Seefahrt ist not!. Gorch Fock
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Seefahrt ist not! - Gorch Fock страница 8
So erzählte Klaus Mewes, was die Sage an der Wasserkante zusammengetragen hat von den Vitalienbrüdern und ihrem Hauptmann Klaus Störtebeker – und der kleine Klaus Störtebeker saß mit funkelnden Augen und glühenden Backen dabei und konnte nicht genug hören, wie sie Kopenhagen in Brand steckten, wie die zerfetzte gelbe Flagge im Sturm flatterte, wie sie mit den Hamburger Schiffen umsprangen, wie sie Ritzebüttel und Neuwerk wegnahmen und wie sie den schottischen König gefangenhielten. Als Klaus aber weiterging und von dem großen, breiten Graben auf Finkenwärder erzählte, der die kleine Elbe hieß, und daß Störtebeker dort oft mit seinen Schiffen auf der Lauer gelegen habe, da sprang der Junge auf, daß Kap Horn ausrief: »Neem ist dat Füer?« Er fragte: »Vadder, neem is de Groben?«
Sein Vater beschrieb ihm diesen Graben und sagte, daß es damals noch keinen Deich gegeben habe und daß die kleine Elbe ein Priel von der großen gewesen sei. Aber er konnte es dem Jungen doch nicht recht verdeutschen, der sich einen so breiten Graben gar nicht vorstellen konnte, und es blieb schließlich nichts anderes übrig, als daß sie eine kleine, nächtliche Expedition zum Seeräubergraben ausrüsteten, die trotz aller Einwendungen von Gesa sofort ausrückte und der sich auch Kap Horn und Seemann freiwillig anschlossen.
»Klaus, blief hier, dor sitt de Brummkirl innen Groben un holt di!«
Der Junge lachte sie aus und sagte, während er sein wollenes Halstuch umband: »Brummkirl gifft ne, Mudder.«
»So?«
»Hett Vadder seggt! Dor ward bloß lütje Kinner mit bang mokt, wat se ne bit Woter gohn scheut.«
Dann schlug die Haustür knallend zu, und Gesa war wieder allein. Wie die Brechseen über dem kleinen Ewer, so schlugen die Gedanken über ihrem Kopf zusammen; sie konnte sich ihrer nicht erwehren und konnte auch die quellenden Tränen nicht hemmen. Warum mußte sie so geschaffen sein, daß sie nicht getroster Hoffnung und fröhlichen Herzens an die Seefahrt denken konnte, warum konnte sie sich der Keckheit ihres Jungen nicht freuen? Warum nicht? Sie war doch jung und gesund: Warum mußte sie da immer wieder zusammenbrechen und klein und verzagt werden, warum konnte sie ihn nicht loswerden, den furchtbaren Gedanken, daß sie den Ewer auf See untergehen und den Jungen ertrunken im Graben sehen solle? Warum wagte sie es nur mit heimlichem Grauen, helle Kleider zu tragen?
Sie begriff nicht, daß eine Seefischerfrau wie die kleine Metta Holst, die doch auch nicht am Deich großgeworden war, sondern wie sie von der Geest stammte, so fröhlich lachen und singen konnte und abends ruhig auf dem Deich unter den Linden hinter dem Spinnrad saß und spann; denn ihr Mann und ihre beiden Söhne fuhren auf einem Ewer, schwammen auf einem Stück Holz in der See. Ein Blitzstrahl, eine Brechsee konnte ihr ganzes Leben verschütten, ihr ganzes Haus verdunkeln, ihr alles, alles nehmen – und doch konnte sie singen und lachen, die Frau. Daß eine so fest stehen konnte!
Gesa schüttelte den Kopf.
Der Junge glitt ihr ganz aus den Händen. Sie hielt viel von ihm, gewiß ebensoviel wie andere Frauen von ihren Kindern. Und wenn sie ihn zügelte und ihm wehrte, wenn sie ihn dem Wasser fernzuhalten suchte, was trieb sie anderes dazu als die Liebe? Bis zu drei Jahren war der Junge ein rechtes Mutterkind gewesen, das ihr Schürzenband kaum losgelassen hatte, und sein Vater hatte sich wenig mit ihm abgegeben, sondern nur immer lachend erklärt, daß er mit so kleinen Gören nicht umzugehen wisse; ein Mann, der ein kleines Kind auf dem Arm habe, komme ihm vor wie ein Hahn, der auf Eier gesetzt sei. Zwar hatte er den Jungen zuerst alle zwei Stunden geweckt und dabei gesagt, das müsse er beizeiten lernen, denn später beim Schollenfang hieße es auch: alle zwei Stunden raus! Aber es war nur Spaß gewesen, wie es auch Spaß gewesen war, wenn er ihn auf und ab schaukelte, um ihn an die Dünung zu gewöhnen und ihn seefest zu machen. Wozu er sang: So dümpelt de Eber, so dümpelt de Eber, so dümpelt de Eber up See…
Dann aber, als der Junge anfing zu sprechen und zu begreifen, war es anders geworden; da kam der Ernst. Da wurde er ausgelacht, weil er ein Mutterkind war, und von ihren Wegen abgelenkt, da wurde das Wort gesprochen: ne bang wesen, Junge, anners kummst du ne mit no See! Ne schreen, Klaus, anners kann ick di noher an Burd ne bruken. Da war der Brand in die Kinderseele hineingeworfen worden und hatte sie verheert. Da war ihm der Kompaß in die Brust gesetzt worden, der ständig nach der See wies und all sein Tun und Lassen lenkte.
