Der Letzte vom "Admiral". Franz Treller
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Читать онлайн книгу Der Letzte vom "Admiral" - Franz Treller страница 17
»Oh, den haben viele gesehen, denn bei sehr niedrigem Wasserstand ragt er über das Meer empor.«
Fritze schien nicht überzeugt zu sein. In diesem Augenblick ging Martin vorbei und Henrik fragte ihn: »Hewwen Se all die Linie siehn, Stürmann Martin?«
Martin, voll trockenen Humors, wie fast alle Niederdeutschen, war durchaus geneigt, auf einen Scherz einzugeben und entgegnete: »Ich bin all achtmal öwer un tweemal unner weg fahren.«
»Und Sie haben sie wirklich jesehen?« fragte Fritze.
»Ob ick sie sien heww? Ick gläuw ook. Wie wi dat erstemal unner weg segelten, stieß die Oberbramstange bowen an un knickte tausamen, leik as en Swewelsticken.«
Der wettergebräunte Matrose, den seine vorübergehende Würde als Deckoffizier zwar sehr befriedigte, aber keineswegs stolz machte, blickte scheinbar so ernst aus den scharfen, grauen Augen, obgleich in jedem der zahlreichen Fältchen, welche sich darum eingenistet hatten, das Vergnügen lauerte, einem Landlubber eine seiner haarsträubendsten Geschichten beibringen zu können. Fritz Fischer erhob keinen Widerspruch, obgleich man sah, daß er nicht überzeugt war.
»Ja«, fuhr Martin mit gleichem Ernst fort, »das war in derselben Gegend, wo wir den großen Fisch sahen. Der war beinahe drei Meilen lang und eine Meile breit, und auf seinem Rücken wuchs Seetang und lagen Felsbrocken von sechs bis acht Faden Höhe. Wir liefen an seine Seite; ich ging mit andern auf seinem Rücken und wir sind da wohl eine Stunde lang behaglich drauf herumspaziert.«
Fritz horchte stumm und staunend der wunderbaren Mär, meinte aber dann: »Det wird dann wohl der Leviathan jewesen sind, davon steht in de Bibel.«
»Dat wird ja woll so Wesen sin, min Jong«, schmunzelte Martin.
»Und er hat euch nischt jetan?«
»Ick denke, he hädd all slapen, denn as wi dat Best twee Meilen achter hadden, ging he all unner. Dat gaw ne Flutwelle, so hoch as de Petrikerkturm, un wi danzten as Nußschale bowen upp.«
»Merkwürdig.«
»Ja, dat schall woll sien. As wi vorigt Johr im Roten Meer in tausend Faden Tiefe vor Anker gingen«, mit Mühe nur verbiß Henrik sein Lachen, als der alte Bursche so unverschämt log, »kam de Anker, als wi 'n anholten, bowen, un een grot Wagenrad hing an.«
Henrik wandte sich um und hielt das Taschentuch vor den Mund. Ganz ernsthaft aber bemerkte Fritze: »Det wird denn woll eins von die Wagenräder jewesen sind, wo der olle Pharao dunnemals mit zujrunde jejangen is.«
Diese Antwort verblüffte den alten Matrosen so, daß er nur kurz sagte: »Dat schall woll sien« und hinwegging.
Auch Henrik mußte sich entfernen, um sich unbemerkt über den Berliner auslachen zu können. Fritz aber stichelte munter weiter, bei sich denkend: »Habt ihr mir blau anloofen lassen, alte Seeratten, ick werd et euch schonst wiederjeben.«
Nach einiger Zeit kam Martin, mit dessen Anlandgehjacke sich Fritz gerade beschäftigte, und brachte ihm einige Knöpfe, um sie anzunähen, es waren schöne Hornknöpfe.
»Hewwen se in Berlin ook so wat Scheunes?« fragte er, auf die Knöpfe deutend.
»Det nennen Sie wat Schönes, Herr Stürmann?« fragte Fritz mit einem verächtlichen Achselzucken.
»Na, nich? Dat is feines Büffelhorn.« »Ja, von wilden«, sagte Fritze so von oben herab.
