Der Letzte vom "Admiral". Franz Treller

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Der Letzte vom

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der junge Holthaus Henrik liebte.

      Erst nach einiger Zeit fragte der Senator: »Wer war noch in dem Boot?«

      »Onno Steenberg.«

      Onno Steenberg war der andere Neffe des alten Herrn, der Sohn seiner zweiten Schwester.

      »Und der saß an der Brasse, als das Unglück geschah?«

      »Ja.«

      Der Senator stand auf und ging einigemal im Zimmer auf und ab, die dichten Augenbrauen finster zusammengezogen und starr vor sich hinsehend. Dann wandte er sich wieder an Holthaus: »Und warum ist Onno nicht gekommen, mir das Unheil zu verkünden?«

      »Er ist furchtbar erregt und beschwor mich, die Botschaft zu übernehmen; übrigens wartet er draußen.«

      Der Senator klingelte und rief dem eintretenden Diener zu, seinen Neffen Onno hereinzuführen.

      Eine Minute später trat Onno Steenberg ins Zimmer.

      Er war eine nicht gewöhnliche Erscheinung. Auf der schlanken, mit stutzerhafter Sorgfalt gekleideten Gestalt ruhte ein Kopf von schöner Form. Haar und Gesichtsfarbe, auch der Schnitt der Züge deuteten auf südliche Abkunft; seine Großmutter war eine Spanierin. Der junge Mann, dessen Züge etwas Verlebtes an sich hatten, war sehr bleich und hielt den Blick zu Boden gerichtet, als er schwankend, den Hut in der Hand, eintrat.

      Die grauen Augen des Onkels ruhten mit strengem, ernstem Blick auf Onno.

      »Warum kamst du nicht selbst, um mich von dem entsetzlichen Unglück zu unterrichten?«

      »Ich hätte es nicht über die Lippen gebracht«, stammelte Onno – und schlug die behandschuhte Hand vor die Augen.

      »Erzähle mir, wie es kam.«

      »Ich weiß es nicht«, entgegnete er mit schwacher Stimme, immer den Blick zu Boden gerichtet. »Die Brasse war festgemacht, sie hatte fast eine Stunde wie Eisen gehalten; ich weiß nicht, wie es kam, daß das Tau durch den Block glitt.«

      »Aber ihr wolltet doch wenden? Hast du nicht zu früh losgemacht?«

      »Ich habe die Brasse nicht berührt, ich erwartete den Befehl von Holthaus.«

      Die dunkeln Augen des Sprechers bewegten sich unruhig hin und her. Der Blick des Greises wurde immer finsterer und drohender, als er auf das bleiche, zuckende Gesicht seines Neffen starrte.

      Plötzlich wandte er sich rasch an Holthaus, dessen derbes, ehrliches Gesicht in seinem kummervollen Ausdruck einen lebhaften Gegensatz zu dem Steenbergs bildete, mit der Frage: »Aber kann sich Henrik nicht nach Neuwerk durch Schwimmen gerettet haben?«

      Traurig entgegnete der: »Bei dieser See, nein, Herr Senator, auch traf ihn die Spier an den Kopf. Ach, wir haben gestern abend noch gekreuzt, ohne Rücksicht auf unser Leben, doch vergebens! Wir haben, an Land gekommen, alle Küstenstationen angerufen, nach Neuwerk telegraphiert, heute morgen war ich selbst mit mehreren Lotsen draußen. Wenn Gott kein Wunder getan hat, lebt Henrik nicht mehr.«

      Nach einer Weile fragte der Senator Holthaus wieder: »Weiß meine Schwester schon davon?«

      »Nein, wir sind zu Ihnen gekommen, um Sie zu bitten, Frau Horsa die Schreckenskunde zu bringen.«

      Asmus reichte ihm die Hand und sagte: »Wir müssen's tragen, Holthaus, so gut es geht; ich danke Ihnen.«

      Holthaus verbeugte sich und ging. Der Senator blieb mit seinem Neffen allein.

      Er trat dicht vor ihn.

