Am Jenseits. Karl May
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»Durch einen Zufall?«
»Halef, du weißt, daß es für mich keinen Zufall gibt. Wenn die allmächtige Weisheit Gottes Ursachen und Wirkungen miteinander verknüpft, deren Verbindung das schwache Auge des Menschen nicht zu erkennen vermag, so wird zur Erklärung das mir so unsympathische Wort Zufall hervorgesucht. Es ist das eine Kantara el humar (Eselsbrücke), über welche sogar sonst ganz kluge Leute reiten.«
»Lebtest du damals schon, als deine Großmutter scheintot war?«
»Nein. Sie ist zu jener Zeit noch jung gewesen, hat aber bis in ihr sehr hohes Alter oft von der entsetzlichen Angst gesprochen, weiche ihr durch den Gedanken, lebendig begraben zu werden, verursacht worden war.«
»Hat sie denn diese Angst empfunden? Ich habe nämlich gehört, daß der Scheintote gar nichts von sich weiß, weil seine Seele den Körper verlassen hat und außerhalb desselben wandelt.«
»Die Gelehrten behaupten allerdings, daß beim wirklichen Scheintode das Bewußtsein und die Empfänglichkeit der Sinne vollständig erloschen seien. Das ist bei meiner Großmutter zwei Tage lang der Fall gewesen; als dann am dritten Tage ihr die Besinnung zurückkehrte, hat sie sich im Sarge liegend gefunden. Doch hat sie das nur aus den Reden der um sie Stehenden schließen, nicht aber sehen oder fühlen können, weil es ihr unmöglich gewesen ist, die Augen zu öffnen oder überhaupt mit irgendeinem Gliede die geringste Bewegung zu machen. Sie fand später keine Worte, die entsetzliche Angst, die Verzweiflung zu beschreiben, mit weicher sie sich angestrengt hatte, ein Lebenszeichen zu geben; aber ihr Wille, die ganze Summe ihrer geistigen Energie, war ohne Einfluß auf den Körper gewesen. Da hatte sie eingesehen, daß ihre einzige Rettung nur noch im Gebete liege. Sie war eine gottesgläubige, sehr fromme Frau, und du kannst dir denken, daß sie nie so inbrünstig gebetet hat wie damals vor der dunklen Pforte des Grabes, in weiches sie bei vollem Bewußtsein gebettet werden sollte. Unsere heilige Schrift sagt: Das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist.‘ An diesem Ernste hat es bei Großmutter wohl nicht gefehlt, und so sind diese Bibelworte auch an ihr zur Wahrheit geworden. Als ein Kind zum Abschiede ihre Hand faßte, hat sie endlich, endlich die Finger bewegen und den Druck erwidern können. Das Kind hat vor Schreck laut aufgeschrieen und zitternd und stammelnd die Mitteilung gemacht, daß die Tote noch nicht ganz gestorben, sondern in der Hand noch lebendig sei‘, worauf man sich von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugte und nach dem Arzte schickte, unter dessen Behandlung die Kranke dann langsam wiederhergestellt wurde.«
Hanneh hatte vorhin ihr Zeit verlassen und sich uns auch zugesellt. Sie verfolgte das, was ich erzählte, mit großer Aufmerksamkeit und fiel jetzt mit der Frage ein:
»Du bist der Ansicht, Sihdi, daß die Seele der Mutter deines Vaters damals ihren Körper verlassen habe?
