treibholzklippen (Snags) umher, Kraniche segelten in langen Reihen durch den klaren Äther und erfüllten die Lüfte mit ihrem durchdringenden Geschrei, während die blauen Reiher regungslos im seichten Wasser auf ihre Beute lauerten und grünschillernde Kormorane vor dem heranbrausenden Dampfer aufflogen, in einiger Entfernung vor diesem sich wieder auf dem Wasserspiegel niederließen, um sich nach kurzer Zeit von neuem verscheuchen zu lassen.
Wir legten an diesem Tag fünfzehn Meilen zurück und stießen erst zur späten Nachmittagsstunde auf Hindernisse ernsterer Art, die uns veranlaßten, früher, als es unter günstigeren Umständen geschehen wäre, unser Tagewerk für beendet zu erklären. Das rechte Ufer war uns am nächsten, das Wasser an diesem tief, der Kapitän steuerte daher die »Explorer« darauf zu, und bald darauf waren unsere Leute damit beschäftigt, zwischen den gedrängt stehenden Weiden eine Stelle zu unserem Lager zu säubern. So klar und schön das Wetter war, so machte sich doch der Januar auch schon in diesen Breiten sogar während des Tages bemerkbar. Tüchtige Feuer, welche die Annehmlichkeiten des Lagerlebens erhöhen, knisterten daher vor jedem Zelt, und diese zu unterhalten wurde uns nicht schwer, da uns ein wahrer Überfluß an leichtbrennendem, trockenem Holz umgab.
Kapitän Robinson, der während des Tages stets so wortkarg war und für nichts als für die sichere Fahrt unseres Dampfbootes Sinn zu haben schien, taute förmlich auf, wenn er mit uns im Kreise saß; er wurde fröhlich und gesprächig, und gern ließ ich mich mit ihm in eine Unterhaltung ein, die bei seinem klaren Urteil und bei seiner Kenntnis des dortigen Landes nur belehrend für mich sein konnte. Wir sprachen an diesem Abend von den dortigen Eingeborenen und verglichen die Indianer des Gila- und des Coloradotals mit einzelnen Stämmen des Ostens, die schon längst von den Weißen verdrängt wurden und die jetzt gleichsam die Schutzmauer gegen die wilden Prärie-Indianer bilden. Natürlich fiel das Urteil zugunsten der letzteren aus, doch wurde auch hervorgehoben, daß es bis jetzt noch nicht möglich sei, genau zu entscheiden, was für Fähigkeiten in den zuerst erwähnten Nationen schlummern.
»Ganz abgesehen davon«, sagte Robinson, »daß auch unter einer roten Haut ein Gentleman verborgen sein kann, glaube ich doch kaum, daß jemals ein Yuma- oder Mohave-Indianer ein weißes, wohlerzogenes Mädchen so weit zu fesseln imstande wäre, daß sie ihn zu ihrem Gatten wählte, was doch besonders in neuerer Zeit mehrfach in den Vereinigten Staaten am Missouri und Mississippi vorgekommen ist. Freilich sind auch dort Fälle bekannt, die man am Anfang für unglaublich hätte halten müssen; doch die Liebe vermag viel«, fügte er mit einem vielsagenden Lächeln hinzu, als ob er diese Behauptung ganz bequem durch Mitteilung eigener Erlebnisse bekräftigen könne.
»Es ist nun schon eine Reihe von Jahren her«, fuhr er fort, »als das Arkansas-Territorium als Staat in die Union aufgenommen wurde. Schon vor dieser Zeit lebten eine Menge Ansiedler in der Gegend von Little Rock, dem jetzigen Gouvernementssitz dieses Staates. Diese Leute waren nicht nur einfache Ackerbauer, die im Schweiße ihres Angesichts den Boden bestellten, sondern es befanden sich auch Familien unter ihnen, die Mittel genug besaßen, sich mit einem gewissen Luxus zu umgeben und zugleich ihren Kindern eine sorgfältige Erziehung und Ausbildung angedeihen zu lassen.
Ein solcher Mann war Mr. Jones. Im Wald, wo hochstämmige Bäume ihn von allen Seiten umgaben, hatte er eine Sägemühle angelegt, die seinen Erwerbszweig bildete, doch floß ihm sein Reichtum auch noch aus anderen Quellen zu; er hätte es sonst gewiß nicht vermocht, sich so viele Sklaven zu halten und ein so schönes Haus zu bauen, in dem er still und zufrieden mit seiner Frau und seinen drei Töchtern lebte.
Die Chickasaw-Indianer, damals noch eine wilde Nation, bewohnten ebenfalls jene Gegend; sie jagten, fischten, bekriegten ihre Feinde, und außer einigen Diebstählen kam nichts vor, was eine größere Feindschaft