      »Sieh mir einmal in die Augen.«

      Onno erhob die Augenlider, senkte sie aber sofort wieder, als er dem finstern, drohenden Blick des alten Herrn begegnete.

      »Tue ich dir unrecht, mag mich Gott strafen, aber du trägst das Zeichen Kains an der Stirn.«

      »Onkel!« schrie Onno schrill auf, »das mag dir Gott in deiner letzten Stunde vergeben.«

      »Ich kenne dich und dein Treiben besser, als du glaubst«, fuhr der Senator unerbittlich fort und setzte in scharfem Ton hinzu: »Eines merke dir noch. Du wärest mit Henrik gemeinsam mein Erbe geworden – denn du bist das Kind meiner seligen Schwester; nach diesem Unglücksfall aber geht mein Vermögen nach meinem Tod an wohltätige Anstalten über. Adieu!«

      Ein Blick des furchtbarsten Hasses streifte den alten Herrn, als Onno sich zum Gehen wandte, den jener indessen nicht bemerkte.

      Als Onno fort war, sagte der Greis: »Verzeih mir, Vater im Himmel, wenn ich ihm unrecht tat. Oh, mein Henrik, mein Liebling! Meine arme Schwester!«

      Er rief nach seinem Diener, befahl den Wagen und ließ sich ankleiden. Nach einer halben Stunde hielt er vor einer kleinen Gartenpforte am Ende Blankeneses.

      Als er ausstieg, eilte eine ältere, dunkel gekleidete Dame auf ihn zu, deren bleiches, von Seelenangst zeugendes Gesicht sehr schön gewesen sein mußte.

      »Oh, Krischan – wo ist Henrik?«

      Tiefbewegt legte der alte Mann den Arm der Schwester in den seinen, sagte: »Komm, Stinning, komm«, und führte sie dem Hause zu. Willenlos folgte sie ihm ins Wohnzimmer. Er leitete sie zu einem Sessel: »Set di man dal.«

      Sie ließ sich niedersinken.

      Die beiden alten Leute sprachen immer platt, wenn sie unter sich waren. Sie war noch bleicher geworden und ihre Augen hingen voll Angst an seinen trauervollen Zügen.

      »Wat is mit Henrik?«

      Zitternd kamen die Laute über ihre Lippen.

      Wie sollte er nun das Furchtbare verkünden? Henrik war ihr Einziger, ihr alles. Endlich legte er den Arm um ihre Schulter und schluchzte laut. Sie sah ihn mit einem Gesicht, auf welchem der Schreck versteinert schien, an, dann schrie sie auf, aller Schmerz einer Mutterseele klang in dem Ton wieder: »Krischan – he is all starwen?«

      Der Senator nickte stumm.

      »He is all bihn leiwen God, Stinning.«

      Sie starrte ihn an, mit einem Blick wie eine Irrsinnige, dann fiel sie vom Stuhl schwer zu Boden. Der Senator rief nach der Magd. Die Alte, welche länger als ein Menschenalter im Hause diente, erschrak nicht wenig, als sie den alten Herrn in Tränen und ihre Herrin in diesem Zustand erblickte. Sie hoben Frau Horsa auf, legten sie aufs Sofa, und Dürten kühlte ihr die Schläfe mit Kölnischem Wasser.

      Endlich kam sie wieder zu sich und erfuhr nun, was und wie es sich zugetragen.

      Bange Wochen bitteren Schmerzes vergingen. Nur ein fester, demütiger Glaube an die Weisheit, Macht und Güte Gottes half der Mutter das tiefe Leid ertragen. Dürten aber hatte die feste Überzeugung, daß Henrik noch unter den Lebenden weile; ein Traum hatte ihr das gesagt und Dürtens Glaube an die prophetischen Bedeutungen ihrer nächtlichen Gesichte war unerschütterlich.

      »Unse Jongherr kümmt all wedder, Madam – dat is so seker as dat Amen in de Kerk«, wiederholte sie oft, und warum sollte ein liebendes Mutterherz sich nicht auch an diese schwächste Hoffnung klammern?

      *

      Onno

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