Dann kam der Kahn, der grüne, nordische Kahn, von dem Gesa glaubte, daß ihr Mann ihn vom Teufel gekauft hatte und nicht von dem norwegischen Schuner, wie er behauptete. Den bekam der Junge zu seinem vierten Geburtstag, und damit war er der Elbe und dem Wasser verfallen und nun mehr als die andern Jungen am Deich: Reeder und Schiffer. Da übertrugen die Finkenwärder den Namen des Fahrzeugs bald auf den Jungen, und aus dem kleinen Klaus Mewes wurde für jung und alt ein kleiner Klaus Störtebeker! Gesa seufzte tief, denn sie trug schwer an diesem gottlosen Namen.
Die vier Getreuen aber standen an dem breiten schwarzen Graben zwischen den dicken krummen Wicheln und den schlanken schiefen Erlen und suchten die Spuren von Klaus Störtebeker. Sie bestimmten den Baum, an dem er sein Admiralsschiff festgemacht hätte, und durchforschten die hohlen Stämme nach Gold, das er vielleicht hineingesteckt haben könnte. Das faule Holz glomm auch wirklich wie Silber, so daß der Junge alle Augenblicke ausrief: »Hier sitt dat Gild, hier sitt dat Guld!« und sie von einer Wichel zur anderen lockte.
Klaus Mewes aber guckte viel nach dem Bauernhof auf der zehn oder zwölf Ewerlängen entfernten deichhohen Wurt, der bei den alten Leuten noch der Grönlandshof hieß, weil in alten Zeiten die hamburgischen Walfischfänger neben ihm geankert hatten. Dorther stammten er und die ganze, weitverbreitete Sippe der Mewes. Auf dem Grönlandshof hatte der alte Vogt holländischen Blutes gesessen, der aus einem Bartholomäus zu einem Bartel Mewes geworden war. Seine Jungen und Enkel dann, die hatten herausgefunden, daß es besser war, die grüne See zu pflügen als das braune Land, und sie waren nach dem Deich gezogen und Schiffer und Fischer geworden. Das Bauerngeschlecht der Mewes war ausgestorben. Die seefahrenden Mewes aber waren immer noch groß am Ruder und machten ein Drittel der Fischerflotte aus, während das zweite und das letzte Drittel den Focken und Külper zukam.
Seefischerei… Klaus Mewes sehnte sich nicht nach der Bauerei zurück und hätte seinen lieben großen Ewer gewiß nicht gegen den ganzen Grönlandshof eingetauscht.
Dritter Stremel
Den Montag, der als schöner stiller Vorfrühlingstag über die Elbe kam, fing Klaus Mewes mit früher Arbeit an. Er schleppte Segel und Kurren mit seinen Leuten über das Eis, machte die beiden Kurrleinen fertig und hackte dann das Fahrzeug ringsum frei, damit Raum für den notwendigen Anlauf gewonnen würde, denn er hatte keine Ruhe mehr: Das Eis trieb nicht weg und konnte noch wochenlang liegenbleiben. Da mußte er Gewalt anwenden!
Hein Mück, der erst gegen Morgen von Musik gekommen war, konnte kaum die Augen offenhalten, aber sein Jammern half ihm nichts; er bekam die nassen Fausthandschuhe zu schmecken und mußte tüchtig dran glauben.
Gegen Mittag ging Kap Horn den Deich entlang, um anzusagen für die große Arbeit, die gleich nach dem Essen angegriffen werden sollte. Kap Horn war der rechte Mann für so etwas, denn er konnte gut klönen; zwar dauerte es Stunden, bis er die hundertfünf Häuser abgeklopft hatte, aber er hatte dafür auch die Genugtuung, acht Tassen Kaffee und zwei Kirschenschnäpse eingegossen bekommen und alle an Land befindlichen Mannsleute angeworben zu haben. Störtebeker begleitete ihn ein Stück und lief dann noch mal zum Schuster und mahnte ihn um die langen Stiefel, freilich ohne daß er sie gekriegt hätte.
Dann trabte er wieder nach dem Neß und half seinem Vater, dem er