Der Sohn des Gaucho. Franz Treller
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Читать онлайн книгу Der Sohn des Gaucho - Franz Treller страница 7
Der Bursche, totenblaß jetzt, riß sein Pferd zurück; seine Stimme gellte auf. »Mörder!« rief er. »Haltet sie! Hilfe! Sie wollen mich ermorden!«
Der Boden dröhnte unter den Hufen einer heransprengenden Reiterschar; in vollem Rosseslauf jagte ein hochgewachsener, schwarzbärtiger Mann in einem eleganten Reitanzug heran; eine tiefe, dröhnende Stimme rief schon von weitem: »Was gibt es da, Agostino?«
»Hilfe! Mörder!« brüllte der Knabe. Der Reiter, von einigen Caballeros und wohl einem Dutzend Dienern gefolgt, war heran. Juan und Pati wechselten, da sie den Schwarzbärtigen gewahrten, einen Blick.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte der Reiter; er zügelte sein Pferd neben dem Jungen.
Der deutete auf den Neger. »Dieser alte Schuft hat meine Befehle nicht befolgt«, sagte er. »Ich war im Begriff, ihm eine Lektion zu erteilen, als diese beiden Ladrones sich einmischten und mich bedrohten. Der da« – er wies auf Don Juan – »hat sogar das Messer gezogen.«
Der Schwarzbärtige wandte sich Juan zu. Sein Gesicht flammte vor Zorn. Vor dem festen, ruhigen Blick der auf ihn gerichteten Augen des Gauchos stutzte er.
»Was stierst du mich an, Zarapeto!« brüllte er auf. »Wer bist du?«
»Ein friedlicher Reisender, der auf dem Wege in seine Heimat ist und hier einen Augenblick ausruhte«, sagte der Gaucho ruhig.
»Und der andere da?«
»Er ist mein Begleiter.«
»Ich bin der Alkalde des Bezirks«, schrie der Reiter. »Als solcher frage ich dich, woher du kommst und wohin du gehst.«
»Ich komme von Humberto und reite nach Buenos Aires.«
»Was tatest du in Humberto?«
»Ich hatte Geschäfte dort.«
»So!« Der Mann hatte sich beruhigt; ein Ausdruck überlegenen Spottes stand auf seinem harten Gesicht. »Du wirst nicht erwarten, daß ich dir das glaube«, sagte er, »nachdem du hier unternahmst, einen Diener gegen seinen Herrn aufzuhetzen und zum Überfluß das Messer gegen meinen Sohn zu ziehen.«
»Ich habe niemanden aufgehetzt«, sagte der Gaucho. »Und das Messer habe ich gezogen, nachdem Euer Sohn mich mit der Peitsche bedrohte.«
»Ich hätte die größte Lust, dich samt diesem rothaarigen Scheusal da am nächsten Baum aufhängen zu lassen!« sagte der Schwarzbart.
»Das würde Euch bald leid tun«, versetzte Don Juan mit immer gleicher Ruhe, »Euer Leben wäre alsdann keinen Peso mehr wert. Ihr hättet zukünftig das Messer jedes Gaucho zu fürchten.«
»Laß die Hunde hängen, Vater!« schrie der junge Agostino. »Kein Zweifel, es sind Unitarier!«
»Muéran los unitarios! Viva la confederacion!« riefen Juan und Pati wie aus einem Munde.
Ein breites Lächeln erschien auf dem Gesicht des Hacienderos. »Ganz schön«, sagte er, »aber der Ruf kostet nicht viel.« Einer der hinter ihm haltenden Caballeros sagte: »Don Manuel braucht frische Mannschaft, Don Francisco. Steck die beiden Burschen in eins der Regimenter, da werden sie Gelegenheit haben, ihre Liebe zur Föderation zu beweisen.«
»Wir haben bereits für die Republik gefochten, Señor«, sagte der Gaucho. »Jedermann weiß, daß alle Gauchos auf den ersten Ruf Don Manuels bereit stehen.«
»Laß dich nur nicht betören, Vater«, kreischte der Bursche, der diesen ganzen Vorgang heraufbeschworen hatte. »Sicher sind das Spione der Unitarier, die von Uruguay herübergekommen sind, um hier zu kundschaften.«
»Wir werden bald wissen, wer sie sind«, sagte Don Francisco. »Bindet die Burschen!« rief er den weiter zurück haltenden Leuten zu, von denen einige sogleich von den Pferden sprangen.
