Am Jenseits. Karl May
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Am Jenseits - Karl May страница 19
»Sie hat in Gottes Willen gelegen und ist das Geschenk seiner Liebe, die alle Menschen selig machen will; ich besitze kein Recht, mir einen Dank dafür anzumaßen. Es ist ja so leicht, den Glauben in ein Herz zu legen, welches ihm so sehnend, so willig und voll Vertrauen offen steht. Zwar ist dieses Sehnen in jede Menschenbrust gelegt, aber zugleich wohnen da auch die Geister des Hochmutes, der Selbstgefälligkeit, der Genußsucht, des Ungehorsams, der sich nicht strafen lassen will, und noch viele andere, die es nicht zu Worte kommen lassen.«
Da nahm Omar Ben Sadek das Wort, indem er sagte:
»Effendi, du sagst die Wahrheit, wenn du von diesen Geistern redest. Was war ich für ein Mann, als du mich kennen lerntest? Ein nach Rache, nach blutiger Vergeltung schnaubender Mensch, ein Anhänger des Islam, der nur sich selbst liebte, seine Feinde haßte und gegen alle andern Personen nichts als stolze Gleichgültigkeit empfand. Du warst der erste unter allen Leuten, der mich zur Achtung zwang. Darum wünschte ich, ebenso wie Hadschi Halef, unser jetziger Scheik, daß du Muhammedaner werden möchtest, denn wir hatten dir so viel zu verdanken und wollten dir den Himmel gönnen, den wir nur für die Anhänger des Propheten offen glaubten. Wir arbeiteten an dir ohne Unterlaß, zu jeder Zeit; du sagtest nichts dazu; ein Lächeln war alles, was dir unsere Bemühungen entlocken konnten. Ein anderer an deiner Stelle hätte uns mit den Lehren des Christentums bekämpft, und es wäre ein unerquicklicher Wortstreit entstanden, der uns verfeindet und unsere schließliche Trennung herbeigeführt hätte. Du aber warst zu klug, in das Verhalten der Prediger zu verfallen, weiche, ohne unsere Lehren zu kennen, uns zumuten, die ihrigen als richtiger und besser anzunehmen. Du brachtest keine Lehren; du sagtest keine Worte, aber du sprachst in Taten. Du lebtest ein Leben, weiches eine hinreißende, eine überzeugende Predigt deines Glaubens war. Wir waren deine Begleiter und lebten also dieses dein Leben mit. Der Inhalt des deinigen war Liebe, nichts als Liebe. Wir lernten diese Liebe kennen und liebten zunächst auch dich, Wir konnten nicht von dir lassen und also auch nicht von ihr. Sie wurde größer und immer mächtiger in uns, sie umfaßte nicht bloß dich, sondern nach und nach auch alle, mit denen wir in Berührung kamen. Jetzt umfängt diese unsere Liebe die ganze Erde und alle Menschen, die auf ihr wohnen. Wir haben den Kuran vergessen; wir sind gleichgültig geworden für die Gesetze des Propheten, durch weiche die Geister, von denen du sprachst, ihre Macht über uns gewannen. Unser Stamm ist groß und berühmt geworden durch das Beispiel, welches wir befolgten, weil es uns von dir, den wir liebten, gegeben wurde. Wir sind unabhängig geworden durch dich; wir kennen keinen Scheik und keinen Stamm der Dschesireh, von dessen Willen wir uns bestimmen lassen. So haben wir uns auch von der Oberhand des Islam freigemacht. Wir wollten dich zu ihm bekehren, sind aber, ohne daß wir es nur merkten, durch die Predigt deiner Taten, welche nichts als Liebe lehrten, von Muhammed fort und auf das hohe Minareh (Gebetsturm) dieser Liebe hinaufgeleitet worden, von welchem aus es nur ein Gebot und eine Stimme gibt, nämlich die heiligen Worte, weiche wir von dir lernten: Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm!‘ So hast du in uns den Geist der Selbstsucht, des Hasses, der Rache besiegt; so hast du aus uns Menschen gemacht, welche die Friedenspfade Allahs wandeln, und so bin auch ich durch dich aus einem nach Vergeltung schreienden, unerbittlichen Bluträcher ein gläubiger und folgsamer Anhänger des Gottessohnes geworden, der seine Lehre von der ewigen Macht der Liebe durch sein ganzes Leben, durch sein Leiden und dann durch seinen Tod besiegelt und bestätigt hat. Hanneh, die Beglückerin unsere ‚ s Scheikes, ist es nicht allein, welche von einer Kijahma sprechen kann, sondern wir alle haben eine Kijahma gehabt, eine Auferstehung, eine Befreiung, eine Rettung aus dem Reiche des Hasses in das Reich der Liebe und des Friedens. Das, Effendi, wollte und mußte ich dir sagen, weil mein Herz mich dazu treibt, jetzt, wo wir auch eine Kijahma vor uns haben, welche der Schärfe deines Auges zu verdanken ist.«
»Und noch eine Frage«, fiel Hanneh wieder ein. »Besitzt Emmeh, die freundliche Spenderin deiner Behaglichkeit, auch einen so festen Glauben, grad wie du?«
»Ja«, antwortete ich.