»Natürlich von wilden, die immer seltener werden – Präriebüffel.«
»Bei Ihnen in Hamburg mögen sie ja seltener werden, bei uns in Berlin is det aber janz anders, dort mehren sie sich.«
»Wie is dat?«
Henrik, der Martin im Gespräch mit Fritze sah, kam herbeigeschlendert.
»Ziegler und Kompanie, Knopffabrikanten en gros mit de Medallje, haben uff de Hasenheide schonst seit Jahren eene Herde von mehr als zweitausend Stück von der feinsten amerikanischen Sorte, dat Zeug vermehrt sich gehörig. Die jeben nu de Hörner her vor de wirklich juten Büffelhornknöpfe, denn die loofen nich so wild rum, die werden extra vor dat Horn gepflegt un jeben jedes Jahr ein paar Hörner her. Von die Knöppe kost de erste Sorte zehn Taler det Stück, die tragen nur der König und de Prinzen uff ihre Jagdröcke. Vor de zweete Sorte wird immer noch fünf Taler bezahlt. Da kriegen die andern Könige, Fürsten und Bleichröders wat von ab. Die gemeenste Sorte macht zwee Taler det Stück, un die is nich emal zu haben, die is uff viele Jahre hinaus feste bestellt.«
»Eine Büffelherde von rund zweitausend Stück?«
»Haben Sie ihr noch nich jesehn?« fragte darauf Fritz sehr freundlich. »Det is ja jroßartig in de Hasenheide. Hörner von anderthalb bis zwee Ellen Länge un durchsichtig wie Bernstein, se werden den Viechers ooch jeden Morgen uff de Köbbe poliert. Ja, det müssen Se mal sehen, Kerr Stürmann, det jibt echte Hornknöppe, davon sin die Leute ooch so reich jeworden.«
Henrik amüsierte sich über Martins Gesicht, der sehr verblüfft war und dies doch nicht merken lassen wollte, aber über die Umgebung der Häfen, in welchen er landete, war die gute Blaujacke nie hinausgekommen.
»Na«, meinte er, »die Büffelherde werde ich mir nächstens mal besehen.«
»Det versäumen Se ja nich, det tun alle Fremden – det is wat Kolossives.«
Martin, der in seiner Art ebenso beschränkt war, wie Fritze in anderer, kaute an dieser Büffelhorngeschichte, der er nichts entgegenzusetzen wußte, und entfernte sich ziemlich mißgestimmt, im Zweifel darüber, ob das Berliner Kind gewagt habe, ihm auch etwas aufzubinden.
Lächelnd sah ihm Fritze Fischer nach.
»Also ihr habt dort eine Herde von zweitausend Büffeln?« fragte Henrik.
»Zweitausend sin et mindestens«, erwiderte Fritze mit der unschuldigsten Miene.
»Amerikanische?«
»Ick jloobe, et sin ooch afrikanische mit mang, genau weeß ick det nich.«
»Wundert mich sehr, daß die Leute sich noch solche Kosten machen, seitdem man im Garten zu Kew bei London den Büffelhornbaum gezüchtet hat.«
Fritze sah von der Arbeit auf und forschend in das Gesicht Henriks.
»Büffelhornbaum?«
»Hast du noch nichts davon gehört oder gelesen?« fragte Henrik verwundert. »Das ist ja der großartigste Erfolg gärtnerischer Kunst.«
»Wie denn? Wat denn? Wat is det denn?«
»Den Gelehrten war es längst bekannt, daß die echten Büffelhörner halb tierischen, halb pflanzlichen Stoffes seien, und es kam nur darauf an, einen Weg zu finden, um diesen pflanzlichen Teil zum Keimen und Wurzelschlagen zu bringen. Nach endlosen Versuchen gelang es denn. Die animalischen Substanzen wurden auf chemischem Weg aus dem Horn entfernt und der Rest gepflanzt. Sie schlugen Wurzel und entwickelten sich zu Bäumen, doch taugten die hornartigen Früchte nichts. Da düngten sie endlich mit Blut, um dem Baum tierische Substanzen zuzuführen, und dies hatte wunderbaren Erfolg. Zwar sind die so gewonnenen Hörner bis jetzt noch klein, aber sie werden mit jedem Jahr größer.«
»So?«