»Ja«, antwortete ich. »Das ist mir von großer Wichtigkeit! Aus dem, was du erzähltest, folgt, daß deine Großmutter eine Seele gehabt hat?«
»Allerdings.«
»Glaubst du, daß sie die einzige Frau auf Erden war, welcher Allah eine Seele gab?«
»Nein, denn jedes Weib erhielt dies Gottesgeschenk.«
»Und der Islam lehrt, das Weib besitze keine Seele und könne also auch nicht teilnehmen an den ewigen Freuden des Paradieses. Der Islam sagt, das Weib sei nur zu dem Zwecke geschaffen, mit ihrem Körper Dienerin des Mannes zu sein, und darum habe mit dem Tode dieses Körpers für sie alles Leben aufgehört. Ich habe mit dir, Effendi, in jener Nacht hinter den Zeiten über diesen uns beleidigenden Mißglauben gesprochen, und du erfülltest mein Herz mit Trost und Beruhigung, indem du mir die Überzeugung gabst, daß wir Frauen auch eine Seele besitzen und also ebenso wie ihr zur Seligkeit berufen sind. Du hast meine damalige heiße Bitte erhört und auch Halef, den Begründer meines irdischen Glückes, zum Glauben an diese meine unsterbliche Seele gebracht, und nun du heut von der Seele deiner von dir so sehr geliebten Großmutter erzählst, muß auch bei alt den Männern, welche hier stehen und deine Worte gehört haben, der letzte Zweifel an unsere Unsterblichkeit schwinden. Ich danke dir! Ich möchte nun noch eins gern wissen. Wenn die Seele deiner Großmutter damals ihren Körper verlassen hat, so muß sie während der Zeit bis zu ihrer Wiederkehr an einem andem Ort gewesen sein. Weißt du, wo?«
»Nein.«
»Hast du sie nicht gefragt?«
»Als Kind nie, weil mir die dazu nötige Einsicht fehlte; aber später, als ich nach den Geheimnissen des Glaubens zu forschen begann, die es für den, weicher wirklich glaubt, doch gar nicht gibt, weil die Erleuchtung die erstgeborene Tochter des wahren Glaubens ist, da erkundigte ich mich allerdings sehr oft und angelegentlich bei ihr, ob die zwischen dem Schwinden und der Wiederkehr ihres Bewußtseins liegende Lücke nicht vielleicht durch irgend eine wenigstens später erwachte Erinnerung auszufüllen sei. Sie wußte aber nichts.«
»Das kann ich nicht begreifen. Nach dem, was ich von dir über die Menschenseele gehört habe, kann in ihrem Leben und in ihrem Bewußtsein niemals eine Pause eintreten.«
»Pause? Das ist das richtige Wort! Du gibst mir da das Gleichnis in die Hand, welches dir, obgleich es nicht ganz treffend ist, doch wenigstens einigermaßen die Erklärung bringt. Du wirst mich verstehen, weil du die Uhteh (guitarreähnliches Saiteninstrument) zu spielen verstehst. Es waren während der Abwesenheit der Seele in dem Gehirn der Scheintoten Pausen entstanden, leere, unempfindlich gewordene Stellen, welche sich auch später unempfänglich für die Töne der Erinnerung zeigten. Aber wenn sie sich auch nicht klar entsinnen konnte, ein nach rückwärts gerichtetes heiliges Ahnen, das fromme Gefühl eines gehabten, seligen Schauens war geblieben, und infolgedessen sah ich die größte Hoffnung ihres Erdenlebens, weiches ein Leben in Armut und in Sorge war, auf das einstige Wiedererwachen der Herrlichkeit gerichtet, welche ihr schwaches, irdisches Gedächtnis nicht hatte festhalten können. Sie lebte bis zu ihrem Tode ein doppeltes Leben, indem sie in aufopfernder Treue und Selbstentsagung für die Ihren arbeitete und jeden von dieser Arbeit freien Augenblick dem Trachten nach der himmlischen Klarheit widmete. Diese ist ihr, wie ich überzeugt bin, nun schon längst geworden.«
»Wie fest, wie fest du glaubst, Sihdi!« meinte Hanneh, indem sie in tiefer Rührung die Hände faltend ineinander legte. »Es gibt wohl nichts, gar nichts, was dich in diesem unerschütterlichen Glauben irremachen könnte?«
»Nichts! Ich habe mit allen möglichen Unholden des äußeren und des Seelenlebens um ihn gerungen und bin auch jetzt noch in jedem Augenblicke bereit, für ihn zu kämpfen und mein Leben einzusetzen. Glaube mir, die in Menschengestalt sichtbaren Feinde sind nicht die stärksten und die schlimmsten Gegner dieser meiner seligmachenden Glaubenszuversicht; die heißesten Kämpfe werden vielmehr im verborgenen Innern ausgerungen, wo der Einfluß dunkler Mächte größer ist als im sichtbaren Leben, welches nur die Wirkungen dieses Einflusses zeigen kann. Wohl dir, meine liebe Hanneh, wenn deine Engel die Hände über dich breiten, um solche Mächte und solche Kämpfe von dir fernzuhalten! Nicht jeder besitzt die Oberzeugungskraft, welche erforderlich ist, siegreich aus ihnen hervorzugehen.«
Da lächelte sie mich herzig an und sagte:
»Sihdi, warum sollte ich kämpfen, also etwas so Schweres tun, was ich ja gar nicht nötig habe? Du hast mir deinen herrlichen Glauben gebracht und mir ihn in mein Herz gelegt. Was du mir gibst, ist gut. Da liegt er nun wie eine Sonne, die mich und mein ganzes Leben heil erleuchtet und erwärmt, und wo es eine solche Sonne gibt, da können finstere Mächte doch nicht sein. Wir haben jetzt hier eine irdische Kijahma erlebt, die Auferstehung eines Leibes von den Toten; du aber hast mir durch deinen Glauben schon längst