Juan bewahrte auch jetzt seine Ruhe, dagegen schien Pati, seiner Miene nach, entschlossen, sich nicht so ohne weiteres fesseln zu lassen. »Ruhig!« zischte ihm Juan zu, »später!« Und Pati schluckte seinen Zorn einstweilen hinunter.
Die Diener führten den Befehl aus; sie banden beiden Männern die Hände auf dem Rücken zusammen, nachdem sie ihnen vorher die Messer abgenommen hatten. Sie ließen es ruhig, mit finsteren Mienen geschehen.
»So, du Cochino!« schrie der junge Salis und trat auf Don Juan zu. »Du wolltest das Messer ziehen gegen mich? Ich werde dich Demut lehren, du bissiger Hund!« Und seine Reitpeitsche fuhr dem Gaucho einige Male quer durch das Gesicht. Das veränderte nicht einen Zug, aber ein Strahl furchtbaren, unversöhnlichen Hasses brach aus seinen Augen und traf den Burschen, der unwillkürlich betroffen zurückwich und die Peitsche sinken ließ.
Don Francisco hatte dem kleinen Zwischenspiel gleichmütig zugesehen, jetzt wandte er sich ab. »Setzt sie fest und laßt sie gebunden«, sagte er, »es scheinen verwegene Burschen zu sein.«
»Was soll mit dem alten Halunken hier geschehen, Vater?« fragte der Sprößling und wies auf den Neger, der sich mit einem Taschentuch sein blutüberströmtes Gesicht hielt.
»Er hat morgen die Estancia zu verlassen!« sagte der Estanciero. Die alte Negerin stürzte mit gerungenen Händen auf ihn zu; die Tränen liefen ihr über die Wangen. »Oh, Don Francisco«, jammerte sie, »stoßt doch alte unglückliche Leute nicht ins Elend hinaus! Wir sind hier geboren, wir haben deinem Vater, deinem Bruder und dir treu gedient, wir sind alt und schwach in diesem Dienst geworden; wo sollen wir denn hin? Mein Mann hat nichts Böses getan, er hat den Befehl des jungen Herrn nicht mißachtet, er hat dem Majordomo gehorchen müssen!«
»Der rebellische Schuft lügt!« sagte der Junge.
»Geht zum Henker, wohin ihr gehört!« schrie der Estanciero die alte Frau an. »Seid ihr morgen noch hier, lasse ich euch aus meinem Gebiet herauspeitschen!«
Der alte Antonio hörte stumpf sein Verbannungsurteil an. Er und seine Frau waren als Sklaven auf der Estancia aufgewachsen. Seit der Aufhebung der Sklaverei hatte er sich zur Familie de Salis gehörig betrachtet; die Verbannung von der Estancia war für ihn gleichbedeutend mit der Vernichtung. Er war gebrochen, es war kein Widerstandsfunke mehr in ihm. Anders aber war es mit seiner Frau. Die Alte, in der die tiefste Verzweiflung tobte, hob mit leidenschaftlicher Gebärde die Arme zum Himmel. »Gut!« schrie sie, »gut, Don Antonio! Jage uns fort! Wir gehen; Gott wird alten Menschen gnädig sein, sie werden ein Obdach finden. Aber wir kommen wieder, Don Francisco! Wir kommen wieder, Antonio und ich. Wir kommen mit den Erben Don Fernandos, Don Carlos und Don Aurelio! Die Kinder deines Bruders werden dich eines Tages jagen, wie du uns heute jagst! Gott ist gerecht!«
Der Estanciero stieß eine wilde Verwünschung aus, er hob die Reitpeitsche zum Schlag. Aber er ließ sie wieder sinken. Die Szene hatte eine größere Anzahl Arbeiter von den Feldern herbeigelockt, unter denen auch mehrere Neger waren. Dort erhob sich Jetzt ein so drohendes Gemurmel, und nicht nur unter den Schwarzen, daß es Don Francisco geraten schien, fürs erste nicht weiter in diese glimmende Glut zu blasen. »Du bist ein Weib«, knurrte er, »aber Gnade euch Gott, wenn ich euch morgen noch hier finde!« Damit wandte er sein Roß und sprengte, von seinem Sohn und den anderen Reitern gefolgt, dem Schloß zu.
Der alte Neger Antonio und sein Weib sahen sich alsbald