»Hat sie ihn stets gehabt?«
»Sie hatte diesen Glauben schon, als ich sie kennen lernte; er lag in der Tiefe ihres Gemütes aufbewahrt.«
»Und da brachtest du den Sonnenschein, der ihn hervorrief an das Tageslicht? Du hast ihn gepflegt mit liebevoller Hand und nun deine Freude daran, wie an einem Baume, an dessen Früchten man sich doppelt erquickt, weil man ihn mit eigener Hand emporgezogen hat. Sihdi, wie gern, wie so gern möchte ich deine Emmeh kennen lernen! Ich würde ihr zuliebe alles tun, ich wäre sogar bereit, mich mit ihr, wenn sie es wollte, in einen Wagen eurer Eisenbahn zu setzen, um mit ihr so weit zu fahren, wie es ihr beliebt!«
»Ich aber mit!« bemerkte Halef schnell. »Frauen bedürfen stets der Unterstützung und des Schutzes, und das freundliche Lächeln, welches sie dann dafür geben, ist dem eigenen mehr als einem fremden Manne zu gönnen!«
»Lächeln?« fragte sie. »Ein freundliches Lächeln? Was meinst du damit, lieber Halef? Wer lächelt da?«
»Ihr!«
»Wir? Also auch ich?«
»Ja.«
»Warum?«
»Weit der – — – der Schutz – — – der Schutz, den sie bedürfen, stotterte er verlegen. Dann wendete er sich rasch und in resolutem Tone an mich: .Sag du es ihr, Effendi! Ich habe mich verritten, und du verstehst dich auf eure Eisenbahnen doch besser als ich, der ich ja noch gar keine gesehen habe! »
Das Gesicht der lieblichsten unter allen Lieblichkeiten hatte einen ernsten, ja strengen Ausdruck angenommen. Nun sah sie mich erwartungsvoll an. Darum erklärte ich ihr, die von dem Lächeln ja gar nichts hatte erfahren sollen, an seiner Stelle:
»Ich habe mit Halef von unsern Eisenbahnen gesprochen, auf denen auch unsere Frauen und Töchter fahren dürfen. Ihnen gefällt es in diesen Wagen so sehr, daß sie vor Vergnügen freundlich zu lächeln pflegen.«
»Und das gefällt ihm wohl nicht?« fragte sie. »Warum soll eine Frau nicht lächeln dürfen, wenn ihr etwas Vergnügen macht? Ich würde auch lächeln, unbedingt lächeln! Hast du vielleicht etwas dagegen, Halef?«
»Nein, gar nichts!«antwortete er, sehr erfreut darüber, daß es mir gelungen war, dieser »lächelnden« Angelegenheit eine unverfängliche Wendung zu geben. »Ich würde im Gegenteile sehr glücklich sein, die Strahlen deines Lächelns auf meinem Angesicht zu fühlen, das weißt du doch! Doch seht, ob ich mich irre! Der vorn Tode Errettete scheint sich zu bewegen!«
Er hatte recht, und das Erwachen des Mekkaners kam seinem Wunsche, den jetzigen Gesprächsgegenstand fallen zu lassen, sehr gelegen.
»Wasser!« klang es wieder wie vorhin leise von den Lippen El Münedschi‘s, welcher sich mit dem Oberkörper aufzurichten versuchte, wobei ihn zwei Haddedihn schnell unterstützten.
Es wurde ihm gegeben, und er trank diesesmal mit vollen Zügen. Dann saß er da, ließ seine herrlichen Augen im Kreise gehen, holte tief, tief Atem und sagte dann langsam und wie geistesabwesend, indem er die Hände faltete. ,.Die Menschen schlafen; wenn sie aber sterben, dann wachen sie auf!«
Dann schloß er die Augen und legte sich wieder nieder, wozu er keiner Unterstützung bedurfte. Seine Stimme hatte tief, aber doch sonor geklungen, wie von einer innern Resonanz verstärkt. Die von ihm gesprochenen Worte mögen einem Nichtkenner des Arabischen banal erscheinen; auf mich aber machten sie einen ungewöhnlichen Eindruck, und daß dieselbe Wirkung auch auf die Haddedihn stattfand, belehrte mich ein leises, andächtiges »Amin!« (Amen), weiches die meisten von ihnen, darunter auch Halef, dazu sagten. Diese Worte waren einer der berühmten »Hundert Sprüche« Alis,